Was ist die „Handschrift in Satzungen

Was ist die „Handschrift in Satzungen“ in Kol. 2,14?

Antwort A

Eine „Handschrift” ist eine Niederschrift, in der irgend etwas festgelegt oder bestimmt wird. Im vorliegenden Falle besteht diese Niederschrift in „Satzungen”. Das Wort „Satzungen” bedeutet die Festsetzung gewisser Bestimmungen und Vorschriften. So werden durch die Worte „Handschrift in Satzungen” unsere Gedanken unwillkürlich auf das Gesetz hingelenkt, das Gott durch Mose dem Volke Israel gab. In diesem Gedanken werden wir durch das Wort Gottes selbst bestärkt, denn das Gesetz ist die „Handschrift” Gottes (persönlich: 2. Mose 31,18; 5. Mose 9,10; und durch Seinen Diener Moses: 2. Mose 24,4.12 u. a.) und wird oft als „Satzungen” bezeichnet (3. Mose 18,4.5.26; 19,37; 20,8 u. a.). Auch stimmt dieses ganz mit unserer Schriftstelle überein, denn das Gesetz legt dem Menschen Verpflichtungen auf, die er infolge seines sündigen Zustandes nicht zu erfüllen vermochte und vermag, so dass er dadurch zum Schuldner Gott gegenüber wurde und unter das Urteil des Gesetzes kam, das ihn für schuldig erklärt. Dadurch wurde das Gesetz zu der „uns entgegenstehenden Handschrift in Satzungen, die wider uns war” (Elberfelder), oder wie Luther übersetzt: „... die Handschrift, so wider uns war, welche durch Satzungen entstand und uns entgegen war”, oder Wiese: „... die wider uns lautende Schuldschrift ..., die durch ihre Satzungen uns feindlich gegenüberstand.” Durch Seine Dahingabe am Kreuze hat Christus den Ansprüchen des Gesetzes - dieser „Handschrift in Satzungen” - göttlich vollkommen genügt, und da Sein Tod am Kreuze vor Gott unser Tod dem Fleische nach, das „Ausziehen des Leibes des Fleisches”, die wahre „Beschneidung” ist (V. 11) und wir mit Ihm begraben und mit Ihm auferweckt sind, kann das Gesetz keine Ansprüche mehr an uns stellen und uns nicht mehr schuldig sprechen: „Die uns entgegenstehende Handschrift in Satzungen, die wider uns war”, ist für uns „ausgetilgt” und „auch aus der Mitte weggenommen, indem er sie an das Kreuz nagelte”: sie ist nicht mehr zwischen Gott und uns, uns anklagend, sondern kann nur noch dort gesehen werden, wo die Bezahlung der Schuld geschehen ist, am Kreuze, und zwar an dasselbe „genagelt” als Bestätigung dafür, dass die Schuld völlig bezahlt und die „Handschrift” erledigt ist.

Diese Auffassung, dass unter der „Handschrift in Satzungen” das Gesetz zu verstehen ist, finden wir in Eph. 2,15 unterstützt. Dort lesen wir, dass Christus „in Seinem Fleische ... das Gesetz. der Gebote in Satzungen hinweggetan” hat (am Kreuze, V. 16). Dass es hier „das Gesetz der Gebote (in Satzungen)” heißt, während statt dessen in Kol. 2,14die uns entgegenstehende-Handschrift (in Satzungen)” gesagt ist, liegt in der Verschiedenheit der Beziehungen, in welchen von dem Gegenstand - dem Charakter des Briefes gemäß - gesprochen wird: In Epheser handelt es sich um den „Leib Christi”, der Seine „Fülle” ist und aus Juden und Heiden besteht. Diese waren zuvor voneinander geschieden durch eine „Zwischenwand der Umzäunung”, nämlich „das Gesetz der Gebote in Satzungen”, welches Israel von allen anderen Völkern trennte, aber im Tode Christi am Kreuze hinweggetan wurde. Es heißt also hier „Gesetz der Gebote (in Satzungen)”, weil das Gesetz hier als „Zwischenwand der Umzäunung” betrachtet ist, welche Juden und Heiden voneinander schied. In Kolosser dagegen handelt es sich um das Festhalten des verherrlichten Hauptes (2,19) inmitten einer auf das Fleisch einwirkenden und dadurch vom Haupte abziehenden Welt, der gegenüber wir aber durch den Tod Christi Gestorbene sind (2,11.20; 3,3) und in der wir nun als mit Christo Auferweckte leben. Das ist nicht nur Befreiung von der Welt als solcher, sondern auch zugleich von dem Gesetz, das dem mit dieser Welt verbundenen Menschen im Fleische gegeben ist und durch seine Forderungen und Strafandrohungen ihm entgegensteht und zu einem Schuldbrief wird, wie wir in obiger Betrachtung bereits gesehen haben. Darum wird hier das Gesetz „die uns entgegenstehende Handschrift (in Satzungen)” genannt.
Unsere Auffassung ist also die, dass mit „Handschrift in Satzungen” in Kol. 2,14 das mosaische Gesetz gemeint ist.
Th. K.

Antwort des Schriftleiters

Ich glaube, dass der Verfasser obiger Antwort mit seinen Ausführungen ganz im Recht ist! Meine Überzeugung von dieser Stelle, und zwar eine Überzeugung seit vielen Jahren, deckt sich im wesentlichen durchaus mit der vorstehenden. Ich glaube dies betonen zu sollen angesichts besonders einer neueren Auslegung, auf die in den „Handreichungen” einzugehen ich nicht für motiviert halte, so interessant jene, die ein wenig von sich reden macht, auch ist. Es kann ja jeder Schriftforscher, „seiner Meinung gewiß”, vertreten, was er vor dem HERRN glaubt vertreten zu sollen, und wer von unseren Lesern jener anderen Darlegung, falls sie ihm bekannt, nach genauer Prüfung mehr Gewicht beigelegt als der hier betonten, der steht damit ja auch allein vor dem HERRN und ist nur Ihm verantwortlich, aber ich fühle mich doch gebunden, darauf hinzuweisen, dass die oben entwickelte Auslegung nicht nur das bisher ziemlich allgemein anerkannte Zeugnis des Volkes Gottes, der Gemeinde für sich hat, sondern was ungleich wichtiger ist, sich sonnenklar aus der Schrift erklärt, wie obige Antwort beweist. Dies scheint mir aber bei jener neueren Erklärung, wenn ich sie recht verstehe, nicht so klar zu sein!

Auch wenn man das Wort für „Handschrift” lieber mit „Schuldbrief” oder „Schuldschein” überträgt, so wäre diese ebenso gute Übersetzung dem Rahmen der Schrift durchaus angepaßt. Denn im Grunde genommen ist ja nicht das Gesetz selber schon an sich eine Anklageschrift, sondern wird's erst durch unsere Übertretung der Satzungen (Gal. 2,19a; Röm. 4,15; Röm. 7,7-11), und die Anklage unserer Übertretung bringt uns den „Schuldschein” ein. Diese unsere Satzungsübertretung aber ist unserer Natur gemäß eine unabänderliche Tatsache, wie wir alle wissen, und darum stehen wir alle unter den Forderungen des „Schuldscheins, der wider uns ist”.
Dieser nun ist durch Christi Kreuzestod und in Seiner Person ans Kreuz „genagelt”, d. h. schon durch diese Annagelung unwirksam gemacht (sicherlich steht absichtlich dieses Bild vor uns, das Bild eines durch Nagelung unbrauchbar gemachten Papiers, das ohne Wirkung und ungültig ist, da durch die Nägel zerstört). Und diese Ungültigmachung eines uns zuzeiten seiner Gültigkeit unter das Gericht bringenden Schuldbriefes ist so offenkundig geschehen - in Christi Tod auf Golgatha -, dass keine nachträgliche Forderung uns mehr in Schrecken setzen könnte, wir sind (V. 13) mitlebendig gemacht, und alle Vergehungen sind uns vergeben, nichts steht zwischen Gott und uns: „Die Handschrift ist zerrissen, die Zahlung ist vollbracht, Er hat mich's lassen wissen, dass Er mich frei gemacht ... Die Nägel Seiner Wunden zerrissen meinen Brief, der alle Tag' und Stunden an Schulden höher lief. Sein völlig ausgeströmtes Blut, Sein heiliges Tun und Leiden macht meine Rechnung gut” usw., singt der fromme Liederdichter Woltersdorf.

Es ist nicht am Platze, noch weiter auf die Stelle einzugehen, zumal auf den nächsten (ja nicht mit zur Frage gestellten) Vers sowie seine innere Beziehung zu V. 14, aber möchten wir alle uns mehr Dessen rühmen, der eine so völlige Erlösung geschaffen hat, wie sie mit V. 14 und 15 vor unseren Augen enthüllt ist, und möchten wir mit unserem ganzen Sein mehr Ihm leben, der uns so völlig befreit hat von allem, was uns mit dem „Recht des Gesetzes” (Röm. 8,4) entgegenstand, indem Er mit Seinem Tode uns - vom Tode und „von dem, der die Macht des Todes hatte, dem Teufel” (vgl. Hebr. 2,14 mit Kol. 2,15!) und vom Gericht erlöste!
Ihm sei Ehre und Preis jetzt und allewege!
F. K.


Beantwortet von: Team Handreichungen
Quelle: Handreichungen - Band 13 (1928)