Dieses Gleichnis wird allerdings oft so ausgelegt, als ob das Evangelium (gemeint ist die christliche Kirche) die ganze Menschheit durchdringe, wozu ja der Ausdruck: "gleich einem Sauerteig" leicht verleitet. Wahr ist ja, dass das Evangelium vielfach eine veredelnde und läuternde Wirkung selbst auf Sitten, Sprache usw. der heidnischen Umwelt ausgeübt hat. Doch eine genaue Beachtung sowohl des Gesamtgedankengangs als auch der biblischen Ausdrucksweise weist einen ganz anderen Weg.
Zunächst muss man doch beachten, was der Herr mit diesen sechs Gleichnissen vom Königreich der Himmel zeigen will. Er bezeichnet mit "Königreich der Himmel" die Tätigkeit Gottes in dieser Welt, was Er hier wirkt und wie Er sich bezeugt. Die Versammlung aber ist keineswegs dieses Reich selber, sie erscheint ja auch erst in den drei letzten Gleichnissen. Die drei ersten Gleichnisse stellen das Zeugnis Gottes allgemein dar, und zwar, wie es unter den Händen der Menschheit verdorben wird. Das Unkraut unter dem Weizen zeigt die äußere Vermischung mit der Welt, das Senfkorn, wie das Zeugnis äußerlich groß und mächtig wird, und der Sauerteig, wie es auch als Lehrsystem gründlich verdorben wird.
Nun wird der Sauerteig als solcher nicht mit dem Königreich der Himmel verglichen, sondern mit dem Vorgang des Durchsäuerns. Der Sauerteig ist in der Schrift ja immer ein Bild des Bösen, vor allem von böser Lehre, aber auch von moralischem Verderben. Was bedeutet z.B. das ungesäuerte Brot, das Israel während der Passahtage essen musste? Doch absolute Reinheit des Lebens! Vergleiche auch die Stellen wie Matthäus 16,6; Markus 8,15; Lukas 12,1; 1. Korinther 5,6-8; Galater 5,9, welche doch deutlich genug sind. Umgekehrt ist doch das Mehl in gewissem Sinn und ebenso die Zahl drei ein Bild von etwas an sich Vollkommenem; wie kann da dieses Bild auf die sündige Menschheit angewendet werden? Unmöglich! Das Gleichnis will zeigen, wie sogar die von Gott verkündigte Wahrheit verdorben worden ist, sobald sie der Verantwortlichkeit des Menschen anvertraut war, und wir wissen ja aus den sieben Sendschreiben (Off 2 und 3) und aus der Kirchengeschichte gut genug, in welchem Maße und wie bald dies wahr geworden ist.
Darum ist hier eine Frau die handelnde Person; die Frau ist stets das Symbol der Gemeinde Gottes im Gegensatz zum Mann als Bild des Herrn Jesus Christus. Heute ist ja allerdings die Kirche die handelnde Person, aber das Königreich wird ja nicht mit der Frau verglichen, sondern mit der Gesamttatsache. Das Königreich ist ein viel umfassenderer Begriff als Versammlung.