Warum lief der andere Jünger „schneller als Petrus“ zur Gruft?

Warum lief der andere Jünger „schneller als Petrus“ zur Gruft? Joh. 20,4.

Antwort A

Es läuft sich nicht gut, wenn jemand eine Last trägt, und Petrus trug eine schwere Last auf seinem Herzen und Gewissen. Er hatte seinen HERRN verleugnet, Den, den er wirklich liebte. Der Mann mit dem Selbstvertrauen im Herzen konnte dem Ansturm der Gewalt der Finsternis nicht widerstehen. Was mochte in Petr. Herz vorgehen, als er weniger schnell lief und Johannes den Vorsprung ließ! Scheute er sich, den toten oder gar den lebendigen HERRN wiederzusehen? Oder wollte er wenigstens nicht der Erste sein?

Ist es nicht so auch mit uns? Wird nicht auch unser Lauf gehemmt, wenn uns eine Last drückt und auf dem Gewissen liegt? Petrus war nicht glücklich, und wir sind es nicht, bis, wie bei ihm, unsere Sache in des HERRN Gegenwart geordnet ist.

Johannes geht nicht gleich in die Gruft, Petrus aber geht hinein. Das jüdische Empfinden, sich durch das Betreten des Grabes zu verunreinigen (welches Johannes zurückhalten mochte), hatte für Petrus seine Kraft verloren. Was bedeutete für ihn, der sich so sehr verunreinigt wußte, noch eine äußere Verunreinigung durch das Grab! Was sollte ihm noch die Stellung eines „reinen” Juden, nachdem er seinen HERRN verleugnet und Ihn verloren hatte! Aber der HERR ließ Seinen Petrus nicht!
Finden wir in Petr. Geschichte nicht unser eigenes Herz und Erleben wieder?
v. d. K.

Anmerkung des Schriftleiters

Es ist auch schon gesagt worden, Johannes sei der jüngere gewesen und deshalb habe er schneller laufen können. Aber ich glaube, dass der in Antwort A angegebene Grund weit mehr Berechtigung hat, denn mochte Petrus auch schon älter sein - er war doch überall sonst voran gewesen, und er verleugnete diesen Charakterzug auch nicht nach seiner Wiederherstellung: Joh. 21,7f. (denn aus 1. Kor. 15,5a geht hervor, dass der HERR auch einmal ihm allein erschienen ist, woseine Wiederherstellung in seiner persönlichen Stellung zum HERRN geschah - gegenüber der in seiner Stellung zu den übrigen Jüngern, Joh. 21,15ff.). Aber damals am Ostermorgen war für ihn der Stein noch nicht weggewälzt, d. h. der Stein, den er tragen mußte, bis der treue HERR ihn würdigte, vor Seinem Angesicht sich beugen zu können. Doch fing seine innere Beugung schon an, da er nach dem letzten Hahnenschrei und dem Blick des HERRN im Richthaus aus dem Hofe ging und bitterlich weinte (Mt. 26,75; Mk. 14,72; Lk. 22,61.62).

Welche Stunden: jene, wo Johannes und Petrus zusammen im Hofe des Hohenpriesters weilten und wo nur Petrus mit dem Munde voran war, seinen HERRN zu verleugnen, weil auch nur er voran war darin, am „Kohlenfeuer” sich zu wärmen (vgl. meinen Aufsatz in voriger Lieferung!) - und diese am Auferstehungsmorgen, da die gleichen Jünger ihren geliebten HERRN suchten, wo „der andere Jünger” voran war! Wie ungleich hoffnungsreicher diese letztere, da der Sieg über die Gewalt der Finsternis errungen war und der auferstandene Siegesheld, den geliebten Seinen freilich noch unsichtbar, die beiden durch Maria Magdalenens Botschaft zur größten Eile angespornten zur Gruft laufenden Unzertrennlichen sah, und Seinen Petrus nicht an der Spitze! O Petrus, nicht lange mehr - und du nahmst deinen alten Platz ein durch die unendliche Gnade Dessen, der dich geliebt und Sich Selbst für dich hingegeben!

Welche unfaßbare Gnade und Herrlichkeit, Sein Eigen sein und unter Seiner nimmermüden Geduld und Treue wandeln zu dürfen bis zur Heimat!


Beantwortet von: Team Handreichungen
Quelle: Handreichungen - Band 8 (1921/22)