Warum verfluchte der Herr den Feigenbaum?

Warum verfluchte der Herr den Feigenbaum? (Matth. 21,18ff. u. Mark.11,13ff.)

Antwort A

Der Grund, warum der Herr dem Baume die Lebenskraft nahm, ist einfach der, dass Er Seinen Jüngern zeigen wollte, wie der nicht ungestraft bleibt, bei dem Er Früchte erwartet und nicht findet. Beachten wir aber den Zusammenhang (kurz vorher fand der Einzug in Jerusalem und die Tempelreinigung statt), so ergibt sich, dass die Verfluchung des Feigenbaumes jedenfalls ein Zeichen sein soll, und zwar von dem über Jerusalem bevorstehenden Gericht. Israel war ein Feigenbaum mit Blättern ohne Frucht. Religiöse Formen, „Hosianna” rufende Massen waren da, aber die Früchte der Buße fehlten. Darum war Israel einem wertlosen unfruchtbaren Baume gleich geworden und reif zum Gericht.
Chr. K.

Antwort B

Der Herr kommt von Bethanien. Er hatte mit Seinen Jüngern daselbst übernachtet. Dort hatte Er ein Heim, wo Er in Liebe aufgenommen wurde und nicht zu hungern brauchte. Liegt nicht etwas Bedeutungsvolles darin, dass Ihn hungerte, als Er von Bethanien weggegangen war? Wie Ihn hungerte, verlangte Ihn danach, solche Bethanien-Aufnahme bei Seinem Volke zu finden. - Der Herr tat viele Zeichen und Wunder. Zeichen waren Wunder, die in ihrer Art zugleich Belehrungen von tiefer Bedeutung enthielten. So ist auch das Wunder an dem Feigenbaum von tiefer, tiefer Bedeutung. Sein Auge sieht in der „Ferne” (Zukunft) den Feigenbaum (Israel) mit Blättern bedeckt, - Israel, in Verbindung mit seinem Messias - grünen, blühen und Früchte tragen. Aber Er „naht” sich jetzt Seinem Volke und findet nur den Schein, aber keine Wirklichkeit. Gottesdienste wurden im Tempel mit Eifer gehalten; Moses wurde hocherhoben und die Schriften erforscht, aber Ihn, ihren Messias, verwarfen sie. Sie wollten Gott Frucht tragen ohne Ihn. Israel, von Gott bestimmt, die Fruchtspenderin des Segens Gottes auf der Erde zu sein, wird jetzt abgeschnitten. Es hat auf dem Boden des Alten Bundes stehend gänzlich gefehlt, und auf diesem Grunde wird keine Frucht von Israel je gegessen werden.
Die Zeit der Feigen, wo sie eingesammelt wurden, war noch nicht, so daß, wenn der Baum Früchte gehabt hätte, diese hätten am Baume sein müssen. Diesen unfruchtbaren Baum, der das Äußere eines fruchttragenden hatte, gebraucht der Herr als ein Bild von Israel, um Sein Urteil über Israel als in Verbindung mit dem Alten Bunde auszusprechen.
v. d. K.

Antwort C

Der Feigenbaum bekommt erst Früchte und dann Blätter. In der Scofield Bible finde ich nachstehende Notiz, die vielleicht mit zum Verständnis beitragen kann: „Feigenbäume, welche ihre Blätter den Winter durch behielten, hatten auch gewöhnlich Früchte. Die Jahreszeit war für neue Blätter und Früchte noch zu früh.” Das Nicht-Vorfinden der Frucht bewies die Unfruchtbarkeit des Baumes selbst.
...r.

Anmerkung des Herausgebers

Selbst wenn man dies Gleichnis nach Mt. 21 wohl versteht: als ein Zeichen des Gerichts über das unfruchtbare Volk Israel, so bleibt für manche Leser der Schrift noch eine große Schwierigkeit in der Fassung des Gleichnisses in Mk. 11. Wenn noch nicht die Zeit der Feigen war (Vers 13), wie kann Jesus dann Feigen zu finden erwarten und, als Er keine findet, den Baum verfluchen? Aber man kann demgegenüber sagen: Wenn schon Feigenzeit gewesen wäre, so hätten die Feigen schon abgeerntet gewesen sein können, als Jesus kam, sodass Er dann nichts hätte finden können. Gerade weil noch nicht Feigenzeit war, der Baum aber schon in vollen Blättern stand, hätte der Herr Jesus Früchte finden müssen, wenn auch noch nicht ganz reife. Aber dieser Baum trug nur Blätter - wie Israel als Volk, und darum wurde er verflucht. „Ach Blätter nur -!


Beantwortet von: Team Handreichungen
Quelle: Handreichungen - Band 1 (1913)