Was bedeutet Johannes 20,22?

Was bedeutet Johannes 20,22?

Antwort A

Der HERR tritt nach Seiner Auferstehung in die Mitte Seiner Jünger und offenbart Sich ihnen als der Auferstandene. In einer ganz anderen und neuen Weise steht Er jetzt vor ihnen als vor Seinem Tode. Er hat Sein Werk auf der Erde vollbracht und bringt den Seinen den Frieden, den Er auf dem Kreuze für sie erworben hat (Vers 19 und 21). Sie, die Glaubenden, sind durch Sein Werk erlöst und gerechtfertigt, aber noch fehlt ihnen die Kraft, um in diesem neuen Verhältnis zu leben. Um ihr Verbundensein mit dem auferstandenen HERRN ganz zu verstehen und verwirklichen zu können, bringt Er sie in eine neue Lebensgemeinschaft mit Sich Selbst. Der HERR haucht sie an und spricht: „Empfanget Heiligen Geist”. Sie empfangen jetzt Seinen Geist, denn Er ist ein lebendig machender Geist, wie Paulus in 1. Kor. 15,45 von Ihm, dem letzten Adam, schreibt.

Beachten wir auch die Ähnlichkeit mit der Erschaffung des ersten Menschen im Paradies (1. Mose 2,7). Gott hauchte dem ersten Menschen den Odem des Lebens in seine Nase, und er wurde eine lebendige Seele. Hier haucht der HERR Seine Jünger an, und sie werden lebendige Geistesmenschen. Er steht in diesem Geschehen so recht vor uns als der Anfänger eines neuen Menschengeschlechts, das seine Abstammung von einem auferstandenen Christus ableitet und das erst durch Ihn, den lebendig machenden Geist, Leben erhalten hat. Seine Jünger konnten jetzt wahre Zeugen des von den Juden verworfenen, aber auferstandenen Christus sein. Wir sehen sie auch von da an als solche geistesgewaltigen Zeugen vor den Juden auftreten. Wenn wir die Bedeutung dieser Handlung des HERRN kurz zusammenfassend bezeichnen wollen, so möchten wir sagen: Der HERR offenbart Sich hier

1. als der Christus, der Sohn Gottes, der Sein Werk für die Seinen vollbracht hat und ihnen Frieden bringt;
2. als der zweite Mensch vom Himmel, der als der Auferstandene den Seinen neues Leben, ewiges Leben, gibt und dadurch als das Haupt eines neuen Menschengeschlechts Sich erweist, das Er aus dem Tode ins Leben führt.

Am Pfingsttage handelt es sich um das Ausgießen des Heiligen Geistes vom Himmel her, um die an Jesus Glaubenden mit Einem Geiste zu einem Leibe zu taufen. Von hier an baut der HERR Seine Gemeinde auf dieser Erde. In Joh. 20 gibt Er Seinen Jüngern Seinen Geist und verbindet sie mit Sich Selbst.
C. S.

Antwort B

Diese Stelle hat schon zu mancherlei Auslegungen Veranlassung gegeben. Dies ist darum möglich, weil man den Charakter dieses Evangeliums zu wenig erkannt hat und die einzelnen Stellen nicht im Rahmen des Ganzen zu verstehen gesucht hat. Die einen Ausleger meinten, in dieser Mitteilung seien apostolische Vorrechte und Autorität in Frage und dass mit dem Ableben der Apostel auch diese Autorität erloschen sei. Besonders bestimmte sie der nachfolgende Vers, welcher vom Vergeben und Behalten von Sünden spricht, zu dieser Annahme. Auch müßten die Wunder bis auf diesen Tag beibehalten worden sein, wenn diese Schriftstelle noch heute eine Gültigkeit habe, weil sie (die Wunder) die Vergebung der Sünden begleiteten. Die anderen Ausleger, die hierarchisch gerichteten, behaupten, dass sich diese apostolische Autorität auf eine besondere Klasse von Männern bis auf die heutige Zeit übertragen habe und sie dieses Amt mit aller göttlichen Vollmacht auszuführen berufen seien.

Wie köstlich ist es, sich zum Worte Gottes wenden zu dürfen, um Licht, Klarheit und Wahrheit zu empfangen! Dass diese Stelle nichts mit apostolischer Autorität zu tun hat, geht schon daraus hervor, dass bei dieser fünften und letzten Erscheinung am Auferstehungstag nicht nur die Apostel anwesend waren, sondern andere mit ihnen. Vgl. dazu Lk. 24,33-42. Es ist dieselbe Erscheinung wie in Joh. 20,19 bis 23. Und hier wird uns in Vers 33 ausdrücklich berichtet: „Und sie fanden die Elfe und dir mit ihnen waren versammelt”. Aber unsere Gegenbeweise sind damit nicht erschöpft.

Um ein klein wenig auf den Charakter des Evangeliums Johannes, wo diese fragliche Stelle allein gefunden wird, einzugehen, möchten wir nicht verfehlen zu erwähnen, dass das Wort „Apostel” im Evangelium Johannes überhaupt nicht vorkommt. Kap. 13,16, wo im Urtext, im Griechischen, „apostolos” vorkommt, trägt es keinen ausgesprochenen apostolischen, amtlichen Charakter, sondern ist allgemein gehalten. Dies wird auch der Grund sein, warum die besten Übersetzungen dieses Wort nicht mit „Apostel” wiedergeben. Wir dürfen in gläubiger Weise fragen: Warum ist es so? Wir können noch ein wenig weiter gehen und fragen: Warum wird nichts von der christlichen Taufe (wohl von der Taufe Johannes) und dem Abendmahl erwähnt? Ja, wir fragen weiter: Wie kommt es, dass in diesem Buche nicht mal von Buße noch von Vergebung (mit Ausnahme der in Frage kommenden Stelle) gesprochen wird? Ist dies alles zufällig, oder liegen hier nicht besondere Belehrungen für uns? Ja, wir haben hier das zu lernen, dass weder ein Amt: Apostel noch christliche Vorrechte wie Taufe und Abendmahl, noch Buße Leben zu geben vermag, sondern das dieses nur erlangt wird durch Glauben an den Sohn, an Ihn, der das Leben ist. Leben, Leben, Leben ist das Problem, welches dieses wunderbare Buch offenbart, behandelt und löst. Darum überall Glaube - Leben; Unglaube - Tod. Von apostolischer Macht zu reden ist falsch; von einer Übertragung dieser Macht auf eine gewisse Klasse von Männern ist antichristlich; von einer mit Wundern (Johannes gebraucht für Wunder stets „Zeichen”, mit Ausnahme 4,48)begleitenden Vergebung zu reden ist mindestens unbiblisch und kann nicht mit Schriftstellen belegt werden. (Näheres finden wir im Jahrbuch I,Frage 26.)

Als darum der Herr Jesus Seine Jünger versammelt fand, brachte Er ihnen nicht nur Frieden, sondern Auferstehungsleben. Und dieses Leben teilte Er mit in der Kraft des Heiligen Geistes. Es handelt sich hier um den Geist des Lebens, nicht um den Heiligen Geist als Person, wie Er uns in Apostelgeschichte 2 vorgestellt wird. Obwohl es nicht zu trennen ist, müssen wir es doch unterscheiden. Es ist nicht der gesandte Heilige Geist, der Gaben mitteilt, sondern der Leben gibt; nicht als Kraft, sondern als Geist des Lebens. (Vergl. Röm. 8,2.) Wir können unsere Segnungen nur durch den Heiligen Geist mitgeteilt bekommen, weil sie geistlichen Charakter haben (vergl. Eph. 1,3). Der Herr Jesus sagt doch ausdrücklich, dass es für die Jünger nützlich sei, dass Er weggehe, damit der Sachwalter zu ihnen kommen könne. Vgl. Ev. Joh. 7,39; 16,7; Apg. 2,33. Es kann sich hier darum nicht um den Geist als Person handeln, sondern als Geist des Lebens, weil Christus noch auf Erden war.
Christus als letzter Adam und zweiter Mensch ist in der Mitte der Jünger als lebendig machender Geist (1. Kor. 15,45-47) und vereinigt Seine Jünger mit Sich in der Stellung, die Er einnimmt als auferstandener Mensch, durch die Kraft jenes Lebens der Auferstehung, das Ihn kennzeichnet. Er teilt den Seinen Leben in Überfluß mit. Joh. 10,10.

Diese Handlung des HERRN ist einzigartig im Worte Gottes. Obwohl Er sie als auferstandener Mensch vollbringt, trägt sie unverkennbare göttliche Züge, Züge, die nur Gott eigen sind, weil Christus der wahrhaftige Gott und das ewige Leben. Es gibt im Worte Gottes noch eine Stelle, die im Einklang steht mit dieser und uns hilft, sie besser zu verstehen und zu würdigen. Wir finden sie in 1. Mose 2,7. Was dort Christus als Schöpfer tat (denn Jehova Gott ist der Herr Jesus; alle Handlungen, die Jehova im Alten Testament vollbringt, werden im Neuen Testament dem Herrn Jesus zugeschrieben). Weil Er Jehova ist (vgl. Joh. 12,37-41; 8,56; 1. Kor. 10,4), tut Er hier als Erlöser, als Lebensspender. Dort handelt es sich um physisches Leben, hier um geistliches Leben.

Dort um den Menschen, der das Herz und die Krone der materiellen, seelischen und sittlichen Schöpfung ist, hier handelt es sich um die Gemeinde, das Herz und die Krone der geistlichen, erlösten und versöhnten Schöpfung. Dort um den ersten Menschen, hier um den zweiten Menschen.
Doch Leben ist das Thema beider Bücher. Nirgends wird so viel von Leben gesprochen wie in 1. Mose und Ev. Johannes.

Dort von irdischem und physischem Leben, hier von himmlischem und geistlichem Leben. Dort finden wir, wie der Tod alles verdorben hat. Hier finden wir, wie der Tod beseitigt wird durch Ihn, der den Tod zunichte gemacht, aber Leben und Unverweslichkeit ans Licht gebracht hat. So ist dieses Leben, welches der HERR am Auferstehungstag Seinen Jüngern mitteilte, Gemeingut aller Kinder Gottes in dieser Zeit, weil sie als Jünger durch den Glauben an Ihn alle Teil haben an diesem Leben, an dieser neuen Lebens schöpfung. Ihm sei Dank und Preis!
K. O. St.

Schlussbemerkungen des Schriftleiters

Ich bin dem HERRN sehr dankbar, dass ich diese zwei köstlichen Antworten in den „Handr.” veröffentlichen darf; möchten sie vielen zum bleibenden Segen dienen!
Auf Jahrbuch I, Frage 26 ist in Antwort B schon hingewiesen. In gegenwärtigem Jahrbuch, Lieferung 5, Seite 89 ist von Br. v. d. K ebenfalls diese Stelle (Joh. 20,19-23) berührt.

Noch einige Worte! - Damit die Jünger hienieden ein geistgewirktes Tun und Lassen entfalten können - auch wo es sich um zeitliches Vergeben und Behalten von Sünden (das ewige Vergeben und Behalten ist allein Gottes Sache!) handelt -, macht der HERR sie sofort, nachdem Er das Leben ans Licht gebracht hat, Seines Lebens teilhaftig. Wir heute (seit Pfingsten) empfingen Seinen Geist durch Glauben an den Herrn Jesus (vergl. Joh. 7,37ff.; Apg. 19,2; Gal. 3,2.3 u. a.), und indem wir denselben bekommen haben, haben wir auch teil an des Herrn Jesus Auferstehungsleben. Aber während die Schrift uns in den Briefen über alle die verschiedenen Beziehungen unterrichtet, in denen wir uns befinden durch den Heiligen Geist, während uns in den Briefen auch alle möglichen Kostbarkeiten offenbart werden, die wir mit und in dem Heiligen Geist haben usw, so ist doch die Tatsache, dass der Herr Jesus die Seinen durch Seinen Geist mit Sich Selber verbindet, indem Er ihnen nach Seinem Sieg über Grab und Tod Sein Leben einhaucht, nur hier berichtet, d. h. 1. nur in dem Evangelium, dessen Thema „das Leben” ist („wer es ist”, Joh. 4,10, in Verbindung mit dem Wasser des Lebens!), und 2. nur als aus dem Munde des Herrn Jesus Selbst, also nur in einer Zeit, da Er Selber noch auf der Erde war. Mit anderen Worten: wie gleichsam nach der Bildung des Menschen aus Staub nicht der Tag vergehen durfte, ehe Jehova Gott ihm den Odem des irdischen Lebens eingehaucht hatte, so durfte der herrliche Auferstehungstag nicht vorbeigehen, ehe der sinnbildliche Vollzug der Lebensgemeinschaft der Jünger mit dem Auferstandenen, dem Haupt der neuen Schöpfung, geschehen war. Jener erste Mensch konnte nicht herrschen, konnte nicht das Bild Gottes auf der Erde tragen ohne Leben, diese, die Nachkommen des zweiten Menschen, können nicht auf der Erde Sein Bild tragen noch in dasselbe verwandelt werden (2. Kor. 3,18) ohne Sein Leben, den lebendigmachenden Geist. Bedenken wir wohl: vom ersten Tage an, und zwar vom ersten Tag, der der achte Tag war, der Beginn „des Neuen des Geistes” (vgl. Frage 9 des Jahrbuchs!), der Gemeinde! Welche Kostbarkeit liegt in diesem kleinen Verse! Möchten wir uns freuen lernen, dass auch wir am Abend dieses Tages - am Abend? kurz vor dem Abschluß des Tages? wird damit wohl auch angedeutet, dass wir wie auch jene Jünger nicht lange mehr zu warten brauchen, bis Er wiederkommt? - eingefügt worden sind in das „Bündel der Lebendigen” durch Empfang Seines Geistes, durch den wir für ewig der himmlischen Verwandtschaft mit unserem Haupt angehören, um, solange wir noch hienieden weilen, Sein Leben zu offenbaren in einer toten, aber nach Leben dürstenden Welt! Dem Namen unseres geliebten HERRN sei Preis und Anbetung!
F. K.


Beantwortet von: Team Handreichungen
Quelle: Handreichungen - Band 9 (1923/24)