Was ist ein sektiererischer Mensch?

Was ist ein sektiererischer Mensch? (Tit. 3,10.)

Antwort A

Bei einem sektiererischen Menschen handelt es sich nicht immer um böse Lehren. Ein solcher mag durchaus die fundamentalen Wahrheiten behaupten. Oft werden nur gewisse Wahrheiten der Schrift aus ihrem Rahmen und Ganzem herausgenommen und oft auch nur Ansichten und Meinungen so einseitig zum Sammelpunkt gemacht, dass dadurch Parteiungen in Gottes Gemeinde hineingetragen werden.

Es handelt sich bei einem sektiererischen Menschen im allgemeinen weniger um die Frage der Lehre als vielmehr um den Geist und die Gesinnung, die in einem solchen wirkt.

Die Dinge, die die Schrift uns zeigt, woran wir einen sektiererischen Menschen erkennen können, werden uns in Vers 9 genannt: „Streitfragen”, „Zänkereien”, „unnütze” und „eitle” Dinge. Jedes einzelne dieser Worte ist kennzeichnend und voller Bedeutung.

Ein sektiererischer Mensch (ob gläubig oder ungläubig) ist ein widerspenstiger, starrsinniger, eigenwilliger Mann. Dies wird daran gesehen, dass er eine „Zurechtweisung” nicht annimmt. Er sucht nicht, was zum Frieden dient, sondern er trägt seine Sache in die Gemeinde, um andere für seine Ansichten und Sondermeinungen zu gewinnen und bringt Unruhe, Zwietracht, Betrübnis und Sorgen in die Gemeinde.

Er ist ein „verkehrter” Mann, weil er seinen eigenen Weg geht und als solcher draußen und unabhängig von der Gemeinde steht. -
Er „sündigt” durch sein eigenwilliges Verhalten und seine Streitsucht; und weiter sagt die Schrift, dass er „durch sich selbst verurteilt” ist. Sein Weg und sein Tun verurteilt ihn selbst, kein anderer braucht dies mehr zu tun. Sein Eigenwille und sein unruhiger Geist zeigen das Niveau seines geistlichen Standes an.
Paulus spricht von solchen in Phil. 1,17, dass sie aus Streitsucht Christus verkündigen, und ermahnt uns, nichts aus Streitsucht zu tun (Phil. 3,2).

Paulus ermahnt Titus, sich mit einem sektiererischen Menschen nicht zu befassen, wenn derselbe ein- oder zweimal zurechtgewiesen ist, ihn abzuweisen, da ein solcher durch seinen Weg beweist, dass er „verkehrt” ist. Paulus sah solche Männer schon prophetisch aufstehen, verkehrte Männer, „die verkehrte Dinge reden”, um die Jünger anzuziehen hinter sich her. Solchen verkehrten Männern gegenüber konnte Paulus die Gläubigen nur „Gott und dem Worte Seiner Gnaden anbefehlen”.
v. d. K.

Antwort B

Ein sektiererischer Mensch braucht durchaus kein Angehöriger und Vertreter einer der „verderblichen Sekten” (2. Petr. 2,1ff.) zu sein, ja, er ist es nach diesem Zusammenhange kaum. Denn mit einem solchen war nach 2. Joh. u. a. doch wohl noch viel ernster zu verfahren als nur mit Abweisung oder Ablehnung (vgl. Paulus in Gal. 1). Natürlich kann ein sektiererischer Mensch, nachdem er - etwa von einer Ortsgemeinde - abgelehnt ist, sich sehr wohl als Irrlehrer entpuppen, aber es muss nicht so sein! Vielmehr, glaube ich, sind hier die Art Menschen, Scheingläubige oder auch wirkliche, aber ungeistliche, ungehorsame Gläubige gemeint, die mit sehr treffendem deutschem Wort: „Quertreiber” oder „Querköpfe” genannt zu werden verdienen, und solche gab es schon zu Pauli Zeiten, und sie sind heute noch nicht ausgestorben, sondern betreiben in manchen Gemeinden ihre oft sehr lichtscheue, d. h. im Geheimen wirkende Tätigkeit mit solchem Erfolge, dass ganze Kreise durch ihre Sünden (Paulus sagt „er sündigt”! V. 11) vergiftet werden, indem Bitterkeitswurzeln wachsen und üppig gedeihen, wenn die besonneneren älteren Brüder nicht wachen und beizeiten solchen Quertreibern oder Widersprechenden (1,9!), die sich nie belehren lassen wollen, sondern alles besser wissen, den Mund stopfen. (1,11.)
Ein Hauptkennzeichen dieser Leute, das dem Paulus das Recht gibt, sie „sektiererisch” zu nennen, ist das, dass sie mehr oder weniger verhüllt darauf aus sind, sich Anhänger zu verschaffen, bei denen sie ihre verkehrten Grundsätze, wo nicht gar bösen Lehren oder auch bösen Wege, rechtfertigen und Proselyten dafür gewinnen können (Apg. 20,29.30). Dieses Kennzeichen wird sich immer wieder offenbaren, und damit sprechen diese Menschen sich selbst das Urteil. Diese eine Tatsache schon - außer anderen Dingen - macht sie immer wieder offenbar, und wer sich ihnen anschließt, fällt unter gleiches Urteil.

Paulus, der inspirierte Apostel, gibt hier dem Titus, der innerhalb der aus schwierigen Charakteren bestehenden kretischen Gemeinde (vgl. 1,11-14!) eine ernste Aufgabe hatte, klare Unterweisung, wie er sich gegenüber solchen Leuten verhalten sollte. Heute besteht die Gemeinde nicht mehr in ihrer Vollkraft, alles ist ja in Verfall geraten; Älteste können nicht mehr angestellt werden, denn wo ist ein Titus, der vom Apostel diesen Auftrag bekommen hätte? (Vgl. 1,5.) Aber der HERR wird in jeder im Lichte des Wortes vom Anfang sich bildenden Ortsgemeinde solche haben, die für die Ordnungen der Gemeinde im Sinne auch des Titusbriefes (vgl. den Aufsatz im vorigen Heft über denselben) ein wachsames Auge haben (vgl. 1. Thess. 5,12-14!), und wenn sektiererische Menschen sich von diesen nicht zurechtweisen lassen, so fallen sie unter das Urteil von 3,10. Wenn sie sich nicht zurechtweisen lassen! Ach, möchten solche, die es auch nur in den allerersten Anfängen angeht, falls sie dieses lesen, sich doch zurechtweisen lassen, und möchten die, welche diesen so schweren, oft verkannten Dienst zu tun haben, ihn doch nur tun in voller Abhängigkeit vom HERRN, damit nicht in irgendeiner noch so feinen, unbeabsichtigten Weise das Fleisch triumphiere, sondern nur der Geist Christi! Aber wenn sich der Quertreiber nicht nach ein- bis zweimaliger Zurechtweisung in seinem Verhalten ändert, wenn er sich von dem Geist, der in der Gemeinde des HERRN wohnt und wirkt (1. Kor. 3,16), nicht zurechthelfen läßt, so steht er unter einer gewissen Zucht, und nur tiefe, nachhaltige Buße kann ihn wieder zurechtbringen. Wie ernst sollten uns Gläubigen alle Formen der Zucht und Gemeindezucht sein, wie sollten wir wachen, dass kein fremder Geist der Gemeinde, dem Tempel Gottes, schadet! (1. Kor. 3,17.)
Der HERR gebe uns Gnade, zu wachen und besonnen zu sein!
F. K.


Beantwortet von: Team Handreichungen
Quelle: Handreichungen - Band 10 (1925)