Antwort A
Nirgends ist davon die Rede, dass Gott das verlangt. Stellen wir uns doch die Situation recht vor. Israel war in Not, Die Ältesten Israels riefen Jephtha und machten ihn zum Obersten. Gott erfüllte (11,29) den Jephtha mit Seinem Geist; denn Er wollte dem geplagten Volke helfen. Er, der große Gott, hätte auch sicher geholfen, ohne dass Jephtha nun (V. 31) das Gelübde aussprach. Denn wenn Gott helfen will, macht Er Sich nicht abhängig von Versprechungen der Menschen.
Ob nun Jephtha seine Tochter als blutiges Brandopfer dargebracht, wie viele glauben, oder ob er sie nicht geschlachtet, sondern sie zum Dienst des Heiligtums und damit zur Jungfrauschaft bestimmt und dadurch sich und sein Haus um die Möglichkeit seines Fortbestehens gebracht hat - wie ich glaube - soviel ist ganz klar: Gott hat kein blutiges Menschenopfer gefordert, hier nicht und nie! (Aus jener irrigen Annahme stammt vielleicht auch die irrige Annahme der Ritualmorde.)
K. E.
Antwort B
Röm. 15,4: „denn alles, was zuvor geschrieben ist, ist zu unserer Belehrung geschrieben”, gilt auch für Richter 11.
Jephtha, von Gott ersehen zum Helfer in der Not Israels, war ein tapferer Held, aber ohne Erkenntnis Gottes bezüglich der Gedanken Gottes über Sein Volk. Jephtha stand nicht auf der Höhe des Glaubens wie Abraham (1. Mose 22,2). Jephtha handelte ohne Glauben;
er wollte einen Vertrag mit Gott machen, wie einst Jakob (1. Mose 28,20).
Jephtha tat ein Gelübde. Gott hat dies Gelübde nicht gefordert, Er überlässt aber den Jephtha der Verantwortlichkeit und den Folgen seines Gelübdes.
Jephthas Tochter bezeugt gewissermaßen mehr Glauben, sie unterwirft sich jedoch freiwillig dem durch Unbesonnenheit und Unglauben ihres Vaters getanenen Gelübde, und V. 39 vollzieht Jephtha sein Gelübde.
Solche Berichte, wie auch dieser Bericht aus der Richterzeit, haben für uns insoweit Wert und Bedeutung, als wir darin einzelne Charakterzüge Gottes und unseres Herrn Jesu Christi erkennen.
Jephtha stellt sich auf den Boden des Gesetzes und gesetzlicher Werke. Gott aber handelt aus freier Gnade mit den Menschen, ohne die Bedingung der Gegenverpflichtung von seiten des Menschen. Jephtha handelt in Unbesonnenheit, Gott aber hat nach Seinem vor Grundlegung der Welt bestimmten Ratschluß gehandelt und seinen eingebornen, geliebten Sohn hingegeben zu unserer Errettung, und Jesus, unser HERR und Heiland, ist gekommen, wie geschrieben steht Hebr. 10,7-9.
F. B.
Anmerkung des Herausgebers
Wir freuen uns dieser Antworten. Sie zeigen klar, was es ist um übereilte Gelübde! Wir Gläubigen, die wir auf dem Boden der Gnade und der Freiheit stehen, sollten überhaupt keine Gelübde tun, weil Gelübde stets etwas von dem Charakter des Gesetzes an sich tragen! Wenn nun jenes übereilte Gelübde auf wirklichen blutigen Opfertod Bezug hat, so hätte ein Mann, von dem der Geist Gottes Besitz ergriffen hatte, um ihn zum Segen Seines Volkes zu gebrauchen, doch in der Erkenntnis, dass Gott keine blutigen Menschenopfer wolle (1. Mose 22,12), sein Gelübde zurücknehmen müssen. Und diese Erwägung in Verbindung mit V. 38-40 veranlasst uns, anzunehmen, dass es sich nicht um ein blutiges Opfer handelte, sondern darum, den Sinn des Brandopfers zu erfüllen: Ein Opfer des Lebens für Jehova zur Annehmung darzubringen.
Dass Jephthas Tochter ihre Jungfrauschaft beweint, wenn sie im Tempeldienst lebenslänglich bleiben soll, also unverheiratet sein und nie Kinder - die Sehnsucht besonders jeder jüdischen Frau - haben soll, ist dann auch verständlicher. Außerdem steht ja auch nicht da, dass Jephtha sie wirklich blutig geopfert hat. Dennoch bleibt auch uns die Stelle etwas dunkel. - Jedoch können wir keinesfalls sagen, dass Gott die Tochter Jephthas als Brandopfer verlangt hätte!