Antwort A
„Obadja fürchtete Jehova sehr”, so berichtet das Wort, und das allein ist ja maßgebend, auch für die Beurteilung der Person des Obadja. Er hat nicht nur eine äußere formelle Kenntnis von dem lebendigen Gott, sondern steht zu Ihm in einer Beziehung, in der er Ihn sehr fürchtet; Obadja muss demgemäß als ein „Gläubiger” betrachtet werden.
Was die Gottesfurcht anbelangt, so wird von ihr gesagt, dass sie der Weisheit Anfang sei (Sprüche 9,10). Obadja war demgemäß zum mindesten ein Anfänger im Glauben, wobei er sogar soweit kam, dass er denen beistand, die um des Namens Jehovas willen verfolgt wurden; er nahm hundert Propheten und versteckte sie, je fünfzig Mann in einer Höhle, und versorgte sie mit Brot und Wasser.
Von der Gottesfurcht wird aber des weiteren gesagt: „Die Furcht Jehovas ist: das Böse hassen” (Sprüche 8,13) und in Sprüche 3,7: „Fürchte Jehova und weiche vom Bösen”. Hier gab es für Obadja ein „Halt”, ebenso wie es heute noch leider bei vielen Gläubigen ein „Halt” gibt.
Obadja bleibt in Verbindung mit dem religiösen Ahab, der für seine Person mit den Propheten des Baal in Verbindung steht, nicht aber mit Jehova, dem lebendigen Gott, und der an der Spitze Israels, des Volkes Gottes, steht, nichtsdestoweniger aber ein Abtrünniger ist. In dieser Verbindung finden wir Obadja, und warum wohl? - Er war der Verwalter des Palastes Ahabs, er war einer der höchsten Beamten an seinem Hofe. - Die Aufgabe dieser Stellung hätte pekuniäre Folgen gehabt.
Der Wandel des gläubigen Obadja war nicht treu; er war untreu, indem er nicht die Energie des Glaubens und Vertrauens, vor allem nicht die Ehrfurcht besaß, um sich von dem religiösen und doch gottlosen Ahab zu trennen. Obadja war von Ahab abhängig, und das war das Übel. Er hatte Ahab zum Herrn, weshalb er sich nicht über die Befehle seines Herrn hinwegsetzen konnte; auch konnte er nicht durch seinen Wandel das Gegenteil von dem bezeugen, was sein Glaube ihn lehrte. Das Bündnis mit Ahab führte ihn notwendigerweise dahin, dass er das richtige Urteilsvermögen bezüglich dessen, was jener eigentlich war, ein Abtrünniger, der alle seine Kräfte aufbot, um durch die Pläne menschlicher Weisheit eine Aufhebung des Gerichtes Gottes herbeizuführen, verlor und mit Ahab torheitsvolle, ungöttliche Wege ging.
Statt sich zu beugen und den Namen Jehovas anzurufen, dass Er gnädig sei, gehen sie beide, Ahab der „Religiöse” und Obadja der „Gläubige”, denselben Weg, den Weg der Selbsthilfe. - Die traurige Folge der falschen Verbindung!
Vor dieser erschütternd ernsten Tatsache sollten wir sinnend stille stehen und uns beugen, wo es notwendig ist. Wie oft wird der Name des HERRN verunehrt durch einen untreuen Wandel, indem man sich scheut, vom Bösen zu weichen, und zurückschreckt, wenn es sich darum handelt, Ahab, den Religiösen, den Abtrünnigen aufzugeben.
Obadjas Weg war kein Weg im Sinne von Ps. 32,8, er war kein Weg der Unterweisung, kein Weg der göttlichen Belehrung, kein Weg, auf dem das Auge Jehovas ratend auf ihn gerichtet war, es war vielmehr ein Weg im Lichte bezw. in der Finsternis Ahabs, seines Herrn. Obadja wandelt bei all seiner Gottesfurcht im Dunkel, in Verblendung, und dies infolge seiner Untreue; er sah das Licht Gottes nicht mehr.
Wie manche Kinder Gottes wandeln im Dunkel, aus dem einfachen Grunde, weil sie bei irgendwelcher früheren Gelegenheit dem ihnen gewordenen Lichtstrahl gegenüber nicht treu waren im dementsprechenden Wandel; der zweite Lichtstrahl muss dann selbstverständlicherweise ausbleiben, statt dessen tritt Umdunkelung und Verblendung ein.
Die Kinder Gottes, die wie Obadja „das Land mit Ahab teilen”, um da Wasser und Futter zu suchen, offenbaren in ihrem Wandel die Grundsätze des religiösen und doch gottlosen Königs und laden die Verantwortlichkeit dafür auf sich.
Nun der zweite Teil der Frage, das Verhalten des Elia Obadja gegenüber: Gott fügte es, dass Elia dem Obadja auf seinem eigenen Wege, dem Wege der Verdunkelung, entgegenkommt. Das war die Treue und Liebe Gottes.
Obadja kennt auch den Elias, und nicht nur dies, in seiner Gottesfurcht erkennt er ihn auch an als den Diener Jehovas und fällt vor ihm auf sein Angesicht.
Es ist eine liebliche Sache, wenn gläubige Brüder nach einer gewissen Zeit der Trennung sich wiederfinden, Auge in Auge, und grüßen sich nach 1. Petr. 5,14 mit dem Kuß der Liebe.
Bei dieser Begegnung jedoch ist die Sache eine ganz andere. Elias lässt es den Obadja fühlen, und zwar in nicht mißzuverstehender Deutlichkeit, dass zwischen ihm und ihm eine Kluft sei, dass er, Elia, unter dem Herrn Jehova stehe, Obadja dagegen unter dem Herrn Ahab.
Elia bewegt sich bei dieser seiner Handlungsweise ganz und gar auf dem Boden des Neuen Testaments als einer, der den Geist Gottes hatte. Beachten wir nur Stellen wie 2. Thess. 3,6, wo von Zurückziehen, Apg. 19,8.9 von Trennen, 1. Kor. 5,11-13 von Hinaustun die Rede ist.
Leider werden diese biblischen Ordnungslinien für das Haus Gottes wenig verstanden und gewürdigt und meist unter mißbräuchlicher Berufung auf 1. Kor. 13 und falscher Auffassung von der dort angeführten „alles ertragenden Liebe”.
Lassen wir uns auch durch das durchaus göttliche und korrekte Verhalten des Elia dem Obadja gegenüber erneut in das heilige Gleichgewicht des Wortes und damit der Gedanken Gottes leiten!
W. W.
Antwort B
Der Gläubige hat in seinem Wandel drei Seiten zu beachten:
- Seine Stellung zu Gott.
- Seine Stellung zu den Brüdern.
- Seine Stellung zur Welt.
Da wir es hier mit zwei Persönlichkeiten des Alten Bundes zu tun haben, wollen wir ihr Verhalten vor allem prüfen im Lichte des Gesetzes, das beiden bekannt war. Die klaren Anweisungen desselben werden noch für uns, die wir in der Wirklichkeit und nicht im Schattenbilde leben, bedeutend erhellt durch die Aussprüche des Heiligen Geistes im Neuen Testament.
1. Die Stellung Elias und Obadjas zu Jehova war durch die Opfer und den Dienst im Hause des HERRN vollständig geregelt. Von seiten Jehovas waren sie beide in die gleiche Stellung gebracht als Glieder Seines Volkes und waren derselben Segnungen teilhaftig. Gott hatte sie beide in die bevorzugteste Stellung gebracht, die ihnen in damaliger Zeit werden konnte. Hinsichtlich des Grundes, der in ihnen gelegt war, waren sie vollständig gleich. Jehova Selbst hatte die Beziehungen zu ihnen geordnet. Obadja war (in neutestamentlicher Sprache) ein Kind Gottes. Er war sich seiner Stellung auch bewußt, denn er fürchtete den HERRN sehr. Er hatte einen Anfang gemacht, denn die Furcht Gottes ist der Weisheit Anfang. Psalm 111,10; Spr. 1,7.
Für uns die Parallele: 1. Kor. 3,11.
2. Die kostbare Stellung, in der sich Elia und Obadja befanden, verpflichtete beide zu einem standesgemäßen Wandel. Die Heiligkeit Gottes, die mit Sünde nicht vereinbar ist, sollte ihnen ein Antrieb sein, sich von allem Greuelwesen zu scheiden.3. Mose 11,44.45;3. Mose 19,19;2. Mose 34,15.16; 5. Mose 7,1-8; 5. Mose 22,9-11.
Wie verhielten sich nun beide zu dem empfangenen Lichte?
Elia war gehorsam! darum war auch sein Wandel ein heiliger. Im Glauben wußte er, was Gott in der Scheidung von dem Bösen von ihm fordern konnte. 1. Kön. 18,21-40 zeigt uns, wie scharf er die Grenze zu ziehen wußte. Er hatte von Mose gelernt, der „treu war in seinem ganzen Hause” (2. Mose 32,15-29; Hebr. 3,5). Dieser einfache Gehorsamsweg ist der Weg biblischer Heiligung. Elia ging diesen Weg im Glaubensgehorsam. Er sah nicht an, was vor Augen war, sondern glaubte. Obadja tat das Gegenteil. Er glaubte nicht, das heißt, er traute dem HERRN nicht zu, dass Er ihn zu erhalten vermöge, sondern sah an. Dieses Schauen nach unten war schon bei Eva der Grund zur Sünde. Ebenso ging Lot aller Segnungen verlustig und wurde nur wie ein Brand aus dem Feuer gerettet, weil er anschaute. Seine Gotteskindschaft blieb unangetastet. Aber welchen Schaden musste er erleiden?! Er wurde nicht gesegnet und war nicht zum Segen für andere. Anders Abraham. Er sah nicht an, sondern glaubte wider die Vernunft. Röm. 4,18-22. Darum segnete ihn der HERR und setzte ihn zum Segen. Welch ein Unterschied! So auch bei Elia und Obadja.
Obadja war ungehorsam! Die klaren Anweisungen Jehovas beachtete er nicht, weil er dann seine Stellung am Königshofe hätte aufgeben müssen, ja, hätte ein Gegner des ganzen Greueldienstes und seiner Anstifter werden müssen. Doch das war ihm zu viel. Er schaute an, dass es sich am Königshofe gut leben ließe, wenn man nur ein Auge zudrückte und es nicht so genau nähme. Im stillen konnte man ja dem HERRN dienen. Wie viele solcher Stillen gibt es, die dem HERRN Schmach und Unehre bereiten, weil sie Ihn nicht bekennen! Obadja wandelte nicht im Lichte, hatte also keine Lichts- und Salzkraft. Elia war ein Kind des Lichtes und wandelte im Lichte. Die Grundlage war bei beiden dieselbe. Im Wandel hatten sie aber gar nichts gemein. Das Erscheinen Elias löste bei Obadja keine Freude, sondern das Gegenteil aus. Hätte Obadja einen Wandel im Lichte geführt, so hätte er schon vorher auf seiten Elias stehen müssen bezw. sich über die Ankunft Elias freuen müssen mit großer Freude und in inniger Bruderliebe. Siehe Joh. 1,7a. - Dann hätte auch Elia aus dem innersten Herzensbedürfnis heraus ihn gegrüßt mit dem Kuß der Liebe. Da sie aber keinerlei Gemeinschaft im Wandel hatten, wäre es von Elia Ungehorsam und Heuchelei gewesen, als der im Lichte Wandelnde den in der Finsternis Handelnden mit dem innigsten Zeichen der Liebe zu grüßen. Er beachtete vielmehr im Glaubensgehorsam das Beispiel und Vorbild, das Mose in seinem gerechten Eifer für den HERRN gegeben hatte und erfüllte damit den Willen des HERRN, den der Geist in 2. Thess. 3,6 uns Kindern Gottes im Neuen Bunde so klar ausgedrückt hat. Die Liebe zum HERRN, der Eifer für Seine Ehre und der Gehorsam gegen Seine Gebote waren die Richtschnur für das Verhalten Elias gegen Obadja. Sein klarer Blick wurde nicht durch eine süßliche Honigliebe getrübt. - Die Liebe ist nicht zuchtlos, sondern voll glühenden Eifers. Man halte nicht schwächliches Nachgeben und fromme Wünsche des Fleisches für Liebe! Die Liebe zu Gott und den Brüdern hält Seine Gebote. 1. Joh. 5,2.3. Und eines dieser Gebote ist 2. Kor. 6,14-18!
3. Auch die Rücksicht auf die sehr ausgebreiteten Geschlechter der Kanaaniter musste Elia bewegen, sich nicht mit der unklaren Stellung Obadjas einverstanden zu erklären. Wollte Elia ein klares Zeugnis ablegen, dann durfte er vor der Scheidung nicht zurückschrecken. Hätte er durch seine ablehnende Haltung dem nicht eine Lektion erteilt, der Licht vom HERRN hatte, wie hätte er dann die Baalspriester töten können, die dieses Licht nicht besaßen? Es musste Obadja zum Bewußtsein gebracht werden, dass er kein Zeugnis war. (1. Kor. 14,8.)
Wer baute auf dem gleichen Grunde besser? (1. Kor. 3,11-15.) - Auf wen konnte der HERR mit Wohlgefallen blicken? Auf den grassuchenden Obadja in Verbindung mit dem Greuelkönig Ahab, oder auf den Glaubensmenschen Elia, den Er im feurigen Wagen gen Himmel holte?
K. G.
Anmerkung des Schriftleiters von Teil I
Der letzte Teil der Frage mag manchem etwas absonderlich vorkommen. Denn, wenngleich - wie ich in Frg. 42 im Jahrbuch I ausgeführt habe - der Kuß, wie er im Morgenlande Sitte war und ist, auch bei den Juden gebräuchlich war (vergl. z. B. 1. Mose 29,11.13, 2. Mose 4,27 [Kuß der Arbeitsgemeinschaft?]; 1. Sam. 20,41; 2. Sam. 20,9; 1. Kön. 19,20; Spr. 27,6; Hohel. 1,1.2 usw.), so besteht m. E. der Kuß als Ausdruck der brüderlichen Geistesgemeinschaft doch wohl lediglich auf dem Boden des Neuen Testaments. Der einfache Grund dafür ist der, dass - wenn es auch alttestamentliche Gläubige und Heilige des Alten Bundes, ja, auch Brüder im Sinne der Volksgemeinschaft gab - im Alten Testament noch nicht die Familienbeziehung der Gotteskindschaft bestand, noch nicht bestehen konnte, weil auf dem Boden des Gesetzes Gott Sich noch nicht als Vater in Christo offenbart hatte (vergl. Frage 4).
Dennoch stimme auch ich im wesentlichen ganz durchaus der in den obigen Antworten ausgesprochenen Ansicht bei, dass Elia dem Obadja gegenüber sich kühl, ja streng verhielt. Das konnte eben nicht anders sein, da keine Weggemeinschaft zwischen diesen beiden Männern bestand. Wohl waren beide (alttestamentliche) Gläubige, sicher gehörte Obadja zu den siebentausend, die Jehova sich hatte übrig gelassen, die ihre Knie nicht vor Baal gebeugt hatten, sicher war Obadja ein Eigentum des HERRN, wie im Neuen Testament die Wiedergeborenen, die Kinder Gottes - dennoch dienten sie in ihren persönlichen Wegen, in ihrer persönlichen Verantwortlichkeit verschiedenen Herren! Bei dem Auftrag des Elia hätte Obadja Gelegenheit gehabt, seinen bisher verborgenen Glauben zu zeigen und offen auf Jehovas Seite zu treten; er bestand die Probe nicht. Welch Herzensverhältnis konnte da zwischen dem aufrechten Gottesmann Elia und dem sich vor Menschen bückenden Hofmann Obadja bestehen? Wie anders das Verhältnis zwischen Elia und Elisa! (2. Kön. 2.) Da war Herzensgemeinschaft, wenn auch ohne den neutestamentlichen Kuß der Liebe.
Die Belehrung in den schönen Antworten A und B ist sehr ernst und sollte wohl von uns allen beherzigt werden. Wenn es aber dabei bleibt, dass wir uns nur belehren lassen, ohne durch die Belehrung erbaut zu werden, dann ist wenig erreicht. 2. Tim. 3,16.17: „Alle Schrift, von Gott eingegeben, ist nütze zur Belehrung, zur Überführung, zur Zurechtweisung, zur Unterweisung, nämlich zu der in der Gerechtigkeit, auf dass der Mensch Gottes sei zu jedem guten Werke völlig geschickt.” Möchte es dem HERRN durch Seinen Geist gelingen, diese Frucht auch in den Lesern dieser Antworten hervorzubringen! Dass unser Leben nur nicht so sei, dass wir halb mit der Welt in moralischer oder religiöser Hinsicht verbunden bleiben und halb auf des HERRN Seite, der uns erlöst und erkauft hat, zu wandeln begehren (1.Thess. 1,9.10). lasst uns nicht „neutral” bleiben, nicht schielen in unserem christlichen Wandel und Zeugnis! Er ist es wert, dass wir ganz für Ihn sind, wie Er ganz für uns war und ist. Möchten wir alle die „Gnade haben, Gott wohlgefällig zu dienen” (Hebr. 12,28) wie solche, die als Pauli Nachahmer (Phil. 3,17a) nur ein Ziel im Auge haben (Phil. 3,14) und nur einem Herrn sich unterworfen wissen (Eph. 4,4-6) und darum mit allen denen, die also gesinnt sind, in inniger Herzensgemeinschaft vorangehen nach Apg. 2,42!