Antwort A
Die überaus große Fürsorge des HERRN für die Seinen tritt uns hier in Joh. 13 in überwältigender Weise entgegen. Bei dem Passah ist Er, der das Lamm werden sollte, voll Liebe mit uns, den Seinigen, beschäftigt. Der HERR sieht die Stunde, wo Er aus dieser Welt und dem Kreise der Seinigen scheiden soll. Er schaut über das Kreuz hinaus und sieht das vollbrachte Werk der Erlösung, sieht aber auch die Seinigen durch eine gottfeindliche Welt schreiten. Mit diesem sichtbaren Liebesdienst, den Er hier ausübt, will Er ihnen ihr kostbares Teil mit Ihm, dem HERRN und Meister (Joh. 13,9), und zugleich ein Beispiel für den praktischen Wandel (Joh. 13,15) auf Erden zeigen. Die Zusage, „dass Er die Seinigen, die in der Welt waren, bis an das Ende liebte,” sollte der Ruhepunkt in einer wankenden Welt sein.
Liebesdienst und Knechts- oder Sklavendienst zugleich ist es, was hier der HERR ausübt voll Liebe und Fürsorge für die Seinigen. Aber zugleich ist Er als Lehrer im Vorbilde bemüht, die Seinigen mit Sich auf den gleichen Boden zu stellen. Bei .den Juden war es Sitte, sich vor der Hauptmahlzeit von einem Sklaven oder dem Geringsten die Füße waschen zu lassen, diesen Dienst übt hier der HERR der Herrlichkeit aus. Er wird Knecht (Beispiel der Demut, Mk. 10,45) und zugleich Fürsprecher und Sachwalter (Beispiel Seines Dienstes, 1. Joh. 2,1). So war Sein Weg auf Erden ein Weg des unaufhörlichen Dienstes (Mt. 20,28; Phil. 2,5-8; Lk. 12,37; Hebr. 7,25), und doch steht Er vor uns in Seiner vollkommenen Würde als Der, dem alles von Seinem Vater übergeben ist (Joh. 13,3 und 17,4.5). Von hier aus tritt Er freiwillig Seinen Weg an, steht vom Abendessen auf, tritt praktisch aus dem Kreis der Jünger (ein Vorbild von Seinem Weggang aus der Mitte der Seinigen), schürzt sich zum Dienst, umgürtet sich mit einem leinenen Tuch (ein Vorbild der praktischen Gerechtigkeit) und gießt Wasser in das Waschbecken (als Bild der reinigenden Macht des Wortes Gottes, Eph. 5,26) und wäscht ihnen die Füße.
Während wir diese Welt durchpilgern, kommt es durch die List des Feindes und durch eigene Unachtsamkeit vor, dass wir von dem Pfade der Gnade abgleiten und uns die Füße beschmutzen. Jede Verunreinigung in Gedanken, Worten und Werken ist eine Befleckung, welche die Lebensgemeinschaft mit dem HERRN trübt. Muß nun der Gläubige verloren gehen oder von neuem bekehrt und noch einmal wiedergeboren werden? Nein! Dies ist durch das ein für allemal gebrachte Opfer auf dem Kreuze (Hebr. 10,10) geschehen. Als praktisches Beispiel tritt uns hier Petrus vor Augen; er will sich den Dienst nicht gefallen lassen, und Jesus sagt ihm: „Wenn Ich dich nicht wasche, hast du kein Teil mit Mir.” An dem HERRN hatte Petrus Teil seit seiner Wiedergeburt; aber das Teilhaben mit Christus, die Freude mit Ihm wird durch jede Verunreinigung gestört. Der innere Frieden und die praktische Verbindung war einmal im Leben des Petrus unterbrochen, hier brauchte er aber nicht noch einmal gewaschen zu werden, wie er Joh. 13,9 begehrt. Das vollkommene Werk der Erlösung ist unerschütterlich, und wer es für sich angenommen hat, ist ganz rein (Joh. 13,10). Aber die gestörte Verbindung mit dem HERRN musste wieder hergestellt werden. Hier tritt die Fußwaschung in Kraft und übt ihre reinigende und wiederherstellende Wirkung aus. So geschieht die Errettung einmal und ewig, und wir bedürfen der einmaligen Waschung, wie im Vorbilde im Alten Bunde, wo der Priester nur einmal amtlich gebadet wurde (3. Mose 8,6). Die Fußwaschung dagegen benötigen wir täglich, ja stündlich, wie auch die Priester, die täglich, ja stündlich Hände und Füße im ehernen Meer waschen mußten (2. Mose 40,31.32; 2. Chr. 4,6), und so hat das Wort Gottes für uns eine reinigende und heiligende Kraft (Joh. 15,3; Tit. 3,5; Eph. 5,26; Joh. 17,17 u. a.).
Und nun noch ein Wort über das praktische Beispiel im Dienst untereinander (Joh. 13,14.15). Wenn wir als Gerettete unseren Weg gehen und durch Gottes Gnade als Glieder miteinander verbunden sind, erwächst uns die heilige Verpflichtung, uns gegenseitig in gleicher Weise zu dienen und einander die Füße zu waschen. Hierzu benötigen wir Seine Gnade, um auf den Boden des Geringsten herabzusteigen, damit der Bruder, dem wir dienen, uns auch zu seinen Füßen sieht und nicht von oben herab von uns gemeistert wird. Schwere Operationen bedürfen einer geschickten Hand, und der Dienst an den Müden einer belehrten Zunge, um den Müden durch ein Wort aufzurichten (Jes. 50,4). So ist die Fußwaschung nötig und von tiefer Bedeutung, um sich des Gnadenstandes im Frieden zu erfreuen und in der Kraft des neuen Lebens zu wandeln.
Sie zeigt uns
1. den HERRN als demütigen Diener und als Fürsprecher und Sachwalter (1.Joh. 2,1);
2. unseren Pfad durch eine sündige Welt, in der wir Seine Sachwalterschaft täglich nötig haben;
3. weist sie aber auch unseren Dienst und Platz in der Gemeinde an, wie wir nach dem Vorbilde des HERRN Liebesdienste üben sollen.
Darum lasst uns handeln nach 1. Petr. 1,13-23!
Ph. W. (z. Zt. b. Militär).
Antwort B
Es gab im Laufe der Jahrhunderte nicht nur äußerlich kirchliche, sondern auch wahrhaft gläubige Kreise, und es gibt auch heute noch Christen, welche die Fußwaschung zur Sitte in ihren Versammlungen gemacht haben oder sie also einführen möchten, indem sie glauben, damit dem Gebot des HERRN zu entsprechen. Aber abgesehen davon, dass in dieser Geschichte keinerlei so bestimmtes Wort gesagt ist wie über die beiden für die neutestamentliche Gemeinde des HERRN gegebenen Verordnungen der Glaubenstaufe und des Brotbrechens („Taufet” und „dieses tut!”), abgesehen also davon, zeugt das Verhalten jener Christen, so gut es auch gemeint sein mag, von völligem Mißverstehen dessen, was der Herr Jesus über Sein Tun gesagt hat wie darüber, was Er eigentlich getan. Man mag mit der Sitte der Fußwaschung untereinander die uns sicherlich in dieser Geschichte offenbarten Vollkommenheiten göttlicher Demut und Selbstverleugnung verbinden - man versteht dennoch keineswegs die Tat des HERRN, wenn man überhaupt dahin kommt, eine Sitte des Fußwaschens für biblisch zu halten und zu beobachten. Man bewegt sich dann nur in dem Wortlaut, nicht in dem Geist dieser Geschichte.
Diese Handlung Jesu ist unter keinen Umständen damals für die Jünger verständlich gewesen (Vers 7!), erst nachdem sie den Geist empfangen hatten, der sie über Christus belehrte, erst da hatten sie das Organ dazu und da sollten sie verstehen, was Er mit diesem Sinnbild beabsichtigt hatte, und da kamen sie keineswegs dazu, die Fußwaschung als christliche Sitte einzuführen, sie wird vielmehr nie mehr erwähnt. Der Taufe, des Brotbrechens wird genügend Erwähnung getan, und das ist der beste Beweis dafür, dass die Apostel Jesu Worte darüber richtig verstanden hatten und sie wertschätzten, wie Er es wünschte (tun wir das?!)- aber der Fußwaschung geschieht keine Erwähnung, geschweige denn einer in den Versammlungen üblichen Handlungsweise, der Seinen nachgebildet. Es ist vielmehr eine rein geistliche Bedeutung, die der HERR unter sichtbaren Zeichen kundtat, und die Jünger sollten sie „hernach” verstehen und dann an diesem „Beispiel” sehen, wie sie „einander tun” sollten. Ein Beispiel sagt, wie etwas getan werden, nicht etwa, dass die in dem Beispiel abgebildete Sache selbst getan werden soll. Das zu sehen, ist in bezug auf diese Sache sehr wichtig.
Nun zu einem anderen Punkte, der die Bedeutung der Fußwaschung selbst betrifft, der auch oft mißverstanden wird. Der HERR sagt V. 8: „Wenn Ich dich nicht wasche, so hast du kein Teil mit mir”. Häufig denken Gläubige, durch die Fußwaschung hätten sie erst Teil an dem HERRN und Seiner Gnade. Aber nicht vom teilhaben an Jesu ist hier die Rede (vgl. auch V. 1!), sondern von der Gemeinschaft mit dem HERRN. Wir sollen teilhaben mit Ihm, d. h. wir sollen in dieser Welt bei unserem beschwerlichen Weg durch die Wüste bis hin zur Heimat dieselbe Freude, den gleichen Frieden. dieselben Interessen genießen, die Er hienieden hatte in Gemeinschaft mit dem Vater. Es gibt geistlich hungernde, dürstende, frierende Kinder Gottes, die der Welt ein trauriges Zeugnis geben, aber die Schuld liegt nur an ihnen: sie lassen sich nicht die Füße waschen von dem HERRN, d. h. sie lassen nicht durch das Wort Gottes, von dem das Wasser in der Schrift oft ein Bild ist (vgl. Eph. 5,26!), ihr praktisches Leben, ihren täglichen Wandel reinigen (vgl. 1. Joh. 1,9; Joh. 17,17). (Dies geschieht nicht durch das Blut, wie leider oft angenommen wird [vgl. Hebr. 9,12; 10,14 u. a. und Frage 34, III. Jahrbuch, 1915!]). So gehen sie befleckt dahin und ihr ungereinigtes Gewissen lässt keinen Herzensfrieden, keine Freude aufkommen, obwohl sie längst wiedergeboren sind („gebadet”, Tit. 3,5; vgl. Frage 26, 1916!) Es ist m. E. nicht so sehr die Tätigkeit Jesu als des Sachwalters, die in der Fußwaschung zutage tritt - Christus unser Sachwalter (unser Rechtsanwalt) ist vielmehr bei jeder, auch der unbekannten Verfehlung unsererseits vor Gott für uns tätig (1. Joh. 2,1), auch ohne dass bei uns eine Bereitwilligkeit erforderlich sein müßte - sondern es ist mehr des HERRN als des Lebendigen Wortes (vgl. Joh. 1,1ff. mit Off. 19,13 und Hebr. 4,12.13 u. a.) Tätigkeit, die hienieden mit unserer durch Seinen Geist geweckten Bereitwilligkeit (vgl. V. 8 u. 9!) uns von Ihm dienen, nämlich waschen zu lassen, eintritt, wenn wir uns befleckt haben im täglichen Wandel. Vor dem Vater vertritt uns unser Sachwalter, hienieden reinigt Er Selbst als „das Wort” uns vermittelst des Wortes der Schrift, das der Heilige Geist in irgendeiner Weise auf unser Herz und Leben anwendet. Durch diese doppelte Tätigkeit des HERRN wird unsere Gemeinschaft mit Ihm und dem Vater ungetrübt erhalten, und wir haben Teil mit Ihm hienieden. Und so auch untereinander, wenn wir des HERRN Tun geistlicherweise nachahmen, indem wir einander die Füße waschen im Geist der Sanftmut (Gal. 6,1 ; vgl. Hebr. 10,24.25 u. 1. Petr. 3,8ff. u. a.), um einander zurechtzubringen durch „das Wort in Gnade” (Kol. 4,6), sobald Sünden und Mängel die Gemeinschaft untereinander trüben (siehe auch Hebr. 12,15!).
Zum Schluß noch ein Punkt! V. 10 sagt der Herr Jesus das ernste Wort „ausgenommen die Füße”! Welch ein Gegensatz gegen neuere „Sündlosigkeitslehren”, wonach Gläubige dahin gekommen sein sollten, ohne irgendeine Befleckung des Fleisches oder des Geistes zu wandeln. lasst uns, obwohl wir Überwinder sein sollen und können (Röm. 6!), jenen Gedanken bei uns nicht Raum geben, sondern demütig anerkennen, wie sehr wir der reinigenden Tätigkeit Jesu durch Sein Wort, die Er in diesem Beispiel uns vor Augen stellt, fortgesetzt bedürfen, und wie nötig es auch ist, einander in Demut und Liebe solchen Liebesdienst wieder und wieder zu tun, zu dem Er, unser Meister, uns auffordert und befähigt durch Seinen Geist!
Nun genug! Mir lag nur daran, die Hauptpunkte zu beleuchten, teils um Irrtümern zu begegnen, teils um die alles überragende Liebesfürsorge unseres herrlichen Herrn Jesu, der uns erlöst und erkauft hat durch Sein eigenes Opfer und uns für ewig zu Gottes Kindern machte durch den Glauben an Ihn, ein wenig zu rühmen. - Er segne uns die Betrachtung Seines kostbaren Wortes, dass wir Täter desselben werden (Jak. 1,22), und mache uns glückseliger in Ihm.
F. K. (z. Zt. beim Militär).