Was ist in 2. Timotheus 4,8 mit "Erscheinung" gemeint?

Ist mit dem Ausdruck: "seine Erscheinung lieben" (2. Tim 4,8) das Erscheinen in Macht und Herrlichkeit gemeint? Oder müssen wir an die Entrückung denken?

Aus einem Vergleich mit 1. Thessalonicher 4,14 und Titus 2,13 mit 1. Thessalonicher 2,19ergibt sich, dass beides zutrifft. Die Schwierigkeit kommt daher, weil man einen ungebührlichen und einseitigen Gebrauch mit den Wörtern macht. Kannst Du kommen, ohne zu erscheinen, kannst Du erscheinen ohne zu kommen? Nicht wahr, das geht nicht. Du kannst kommen, erscheinen und etwas Leuchtendes, Scheinendes an deinem Wesen haben, dann ist es ein Aufleuchten, ein Erscheinen im Sinne wie: "Erscheinung der Herrlichkeit unseres großen Gottes und Heilands Jesus Christus." (Tit 2,13) Des Rätsels Lösung ist, dass es nach der Heiligen Schrift im Grunde nur ein, nur das Wiederkommen des Herrn gibt - wenn auch in verschiedenen Etappen. Das Alte Testament verhieß ein Kommen mit gleichzeitiger Ankündigung von Leiden und darauf folgenden Herrlichkeiten. Als Er gekommen war und gelitten hatte, ergab es sich, dass die Herrlichkeiten hinausgeschoben werden mussten. Christus trat für eine Zeitlang vom Schauplatz ab, um später als der Auferstandene und Verherrlichte wieder sichtbar zu werden. Wir finden in den Evangelien und in der Apostelgeschichte nichts anderes, wenn auch das Gleichnis von den zehn Jungfrauen in Matthäus 25 und das Versprechen des Herrn in Johannes 14, wiederzukommen, um die Jünger in das Haus des Vaters zu führen, etwas besonderes an diesem allgemeinen Wiederkommen sind. Allerdings konnte dies erst verstanden werden, nachdem Paulus die Enthüllungen über Gottes Ratschluss betreffend der Versammlung und deren Entrückung erhalten und mitgeteilt hatte. Diese Enthüllung ändert aber gar nichts daran, dass die allgemeine Tatsache besteht: "Der Herr kommt wieder!" Die diesbezüglichen Bezeichnungen reden von verschiedenen Gesichtspunkten. Das mit "Ankunft" übersetzte Wort meint einfach das Wiederdasein nach langer Abwesenheit; um wieder da zu sein, muss man natürlich auch ankommen. "Erscheinung" meint einfach das Sich-wieder-zeigen, nachdem man nicht mehr gesehen wurde; Macht und Majestät tritt hinzu (Verklärung auf dem Berge; Ps 110). Der Kontext erläutert es durchweg. Man bleibe vor allem in den Briefen einfältig und trage nicht Unterschiede hinein, wo die inspirierten Schreiber keine machen. Paulus empfing die Offenbarung, dass das Wiederkommen, die Ankunft, die Erscheinung des Herrn ein Vorspiel haben würde: Sein Herniederkommen in die Luft, um die Entschlafenen und lebenden Heiligen (die Ekklesia) zu sich zu bringen, um dann in Herrlichkeit mit ihnen zu erscheinen. Er spricht im 1. Thessalonicherbrief das als eine Zwischenerläuterung aus, um klar zu machen, wieso der Herr Jesus bei Seinem Wiederkommen, Seinem Wiedererscheinen die durch Ihn Entschlafenen mit Ihm bringen könne in Herrlichkeit (1. Thes 4,14).

1. Thessalonicher 5,1 schließt sich unmittelbar an das in 1. Thessanlonicher 4,14 Gesagte an. Nimm darum das Wort "Ankunft" (1. Thes 2,19; 3,13; 2. Thes 2,1) im allgemeinen Sinne und lege nicht etwas hinein, was nicht darin ist. In der letztgenannten Stelle ist ja unser "Versammeltwerden zu ihm hin" als ein besonderer Teil Seiner Ankunft neben dem letzteren Ausdruck genannt. Und sieben Verse weiter in "Erscheinung Seiner Ankunft" (2. Thes 2, 8) wird genau ausgesprochen, was wir ausführten: Du musst gekommen sein, wenn du erscheinst. Es ist eben üblich geworden, mit dem Ausdruck "Kommen des Herrn" an die Entrückung allein zu denken, unter Ausschaltung des weiteren Gedankenkreises, der dazu gehört. Das ist die Ursache der Verlegenheit, in die uns diese Einseitigkeit bringt. In 1. Korinther 15 nennt Paulus das Vorspiel sogar ein Geheimnis, womit er sinngemäß sagen will: "Es geht nur die Eingeweihten an; im übrigen und für die Übrigen bleibt es ganz allgemein dabei: Jesus kommt wieder; Er erscheint wieder!"


Beantwortet von: Adolf Küpfer
Quelle: A. Küpfer - 700 Fragen und Antworten, Frage Nr. 88