Antwort
Der erste Satz des Verses bezieht sich auf 1. Petr. 3,18: „Es hat ja Christus einmal für die Sünden gelitten.” - „Da nun Christus (für uns) im Fleische gelitten hat, so waffnet auch ihr euch mit demselben Sinne usw.” Die praktische Ermahnung liegt darin, dass man sich auf eine bestimmte Weise oder mit einer vorgeschriebenen Waffe waffnen soll. Hier aber handelt es sich nicht um die wunderbare Waffenrüstung Gottes, um erfolgreich wider die Listen des Teufels bestehen zu können (Eph. 6,10ff.); denn das ist der Kampf in den himmlischen Örtern oder in dem Gelobten Land; sondern in 1. Petr. 4 handelt es sich um eine Bewaffnung, um sich zu verteidigen oder zu schützen wider die Sünde; es entspricht mehr dem Kampf in der Wüste. Wohl klingt es sonderbar, dass man sich mit einem bestimmten Sinne oder Gedanken zu waffnen habe! Doch dieser Sinn ist so sehr wichtig, denn hier hat man es zu tun mit der klaren biblischen Lehre, dass nicht nur der HERR im Fleische gelitten hat, sondern dass wir auch mit Ihm gelitten haben oder gestorben sind und dass das nicht nur ein Glaubenssatz ist, sondern eine wunderbare Tatsache, und zwar in den Augen Gottes.
Sich mit demselben Sinne waffnen bedeutet völlig im Glauben die herrliche Wahrheit zu fassen und festzuhalten, dass wir im Fleische gelitten haben, ebenso wie Christus. Diese Wahrheit wird ausführlicher in der Epistel an die Römer, besonders in Kap. 6, erklärt und gelehrt; dort wird dieses Thema eingehend und völlig behandelt. Darauf können wir nicht gründlich eingehen, nur einiges ist möglich anzuführen. In dem oben erwähnten Kapitel, nämlich Röm. 6,5-7, finden wir die folgenden überraschenden Worte, wohl unter vielen anderen: „Denn wenn wir mit Ihm eins gemacht worden sind in der Gleichheit Seines Todes - indem wir dieses wissen, dass unser alter Mensch mitgekreuzigt worden ist, auf dass der Leib der Sünde abgetan sei, dass wir der Sünde nicht mehr dienen. Denn wer gestorben ist, ist freigesprochen von der Sünde.” Bemerken wir besonders diese Worte: „Also auch ihr, haltet euch der Sünde für tot, Gott aber lebend in Christo Jesu” (Röm. 6,11), denn in diesen Worten haben wir fast denselben Gedanken, den wir in 1. Petr. 4,1 finden.
Wohl wird in Röm. 6 diese Wahrheit gründlich behandelt, nämlich, dass wir mit Christo gestorben sind oder gelitten haben, doch auch sonstwo wird dieser Punkt berührt oder gestreift, und zwar als etwas Bekanntes, nämlich: „Ich bin mit Christo gekreuzigt, und nicht mehr lebe ich, sondern Christus lebt in mir.” (Gal. 2,20) „Das Wort ist gewiß, denn wenn wir mitgestorben sind usw.” (2. Tim. 2,11)
Petrus will nun, dass die Gläubigen sich mit dem Sinne oder Gedanken waffnen, dass sie im Fleische gelitten haben, d. h. in dem Leibe gestorben sind, gerade so wie Christus gelitten hat. Das praktische Resultat dieses Sinnes ware also, daß, wenn Versuchung kommt oder die Sünde lockend um uns schleicht, beschützt uns der Gedanke, nämlich dass wir schon im Fleische gelitten haben und tot sind; und also hat die Sünde kein Anrecht oder Anspruch mehr auf uns; denn wer im Fleische gelitten hat, ruht von der Sünde oder hat aufgehört zu sündigen!
Dieser Sinn ist in der Tat eine gute schützende Waffe, denn dadurch ergreift man mit der Glaubenshand die Wahrheit, dass man gestorben ist, dass der Leib der Sünde abgetan sei; denn wie könnte die Sünde noch reizen oder locken, was tot ist?
Da aber dieser Sinn eine schützende oder bewahrende Waffe ist und Paulus uns ermahnt, uns der Sünde für tot zu halten, so wird dadurch die irrige Lehre widerlegt, dass die alte sündhafte Adamsnatur ausgerottet werden könnte oder dass es möglich wäre, eine sündlose Vollkommenheit hier auf Erden zu erlangen. Denn wenn das möglich wäre, so brauchten wir uns gar nicht mit diesem Sinne zu waffnen, damit wir die im Fleische noch übrige Zeit nicht mehr den Lüsten der Menschen, sondern dem Willen Gottes leben. Die Stelle ist ein kräftiger Ansporn zur Heiligung (V. 3.4): „Denn die vergangene Zeit ist (uns) genug, den Willen der Nationen vollbracht zu haben.”
Wir erkennen nun auf praktische Weise, dass wir im Fleische gelitten haben, und halten nicht mehr diese Wahrheit nur für eine Theorie, sondern wir sollen damit gewappnet sein. Zinzendorf sang:
„Und wenn mich böse Lust anficht,
Gott sei gedankt, so muss ich nicht;
Ich sprech' zur Lust, zum Stolz, zum Geiz:
Dafür hing unser Herr am Kreuz!
Solang' ich noch hienieden bin,
So ist und bleibet das mein Sinn.”
Wahr ist es, was er so schön dichtete; aber eigentlich ist der Sinn nicht nur, dass unser Herr dafür am Kreuze hing, sondern dass auch wir dort hingen und also schon nach dem Ratschluß Gottes gestorben sind und also von der Sünde ruhen! Das ist der Sinn, mit welchem wir uns waffnen sollen nach 1. Petr.4,1. Ein anderer geistlicher Dichter (B. Kühn) kommt etwas näher zur Wahrheit in diesem Verse:
„Nahe bei Jesu und eins mit dem Kreuz,
Tot für der Sünde verlockenden Reiz,
Tot für die Welt und gestorben dem Ich,
Lebend für Jesum, nicht lebend für sich.”
Vielleicht sind die Worte „für uns” in dieser Stelle von irgendeinem Schreiber unterschoben worden. (Sie stehen durchaus nicht in allen griechischen Handschriften, zumal nicht in den bestbezeugten, und dürfen gern gestrichen werden! Der Schriftl. F. K.) Sie sind wohl wahr, doch die Betonung oder der Punkt hier ist nicht, dass Christus für uns gelitten hat, sondern einfach, dass Er überhaupt im Fleisch gelitten hat, und ebenso waffnen wir uns gegen die Sünde, indem wir auch denselben Sinn haben, nämlich, dass wir im Fleisch gelitten haben und den Lockungen der Sünde gegenüber tot sind. Die Schrift spricht von einer tauben Otter, die ihr Ohr verschließt, dass sie nicht höre die Stimme der Beschwörer, des Zauberers, der der Zaubersprüche kundig ist (Ps. 53,4.5); so möchten wir sein der Stimme der Sünde gegenüber.
F. Btch.
Anmerkung des Schriftleiters
Ich habe nicht die Absicht, diese sehr schöne, praktische Antwort irgendwie abzuschwächen, wenn ich im folgenden noch etwas anderes zur Erweiterung anzufügen mir erlaube. Ich betone, dass obiger Antwort größte Aufmerksamkeit und Annahme gebührt! Wir können solche praktischen Erwägungen - besonders in Verbindung mit Röm. 6 - gar nicht ernst genug nehmen! Jedem von uns haben sie nicht nur etwas, sondern viel zu sagen. Wir müssen uns nur durch sie dienen lassen wollen!
Gleichwohl glaube ich, dass wir in dieser Stelle außer dem durch die Verbindung mit Röm. 6sich ergebenden Sinn auch noch einen ursächlichen finden, der darin besteht, dass wir im 1. Petrusbrief die Leiden des HERRN nicht nur (wie in 3,18 und 2,24) in sühnendem und stellvertretendem Sinn vor uns haben, sondern auch in vorbildlichem, wie z. B. 2,21-23!
So angesehen, wäre m. E. die anfragte Stelle so zu verstehen: Christus besiegte, indem das Kreuz (und nicht nur dieses) seinem Fleisches- (d. i. Leibes-)Leben Leiden auferlegte, alle Versuchungen, die Ihm (von außen) nahten. Seine Seele war bereit zu leiden, Sein Fleisch entzog sich dem nicht, freiwillig vielmehr unterzog Er Sich den härtesten, schmerzhaftesten Leiden und war dadurch -menschlich, vorbildlich geredet- gefeit gegen alle Arten von Versuchungen. Was können Versuchungen dem bedeuten, der ihnen nicht nur nicht nachgeben will, sondern der auch vollauf beschäftigt ist durch aufreibende Leiden, und darum weder Zeit noch Sinn hat, auf Versuchungen zu achten?! So ist Er unser Vorbild im Kampf, nicht als ob Er hätte fallen, den Versuchungen nachgeben können (nimmermehr! Er wurde äußerlich versucht wie wir, aber Er war innerlich völlig unversuchlich! [Hebr. 4,15; Jak. 1,13]), aber in Ihm, „dem Menschen Christus Jesus”, sehen wir auch für Menschen anwendbare Abwehrmittel gegenüber den Versuchungen, geradeso wie wir auch wissen nach Hebr. 12,1ff., dass Er hienieden durch Glauben wandelte als Vorbild für uns! Solche uns Menschen zugängliche Abwehrmittel sind freiwillig aufzunehmende Leiden, die Seele und Leib beschäftigen, und zwar vollauf, und dadurch unempfindsam gegen Versuchungen machen. Haben wir diesen Sinn, wappnen wir uns mit diesem freiwillig zum Leiden (zum Kreuz-auf-uns-Nehmen) bereiten Sinn, dann wird die Sünde uns nichts anhaben können. Wo Begehren zum Leiden ist, hat Begehren zur Sünde keinen günstigen Nährboden! Das Leiden, d. h. das freiwillige (bis in den Tod hinein!!), schließt die Betätigung des eigenen (fleischlichen) Willens aus. Das ist eine feine Waffe gegen die Sünde: wenn man lieber leidet als Unrecht tun will! Wenn man nun doch noch einige Zeit im Fleische wallen soll und mit den Lüsten der Menschen zu tun hat (V. 2.3), so möge man sich mit diesem Sinne Christi wappnen, der - wie 2,23 - z. B. lieber leidet als droht! Das ist der Wille Gottes (2,20!), und sich so mit Seinem Willen eins machen bringt uns Leiden ein und bewahrt uns vor Fleischeswegen und Betätigungen unserer an sich sündigen Natur. Ist es nicht so, Bruder, Schwester: Sind nicht beispielsweise Leiden um Christi willen geradezu wie ein Bollwerk gegen Sünden? Sind nicht solche Leidenszeiten oftmals Zeiten größter Siege über das „Ich”, Zeiten praktischer Heiligung? Und damit befinden wir uns, glaube ich, ganz im Rahmen des 1. Petribriefes. Es ist m. E. wichtig, stets zu versuchen, eine schwierige Stelle zunächst aus den Lehren des betreffenden Briefes selber zu verstehen zu suchen - denn die Leser desselben hatten zuerst doch nur diesen!
Und auf dieser Grundlage kommen wir auch mühelos auf die Anschauung obiger Antwort, die ich nur unterstreichen möchte: Wer nun im Fleische „leidet”- (?) nein „gelitten hat” -, und zwar am tiefsten, vollkommensten nicht in seinem eigenen kleinen Leidenskreis, sondern nach Röm. 6 mit Christo am Kreuz, der ruht - ist fertig - mit der Sünde, hat aufgehört, mit ihr etwas zu tun haben zu wollen. Das ist Heiligung im VolIsinne. Und mit dieser Gesinnung, der von Röm. 6, uns zu waffnen, das bedeutet, je treuer wir mit dem Anlegen dieser Gesinnungsrüstung sind, vermehrten und vertieften Sieg - Ruhe von Sünden! und damit ein praktisches Leben für Gott!
So, glaube ich, auch von dieser einfachen Grundlage in der Auslegung unserer Schriftstelle auf die gleiche tiefere der obigen Antwort zu kommen, diese zugleich erweiternd um praktische Werte. Denn mit der tieferen Auslegung sind die von mir angeführten einfacheren Ergebnisse nicht aufgehoben, sie sind vielmehr in ersterer mit eingeschlossen - ebensowohl wie ja auch mit unserem geistlichen Leiden und Sterben mit und in Christo Jesu unser irdisches persönliches Leiden und Kreuztragen für Ihn nicht aufgehoben und ausgeschaltet, sondern erst recht als unser Teil hienieden uns geworden ist. Und dies Leiden ist ein Bollwerk gegen die Versuchungen, aber eins, das dadurch erst so recht wirksam sein kann für uns, weil wir des Mächtigeren teilhaftig geworden sind, das da heißt:
Mit Christo gekreuzigt und gestorben für die Sünde - leben wir mit Ihm und durch Ihn für Gott - durch Glauben!
Gelobt und verherrlicht sei der HERR, der uns so reich begnadigt hat!