Warum sieht Stephanus den Herrn zur Rechten Gottes stehen?

Warum sieht Stephanus den Herrn zur Rechten Gottes stehen?

Es war ohne Zweifel Gottes Absicht, dass Sein Geliebter sich nach vollbrachtem Werk zu Seiner Rechten setzen sollte (Ps 110,1). Deshalb spricht der Herr, wenn Er Seinen Feinden gegenüber steht und ihnen ihre schwere Verschuldung und Gottes Antwort darauf vorstellen will, von nichts anderem (vgl. Mt 26,64; Mk 14,62; Lk 22,69), und das wohl aus zwei Gründen: 1. um zu zeigen, dass Sein Opfer Gott vollkommen verherrlicht und unser Heil ein für alle Mal begründet hatte, und 2. um darzutun, dass der von Menschen Verworfene von Gott erhöht und zum Herrn und Richter über alle bestimmt worden ist (Heb 10,12; Apg 2,36; u.a.).

Wenn Stephanus trotzdem in Apostelgeschichte 7 Jesus zur Rechten Gottes stehen sieht, so muss das eine besondere Bedeutung haben, und wir sind zu der Frage berechtigt: Welche? Um die richtige Antwort zu finden, müssen wir uns die damalige Lade der Dinge vergegenwärtigen. Jesus war von Seinem Volk verworfen und ermordet worden, aber die Tat war nach Lukas 23,34 und Apostelgeschichte 3,17 in Unwissenheit geschehen. Aufgrund dessen und als Antwort auf die Fürbitte des Christus erfolgte noch einmal eine ergreifende Berufung an das Volk, zuerst durch Petrus und die elf Jünger, dann durch Stephanus. Hätte Israel auf diese Berufung gehört, so wäre jetzt noch eine Vergebung und Wiederherstellung möglich gewesen (vgl. Apg 3,19–21). Aber auch diese letzte Bemühung des langmütigen Gottes durch die in der Fülle des Heiligen Geistesredenden Apostel war vergeblich. „Die Bürger des Landes“ schickten (in Stephanus) eine Gesandtschaft hinter dem in ein fernes Land gezogenen hochgeborenen Mann her mit der Botschaft: „Wir wollen nicht, dass dieser über uns herrsche“ (Lk 19,14). Dann erst erfolgte der endgültige Abbruch der Beziehungen Gottes zu Israel.

Es war also eine Übergangszeit, in welcher dem Volk Israel noch eine letzte Gelegenheit zur Umkehr geboten wurde, und so lange nicht der letzte Akt in der Geschichte der Verwerfung des Christus vollendet war, konnte Er sich nicht zur Rechten des Thrones der Majestät setzen. Das will sagen: Die Treue gegenüber Seinen Verheißungen und die Langmut gegenüber Seinem Volk ließen es nicht zu, dass Er durch Sein Sichsetzen das endgültige Urteil über Seine Feinde aussprach. Israel musste erst bis zum Äußersten gegangen sein. Bis dahin stand Jesus als der große Hohepriester Seines Volkes vor Gott, selbst jetzt noch bereit, in Gnaden wiederzukehren, wenn sie Buße getan haben würden.


Beantwortet von: Unbekannt
Quelle: Botschafter des Heils in Christo, Jahrgang 1921, S. 110