Was heißt „im Namen Jesu beten“?

Was heißt „im Namen Jesu beten“? (Siehe z.B. Joh. 15,16.)

Antwort A

... Von allem, was ich bisher erwähnt habe, ist dieses wohl das Wichtigste. Denn dies allein ist das Kennzeichen des Gebetes eines Christen. Männer, die an Gott glaubten, sind zu allen Zeiten Männer des Gebets gewesen. Aber bis zu dieser Zeit hatte niemand im Namen Christi gebetet. Jetzt müssen wir in dem Namen Dessen, der für uns starb, auferstand und in den Himmel hinaufstieg, beten. In Joh. 14 hören wir zuerst vom Gebet im Namen Christi (V. 13), aber vor Schluß dieser letzten großen Rede hat unser HERR nicht weniger als sechs- oder siebenmal davon gesprochen. Was bedeutet es denn nun, in Christi Namen zu beten? Es heißt: Beten gemäß Seiner Gesinnung und nach Seinem Wunsch; es heißt: um die Dinge flehen, von denen Er will, dass wir sie empfangen. Es bedeutet das Bekenntnis, dass getrennt von Christus als Mittler ich keine Erwartung habe, dass meine Bitten gewährt werden. Unsere Anliegen und unsere Bitten sind gleich ebensovielen Nullen. Christi Name ist die Ziffer, die vor diese gesetzt werden muss und dann den Wert der ganzen Zahl angibt. Wir zeigen gewissermaßen unseren Scheck an der himmlischen Bank vor, und er wird anerkannt um Christi willen. Nach biblischem Sprachgebrauche steht der Name für Natur oder Eigenschaften (Charakter). In Christi Namen bitten heißt, für solche Sachen beten, die übereinstimmen mit Seiner heiligen Natur und Seinen vollkommenen Eigenschaften. Ein einfaches Gleichnis mag die Sache verständlicher machen. Angenommen, in einer Stadt lebte ein Mann, der als ein entschiedener Gegner starker Getränke bekannt ist. Alkoholische Getränke will er nicht anrühren, kosten, noch sonst irgend etwas mit ihnen zu tun haben. Einer seiner Dienstboten ginge nun zu dem Kaufmann und verlangte im Namen seinem Herrn vier Liter Schnaps. Aber der Kaufmann würde einen solchen Auftrag nicht ausführen, ohne erst ganz genaue Erkundigungen angestellt zu haben. Die verlangte Sache steht in völligem Widerspruche mit dem Charakter des Mannes, in dessen Namen sie verlangt wurde.

So ist es zweifellos mit vielen unserer Gebete. Die Anliegen werden nicht gewährt, weil sie nicht von den Eigenschaften des heiligen Namens sind, den wir ihnen beifügen. Um eine Sache, die wir nur zu unserem eigenen Vergnügen haben wollen, können wir nicht in Christi Namen beten.

Die revidierte (englische) Übersetzung von Joh. 16,23 (wie die Fußnote in der Elberf. Bibel) gibt noch einen anderen Gesichtspunkt. Wir sehen auf Christus als die einzige Grundlage für unser Bitten; der Vater sieht auf Ihn als den einzigen Grund zum Geben. In ihrer Wertschätzung Christi sind Gott und der Gläubige einig, soweit der Endliche überhaupt mit dem Unendlichen übereinstimmen kann. Wir sagen unser Amen zu allem, was Er in bezug auf Christus sagt, und Gott gibt Sein Amen zu allem, was wir zum Preise unseres Erlösers sagen.
Aus dem Engl. übers. von O. v. Br.

Antwort B

Im Namen Jesu beten” besteht selbstverständlich nicht darin, dass man dies in Worten ausdrückt, sondern im Wesen der Sache selbst.
Wenn ich in jemandes Namen erscheine, so ist dieses gewissermaßen geradeso, als ob es die Person selbst wäre, in deren Namen ich erscheine. Der Wert des Namens wird eingeschätzt nach der Person, die ihn trägt. Deshalb kommt es auf den Wert dieser Person an, auf ihre Stellung, welche sie einnimmt, auf dass Ansehen und das Vertrauen, welches sie genießt, und unter Umständen auch auf die Rechte, welche sie besitzt. So ist es in der Welt, und genau so ist es auch mit unserem Erscheinen vor Gott im Namen Jesu. Der Wert Seiner Person, Seine Stellung, Seine Vortrefflichkeit und Herrlichkeit, Seine Wohlgefälligkeit und Seine Rechte, die gegründet sind auf Sein herrliches Erlösungswerk - alles spricht in voller Kraft für uns, und wir können im Glauben davon Gebrauch machen, wie es in Eph. 3,12 heißt: „In welchem (d. h. in Christo Jesu) wir die Freimütigkeit haben und den Zugang in Zuversicht durch den Glauben an Ihn.” Das erschöpft aber den begriff unseres Gegenstandes noch nicht, sondern ist nur die eine Seile davon. Die andere Seite ist die, dass der im Namen eines anderen Erscheinende nicht seine eigenen Gedanken und Wünsche vorbringt, sondern die Gedanken und Wünsche dessen, in dessen Namen er erscheint. Was er sagt, ist das, was der sagen würde, in dessen Namen er es sagt; es ist ebensogut, als ob dieser selbst da wäre und selbst es sagte. Geradeso ist es, wenn wir im Namen Jesu vor Gott erscheinen. Wir kommen dann nicht mit unseren Gedanken und Wünschen, sondern diese sind verschwunden und Seine Gedanken erfüllen uns und Sein Wille bestimmt uns. Gedanken und Wünsche sind in Seinem Lichte gesichtet und gerichtet durch die Wirksamkeit des Heiligen Geistes; wir sind in bewußter Abhängigkeit von Ihm und durch Sein Wort unterwiesen über Seine Gedanken und Seinen Willen, und Er Selbst ist es, welcher Herz und Sinn erfüllt und in welchem wir vor Gott sind. Darum ist auch Erhörung gewiß, wenn wir in Seinem Namen beten (s. Ps. 37,4; Mt. 18,19.20; Joh. 14,13.14; 15,7.16; 16,23). Wenn oder insoweit wir keine Erhörung finden, war unser Gebet eben nicht in Seinem Namen, sondern es war da irgend ein Mangel auf unserer Seite, denn „Gott ist treu”, was Er zusagt, hält Er gewiß!

Im Namen Jesu beten” heißt also erstens, dass wir uns im Glauben ganz und allein auf Seine Person stützen, und zweitens, dass wir in unserem Gebet uns ganz und allein durch Seine Gedanken und Seinen Willen leiten lassen.
Th. K.

Antwort C

Diese Frage zeigt uns den scharfen Gegensatz zwischen dem Wesen Gottes und Seines Wortes einerseits und der Welt und ihrer Sprache andererseits. Wie wenig vermag die Welt in einen Namen hineinzulegen! Es ist nichts als ein Schall - nur ein Name! Wie aber stellt die Schrift die Heiligkeit des Namens Gottes und die Herrlichkeit des Namens Christi in den Mittelpunkt! Hier gibt es nichts Höhres als Seinen Namen, in dem sich alle Knie beugen werden (Phil. 2,10), nichts Größeres für uns, als dass wir an Seinem Namen halten und Seinen Namen nicht verleugnen (Off. 2,13; 3,8).
Der Name bedeutet zunächst eine Kennzeichnung und eine Unterscheidung (1. Mose 5,2; 2,20). Deshalb sind alle Namen, die Gott gibt oder anerkennt, eine Charakteristik, die das Wesentlichste des Genannten ins Licht stellen. Von den vielen, jedem Bibelleser bekannten Beispielen sei nur auf 1. Mose 11,9; 17,5 und vor allem auf die Namen Gottes und Seinem Sohnes hingewiesen. Die wunderbaren Tiefen der Namen Gottes entsprechen dem unendlichen Reichtum Seines Wesens und bedeuten die Offenbarung Seiner unveränderten Treue (2. Mose 3,14; Ps. 23,3; 25,11; 124,8; Jer. 14,7).
Wie Sein Name ewig ist (2. Mose 3,15) und Seine Offenbarungen unverändert bleiben, so auch der Sohn Gottes, der „nicht Ja und Nein” war, sondern es war „Ja in Ihm”. Alle Gottesverheißungen sind Ja in Ihm (2. Kor. 1,19.20). Er ist gekommen im Namen, d. h. im Wesen, in Kraft und Auftrag Seinem Vaters (Joh. 5,43), und was Er tut, tut Er in diesem Namen (Joh. 10,25). Ja, Er hat den Namen, das Wesen Seines Vaters den Menschen geoffenbart (Joh. 17,6.26). Deshalb erhebt Ihn als den Sohn Sein Name über alle anderen Namen (Hebr. 1,4; Phil. 2,9).
Wenn nun Sein Name Sein vollkommenes Wesen bedeutet, so kann seine äußerliche Anwendung von keinerlei Nutzen sein. Hier scheidet sich der Geist aus Gott und der Geist der Welt (vergl. Mt. 24,5). Der Name Jesu kann in Wahrheit nur durch das Halten des Glaubens und des Wortes bewahrt werden (Off. 2,13; 3,8). Von hier aus fällt Licht auf die füreinander (d. h. wechselweise) eintretenden Verheißungen der Erhörung alles dessen, was wir im Namen Jesu und was wir im Glauben beten! (Mt. 21,22; Mk. 11,24; Joh. 14,13; 15,16; 16,23). Weil Sein Name Sein Wesen, ja Ihn Selbst bedeutet, kann Er nur im Glauben ergriffen und umfaßt werden (1. Joh. 3,23;. 5,13; Joh. 3,18). Der Name Jesu hat in der Kraft Seines Wesens, Seiner Person selbst Seine Gewalt.Deshalb beten wir nur dann mit Seiner Vollmacht, auch das heißt in Seinem Namen (vergl. Esther 2,22; 3,12), wenn wir im Leben und im Gebet mit Ihm Selbst, mit Seinem Wesen und Willen, mit Seiner Person so eins sind, dass wir in nichts im eigenen Namen kommen (Joh.5,43).
E. A.

Anmerkung des Herausgebers

Nur noch ein kleiner Hinweis: Wenn wir im Namen Jesu beten, so treten wir gewissermaßen an Jesu Stelle, und also wird alles, was wirklich im Vollsinne in Seinem Namen erbeten ist, geschehen. Man vergl. dazu Joh. 11,42a! Wie, wenn nun die Erhörung solcher im Sinne obiger Antworten wirklich im Namen Jesu geschehenen Gebete auf sich warten läßt, wenn die Erfüllung nicht gleich eintritt? Sollen wir dann mutlos werden und denken, es sei doch wohl kein rechtes Gebet in Jesu Namen gewesen? Gewiß nicht. Das zeigt uns ein Gebet des Herrn Jesus selbst, dessen Erfüllung wir auch noch nicht sehen: jenes am Kreuz: „Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun!” (Lk. 23,34.) Ist dieser Bitte Erfüllung schon in die Erscheinung getreten? Nein. Aber sie wird es gewiß an einem späteren Tage, wenn der HERR Sich Seines alten Bundesvolkes wieder annehmen wird, wie die Schrift uns zeigt an vielen Stellen, so z. B. Röm. 11,26.27 und Jes. 11,11-13. - So dürfen auch wir der Erhörung unserer Bitten in Seinem Namen gewiß sein! Man lese noch im Zusammenhang Joh. 16,23-28!


Beantwortet von: Team Handreichungen
Quelle: Handreichungen - Band 2 (1914)