Die Erklärung kann nur in der wunderbaren Symbolik des göttlichen Wortes gefunden werden. Das harte Gesetz vom Sinai entsprach keineswegs den ursprünglichen Absichten Gottes mit den Menschen, sondern "es kam daneben ein" (Röm 5,20), d.h. Gott wurde durch die Vermessenheit des Menschen, Gottes Willen in eigener Kraft tun zu können, veranlasst, dasselbe zu geben, damit der Mensch daraus ersehe, 1. was dem Willen des dreimal heiligen Gottes entspricht und 2. wie überströmend des Menschen Übertretung sei. Israels Überhebung hinderte Gott daran, dass Er Seine Gedanken der Gnade offenbaren konnte. Dennoch konnte Er es nicht unterlassen, Seinem Erbarmen in symbolischen Bildern Ausdruck zu geben.
Der Altar von Erde redet von dem, was der Mensch ist: nichtig, schwach, von der Erde, Kinder Adams, dessen Name ja "Eingeborener" bedeutet. Der Altar von unbehauenen Steinen dagegen redet von dem, was Christus als Mensch auf Erden war; vollkommen, heilig und gerecht. Auch ist Er nicht das Produkt menschlichen Verstandes, philosophischer Klugheit oder überheblicher Wissenschaft. Der Altar von Erde zeigt uns Christus in Seiner vollkommenen Menschheit, derjenige von "unbehauenen Steinen" Christus in Seiner Gottheit. Der Wille Gottes ist nun, dass wir dies gläubig anerkennen, denn unsere Rettung ruht auf Seiner Person, welche das Werk der Sühnung auf dem Kreuzaltar vollbrachte. So groß und herrlich wie Seine Person, so groß und herrlich ist auch Sein Werk. Kein menschliches Hinzutun kommt hier in Frage; es ist nichts zu ergänzen und nichts hinzuzufügen.
Zu diesem Bilde gehört noch, dass man nicht auf "Stufen zum Altar" steigen durfte. "Stufen" bedeuten hier Selbsterhöhung und die Menschheitsgeschichte hat zur Genüge bewiesen, wie sie nur ihren Hochmut und damit ihre Blöße zu offenbaren vermag.
Dass beim Bau des Tempels "kein eisernes Werkzeug" gebraucht werden durfte, hat eine ähnliche Bedeutung (1. Kön 6,7). Zu beachten ist vorerst, dass der Tempel eine andere Bedeutung hat als die Stiftshütte. Letztere zeigt mehr die Stätte des Dienstes der Versöhnung, vor allem: Christus in Niedrigkeit. Der Tempel hingegen stellt mehr die Anbetung, das Wohnen Gottes inmitten Seines Volkes, Sein Thron und Seine Regierung in Vordergrund: Christus in Herrlichkeit. Der Gedanke der Sühnung tritt - weil mehr als ein für allemal geschehen betrachtet - zurück, darum werden die Sündopfer weniger hervorgehoben (vgl. 1. Kön 5-8; 1. Chr 22 bis 2. Chr 7). Am Schluss von l. Chronika 21 wird die "Stiftshütte" als Wohnung Gottes weggetan und von Kapitel 22 an der Tempel mit dem herrlichen ganz neuen Dienst des Lobes und der Anbetung eingeführt. Dieser Tempel, obwohl in erster Linie Schatten des Dienstes und der Herrlichkeit im tausendjährigen Reich, ist auch ein Vorbild der Gläubigen der Gegenwart, der Versammlung (Ekklesia), welche ja auch ein Tempel Gottes, ein Haus aus lebendigen Steinen erbaut, genannt wird (1. Pet 2; Eph 2,20-22).
Nun, Steine am "geistlichen Haus" können nur erlöste, wiedergeborene Menschen sein, desgleichen kann einmal die Wohnung und Herrlichkeit Gottes nur unter einem erneuerten und wiederhergestellten Israel aufgerichtet werden. Der Geist Gottes wird auf alles Fleisch ausgegossen sein (Joel 3,1). Dieser Gedanke kam auch beim Tempel Salomos zum Ausdruck, und zwar darin, dass alle Steine schon im Steinbruch zubereitet und völlig fertig behauen zum Tempel gebracht wurden, und zwar so wunderbar genau, dass die Steine ein völlig festes Gefüge ohne Mörtel bildeten; keine Fuge war bemerkbar, wie es z.B. die Ausgrabungen an der Tempelmauer bewiesen haben. Deshalb sollte und konnte auch auf dem Bauplatz selbst kein eisernes Werkzeug verwendet werden. "Nicht durch Kraft und nicht durch Macht, sondern durch meinen Geist, spricht der HERR der Heerscharen" (Sach 4,6).