Antwort A
In der in Frage stehenden Schriftstelle wird von einem großen Hause gesprochen. Paulus will seinem Timotheus zeigen, wie das Christus-Bekenntnis gleich einem großen Hause geworden ist, in dem es Gefäße zur Ehre und Unehre gibt.
In Mt. 16,16.17 sagt der HERR dem Petrus auf das Bekenntnis: „Du bist Christus, des lebendigen Gottes Sohn”: „Fleisch und Blut haben es dir nicht geoffenbart, sondern Mein Vater, der in den Himmeln ist”, und dann fügt Er diesem eine neue Offenbarung hinzu, nämlich, dass Er darauf Seine Gemeinde bauen wolle. Christus, des lebendigen Gottes Sohn, ist die Grundlage dieses Baues. Er Selbst ist sowohl die Grundlage, wie Er auch Selbst der Bauausführer ist.
Aber dann finden wir auch einen anderen Bau. Auch dieser wird aufgerichtet auf dem Grunde, der Christus ist, aber Menschen sind die Bauenden. Paulus sagt, dass Er und andere auf dem Grunde bauen (1. Kor. 3,10-15). Dieser Bau, an dem Menschen als Mitarbeiter bauen, steht unter der Verantwortlichkeit des Menschen, da sie auf dieser Grundlage, die Christus ist, gut oder schlecht bauen können. Das, was aus dem Bau (auf der Grundlage Christus) unter der Hand des Menschen geworden ist, sehen wir in der Gesamtheit der Christenheit, und der Einzelne (mag er wollen oder nicht) bildet äußerlich einen Teil derselben. Aber der in Treue wandelnde und handelnde Christ wird sich absondern - wegreinigen von solchen Gefäßen in dem großen Hause, welche nicht zu Ehre des Hausherrn des Hauses sind. Er hält sich fern von allen denen, die im Gegensatz zur Ehre des HERRN stehen. „Jeder, der den Namen des HERRN nennt, stehe ab von der Ungerechtigkeit”.
So sehen wir einerseits den vollkommenen Bau, den die Hand des HERRN baut, in dem nur lebendige Steine gefunden werden (1. Petr. 2), und anderseits den Bau (auch auf der Grundlage: Christus), der aus Menschenhand hervorgegangen ist und der gleich einem großen Hause geworden ist, welches allerlei Gefäße in sich beherbergt, sowohl zur Ehre wie zur Unehre, aber in welchem sich die Treuen von den Gefäßen zur Unehre fernhalten.
Halten wir daran fest, dass die Scheidung von jeglicher Art des Bösen der unwandelbare Grundsatz Gottes ist, dann gibt es für den Gläubigen nur eine Richtschnur, die lautet: „Du aber, Mensch Gottes, fliehe diese Dinge” usw., 1. Tim. 6,11, und „strebe aber nach Gerechtigkeit, Glauben, Liebe, Frieden mit denen, die den HERRN anrufen aus reinem Herzen”. 2. Tim. 2,22.
Ph. W. (z. Zt. beim Militär).
Antwort B
Bei der Beantwortung der Frage nach dem großen Hause ist zunächst zu versuchen, aus dem Zusammenhange dieser Stelle genügendes Licht zu erlangen. Ist das nicht möglich, so ist nach ähnlichen Ausdrücken im N. Test. zu suchen.
Es gilt zu beachten, dass der Apostel sich der bildlichen Rede bedient und dass er einen Vergleich zieht.
Ein großes Haus, irgend ein großes Haus, jedes beliebige große Haus (nicht das große Haus, d. i. ein bestimmtes Haus) wird zum Vergleich herangezogen. Das Haus ist nicht der Hauptbegriff, um den es sich in dem Zusammenhang handelt, sondern die in jedem großen Hause vorhandene Verschiedenheit der Gefäße zieht der Apostel zum Vergleich bestimmter Verhältnisse heran, die ihm zu einer ernsten Ermahnung Anlass geben.
Es ist also gar nicht zu fragen: was ist das große Haus, sondern: welche Zustände geben dem Apostel Veranlassung, vergleichsweise auf die in einem, d. i. jedem beliebigen großen Hause vorhandene Verschiedenheit von allerlei Gefäßen aufmerksam zu machen.
Der Vergleichungspunkt ist das Vorhandensein verschiedener Gefäße zu ehrenhaftem und unehrenhaftem Gebrauch in einem Hause und Haushalte und die aus der Verschiedenheit ihrer Verwendung sich ergebende Auseinanderhaltung und Trennung der Gefäße.
Nach dem ganzen Zusammenhang - darauf zu achten ist immer das Erste und Wichtigste, wenn es sich um die Erklärung eines schwierigen Gedankens oder eines dunkeln Ausdrucks handelt - denkt der Apostel dabei an Leute wie Hymenäus und Philetus (V. 17), die von der Wahrheit abgeirrt sind; er denkt an die ungöttlichen Geschwätze (V. 16) und Wortstreitigkeiten (V. 14) solcher Irrlehrer, die dem Hausherrn keine nützlichen Gefäße sind, und an die Pflicht der Gläubigen, sich von der Ungerechtigkeit zu trennen durch gründliche Selbstreinigung.
Die Worte „von diesen” (V. 21) können als hinweisendes männliches Fürwort gefaßt werden: „von solchen Leuten”, oder aber sächlich: „von solchen Dingen”. Wäre letztere Auffassung richtig, so könnten jene Erklärer recht haben, die „von diesen” nicht auf die Gefäße zur Unehre beziehen, sondern allgemein auf die vorher geschilderten bösen Dinge, so dass jedes Gefäß, ob von Gold, Silber, Holz oder Ton durch gründliche Reinigung zu einem brauchbaren Gefäß werden kann.
Aber auch wenn man einfach „von diesen” auf die (zuletzt genannten) Gefäße zur Unehre (V. 20) bezieht und in diesen die geschilderten Irrlehrer versteht, bleibt der Sinn derselbe: Die Forderung der Absonderung von solchen Leuten und der gründlichen Reinigung von solchen bösen Dingen. Als sauberes Gefäß halte dich fern von dem unsauberen, damit du nicht verunreinigt und dadurch unbrauchbar wirst.
In keinem Falle nötigt der Zusammenhang in diesem Abschnitt, nach Aussagen über die Bildung einer Christenheit oder die Umbildung der Gemeinde zu einem großen Kirchenkörper zu suchen. Wenn der Apostel derartiges voraussah, so lag es nicht in seiner Absicht, in diesem Zusammenhang darüber eine Belehrung zu geben. Er redet hier überhaupt nicht von der Zukunft. Und eine Christenheit oder ein großes Kirchengebilde, das als „großes Haus” im Gegensatz zum „Hause Gottes” (1. Tim. 3,15) steht, war damals noch nicht vorhanden, konnte auch wohl in der sehr kurzen Zeit zwischen der Abfassung beider Briefe nicht entstehen. Das Vorhandensein etlicher oder auch zahlreicher Irrlehrer lässt noch nicht auf eine Umwandlung in den Gemeindeverhältnissen schließen. Denn Irrlehrer gab es schon viel früher, wie aus den anderen Briefen zu entnehmen ist.
Über die Frage, ob diese Irrlehrer wirklich zu der Gemeinde der Auserwählten gehören, darauf wird in diesem Zusammenhang keine Antwort gegeben. Ob und inwieweit das möglich ist, muss aus anderen Stellen ersehen werden. Hier im 2. Tim.-Brief wird einfach die Tatsache festgestellt: sie sind da, es gibt verschiedene Gefäße, und wer ein dem Hausherrn brauchbares Gefäß sein will, der muss sich selbst „ausreinigen”, d. i. gründlich reinigen (dieses Zeitwort findet sich nur noch 1. Kor. 5,7).
J. W.
Anmerkung der Schriftleitung
Im ersten Briefe wird Timotheus unterwiesen, wie er sich verhalten soll im Hause Gottes, welches die Gemeinde des lebendigen Gottes ist. Der zweite Brief enthält Belehrungen, nicht über das Verhalten in der Gemeinde Gottes, sondern über das persönliche Verhalten der Treuen in den „schweren Zeiten”, den Zeiten, wenn die Wahrheit aufgegeben wird - der Grund Gottes noch behauptet wird, aber nicht mehr das Siegel -, wenn die Form noch behalten, aber die Kraft verleugnet wird.
Alle, welche zu dem „festen Grunde Gottes” (1. Kor. 3,11) stehen, empfangen einerseits die tröstliche Zusage, dass der HERR die Seinigen kennt, und anderseits werden sie aufgefordert, abzustehen von der Ungerechtigkeit, wenn sie den Namen des HERRN in Wahrheit bekennen.
Wer Jesus „HErr” nannte und Ihn damit als seinen „Herrn” anerkannte, sollte die Echtheit seines Bekenntnisses beweisen in dem Abstehen von der Ungerechtigkeit.
Der Zustand in der Mitte derer, die behaupteten, auf dem Grunde Gottes zu stehen und den Namen des HERRN bekannten, war nicht mehr normal. Es mangelte an der praktischen Durchführung jener Seite des Siegels, die das Abstehen von der Ungerechtigkeit forderte. Unlautere Elemente mit falschen Lehren hatten sich schon nebeneingeschlichen, so dass echte und unechte Bekenner beisammen waren. Hierauf, glauben wir, wendet der Apostel das Bild des „großen Hauses” an.
Das große Haus wird nicht das „Haus Gottes” genannt, wie es „die Gemeinde” wird (1. Tim. 3,15). Nie wird „die Gemeinde des lebendigen Gottes” mit einem „großen Hause” verglichen.
Bei dem Bilde des „großen Hauses”, glauben wir dem Zusammenhang nach, stand vor dem Auge des Apostels die Gesamtheit der Christusbekenner - alle die, welche zum „Grunde Gottes” Stellung genommen und den Namen des HERRN als ihres „Herrn” nannten. Mit dem Bekenntnis ist Verantwortlichkeit verbunden, und zwar Ihm gegenüber als dem „Hausherr”; ein Titel, der einzig in Verbindung mit dem Bilde des „ großen Hauses” und nur in dieser Stelle auf den HERRN angewandt wird.
Denen, die dem „Hausherrn” geheiligt und brauchbar sein wollen, wird nicht gesagt, sich von dem „großen Hause” zu reinigen, sondern von den Gefäßen zurUnehre - von Personen, die nicht von der Ungerechtigkeit abstehen und die dem Namen des HERRN eine Unehre sind. (Sich vom „großen Hause” reinigen wollen hieße soviel, als sich vom Bekenntnis Christi wegwenden wollen.)
Das hier für „reinigen” gebrauchte Wort kommt nur noch in 1. Kor. 5,7 vor. In beiden Stellen wird es auf Böses angewendet („Sauerteig” und „Gefäße der Unehre”) und bedeutet „ausfegen” - „wegreinigen”.
*
Wenn auch in den vorstehenden Antworten in der Auffassung einzelner Ausdrücke Verschiedenheit gefunden wird, so herrscht doch in der praktischen Anwendung Übereinstimmung. Mögen die Meinungsäußerungen über diese Schriftstelle jedem Leser Veranlassung geben zu eigenem tieferen Forschen!