Antwort A
Bei der Beantwortung dieses Wortes ist zu beobachten, dass das „Reich der Himmel” einer ganz bestimmten Zeitperiode angehört und damit auch einen ganz bestimmten Charakter hat.
Das Matthäusevangelium enthält, was die Zeitperiode anbelangt, ein dreifaches Zeugnis (vergl. Kap. 3,2; 4,17 und 10,7), wonach das Reich der Himmel als eine demnächst beginnende Zeitperiode gekennzeichnet wird.
Die Bezeichnung Reich „der Himmel” gibt auch den besonderen Charakter an und besagt, dass die Macht dieses Reiches, wenn es ausgerichtet ist, ihren Sitz in den Himmeln hat, wodurch zugleich auch die Verwerfung des Königs und Sein Sitzen zur Rechten Gottes angedeutet wird. Im einzelnen wird der Charakter dieses Reiches nach zwei Seiten hin im 13. Kapitel des Matthäusevangeliums vom HERRN Selbst gezeichnet, und zwar in seiner äußeren und inneren Gestaltung.
Über den Eingang in dieses Reich gibt der Herr Jesus in Joh. 3,3-5 eine überwältigend klare Belehrung, die Belehrung von der neuen Geburt und in Verbindung hiermit von der Gabe des Heiligen Geistes. Bei dieser neuen Geburt oder bei dem Eingehen in diesem Reich, was nur geschehen kann, wenn das Wort in der Kraft des Heiligen Geistes unseren Seelen nahe gekommen ist und wir so eines Lebens und einer Natur teilhaftig geworden sind, die einem solchen Reiche entsprechen, handelt es sich im letzten Grunde um die Unterwerfung von Seelen unter Christum, der Sich jetzt zur Rechten Gottes (in den Himmeln) befindet. (Vergl. Lk. 18,17.)
Was nun den Beginn oder die Aufrichtung dieses Reiches betrifft, gibt Lk. 16,16 eine außerordentlich klare Belehrung. „Das Gesetz und die Propheten waren bis auf Johannes; von da an wird das Evangelium des Reiches Gottes verkündigt.” Mithin stand Johannes außerhalb dieses Reiches bezw. dieser Zeitperiode. Er, der größer war als alle Propheten, indem er das Vorrecht hatte, direkt auf den unter Israel weilenden König hinzuweisen, war doch kleiner als der Kleinste in dem „von da an” kommenden Himmelreich.
Die Stellen in Lk. 21,29-31 und Apg. 1,3 in Verbindung mit Apg. 2,33-36 belehren uns klar, dass das Reich der Himmel zur bestimmten Zeit am Tage der Pfingsten durch das Zeugnis des vom Himmel herniedergesandten Heiligen Geistes eingeweiht wurde.
Die Worte in Mt. 11,12: „Gewalttuende reißen es an sich” und in Lk. 16,16: „und jeder dringt mit Gewalt hinein”, will wohl die Tatsache feststellen, dass das Zeugnis von diesem Reiche einen jeden auf die Probe stellt. Hierzu mag nur das Wort aus dem Munde des HERRN in Lk. 14,25-27 in innerer Stille und Sammlung gelesen werden oder das vom reichen Jüngling in Mt. 19,16ff., Worte, welche klar bezeugen, dass zum Eingang in das Reich der Himmel jene heilige Energie des Glaubens nötig ist, die jedes Hindernis besiegt, um völlig für Den da zu sein, der ein unbedingtes Anrecht auf alle die Seinigen hat.
W. W.
Antwort B
Johannes war nicht größer seiner persönlichen Hingabe oder Treue wegen als alle von Weibern Geborenen, sondern der Stellung und des Dienstes wegen: vor dem Angesicht des HERRN herzugehen (Vers 10). Wer von Weibern Geborenen hat einen solchen Auftrag gehabt, auf wen ist solch hohe Würde gelegt?! Aber größer als er ist der, welcher im Reiche der Himmel ist. Dazu war neue Geburt, Leben aus Gott nötig. Deren Berufung und die diesen verliehene Herrlichkeit war nicht zu vergleichen mit der Herrlichkeit derer im Alten Bunde.
Der Vergleich der Größe liegt nicht auf der Linie der persönlichen Hingabe oder Treue, sondern auf der des verliehenen Dienstes und der Stellung und der damit verliehenen Würde.
Ein neues Zeitalter, eine neue Verwaltungsperiode der Wege Gottes begann. Das Zeitalter des Gesetzes und der Propheten war „bis” auf Johannes (Lk. 16,16), von da an begann ein neues Zeitalter, das der Gnade. Die Güte Gottes bedeckt die, welche dieser Verwaltungsperiode angehören, mit Segnungen und Würden (Könige und Priester usw.), die so groß sind, dass der Kleinste im Reiche der Himmel größer ist als der Größte der früheren Zeitalter, der dies Reich mit seinen Segnungen nur ankündigte.
Das Reich war noch nicht aufgerichtet, es war zunächst nur erst in der Person des Königs da und in der Verkündigung. Dadurch aber war der Weg für jeden geöffnet, in das Reich einzugehen und dem König zu huldigen. Die Führer des Volkes wollten Ihn aber nicht als König und nannten Ihn Beelzebub (Mt. 10,25). Sie versperrten gleichsam den Weg zum König und damit zum Eintritt in die Untertanenschaft Seines Reiches. Kap. 10,28ff. zeigen uns etwas von den Dingen der Wegsperrung; der HERR ermutigt sie, die Furcht vor dem Tode und den Verlust von Vater und Mutter zu überwinden. Wenn ein solcher Widerstand zu überwinden war, um in das Reich einzugehen, so verstehen wir, dass Gewalttuende es an sich reißen. Es ist ein Kampf, der der ganzen Gewalt und Kraft des Glaubensansturms bedurfte und heute noch bedarf!
v. d.. K..
Anmerkung des Herausgebers
Der unseres Erachtens durchaus unrichtigen Übersetzung der Miniaturbibel: „Gewalttäter berauben es” liegt vielleicht die Vorstellung zugrunde, dass die Gewalttäter die Pharisäer und Schriftgelehrten sind, die durch ihre wegversperrende Tätigkeit das Himmelreich schädigen, indem sie es um solche Menschen berauben, die gerne hineingehen möchten (vergl. Mt. 23,13). - Wir glauben dagegen, dass der Satz so zu übersetzen ist: „... bis jetzt dringt das Himmelreich mit Gewalt herein (d. h. das Alte wird mit Gewalt verdrängt und das Neue nimmt dessen Platz ein), und die Gewalttuenden” (Stürmer!) - und nur diese! - „reißen es an sich.” Dazu würde der weitere Verlauf des Kapitels auch passen: „Dieses Geschlecht” (Vers 16) ergreift es nicht, aber „den Unmündigen ist es geoffenbart” (V. 25) und „die Mühseligen und Beladenen” kommen zu Ihm! (V. 28.)