Antwort
Zu a:
In den „Handreichungen”, Bd. 6 (1918/19), S. 104ff., ist die Frage beantwortet: „Welche Stellung nehmen die alttestamentlichen Gläubigen zur Gemeinde Gottes ein; gehören sie dazu, oder nicht ...?” Dazu lesen wir in Antwort A: „... Es gibt Segnungen, die für alle Heiligen (Alten und Neuen Testamentes) gemeinsam sind: Alle sind auf dem Grunde des Glaubens errettet, die Schuld aller ist gesühnt durch Sein Blut, und alle werden der Auferstehung des Lebens teilhaftig ... Eine andere Frage ist die der Stellung und des Segensloses oder Segenskreises. Da belehrt uns das Wort Gottes deutlich, dass es verschiedene Familien- und Segenkreise gibt. Ein ganz besonderer Segenskreis ist durch die Unumschränktheit Gottes Seiner Gemeinde zugeteilt. Die verschiedenen Segenskreise finden wir z. B. in Stellen wie Eph. 3,15, da wird von den verschiedenen Familienkreisen gesprochen; in Hebr. 12,23 spricht der Heilige Geist von der Versammlung der Erstgeborenen, worunter ohne Zweifel die entschlafenen Heiligen der Gemeinde zu verstehen sind, wogegen der Ausdruck ‚die Geister der vollendeten Gerechten‘Bezug hat auf die alttestamentlichen Heiligen, so dass wir genaue Unterschiede zwischen den alt- und den neutestamentlichen Heiligen finden.” Und in Antwort B lesen wir: „Die alttestamentlichen Heiligen gehören nicht zur Gemeinde Gottes, denn diese Gemeinde, ‚die da ist Sein (Christi) Leib‘ (Eph. 1,23), ist erst am Pfingsttage gegründet, wie aus vielen Stellen, wie z. B. auch aus 1. Kor. 12,13, hervorgeht, während die Belehrung darüber, aus wem diese Gemeinde gebildet ist, erst dem Apostel Paulus zur Verwaltung anvertraut war. (Vgl. Eph. 2 und 3!)” Diese Ausführungen entsprachen nach unserer Überzeugung der Heiligen Schrift und geben uns zu a) unserer Frage die klare Antwort: Der „Leib Christi” (die Gemeinde) ist zuPfingsten ins Dasein getreten. Die alttestamentlichen Heiligen gehören nicht dazu. - Das zeigen uns auch noch andere Stellen, z. B. die Worte des Herrn Jesus Mt. 16,18: „... auf diesen Felsen will Ich Meine Versammlung (Gemeinde) bauen.” Der HERR spricht von Seiner Gemeinde als etwas Zukünftigem; sie war noch nicht vorhanden. Oder Eph. 2,20, wo in bezug auf den „Bau”, der - wie wir wissen - die Gemeinde Gottes ist, gesagt ist: „... aufgebaut auf die Grundlage der Apostel und Propheten”, woraus sich ebenfalls klar ergibt, dass die Gemeinde unter dem Alten Bunde nicht bestand, sondern erst mit den Aposteln und (neutestamentlichen) Propheten ihren Anfang nahm. Diese Tatsache schließt zugleich die andere in sich, dass die alttestamentlichen Heiligen nicht zu dem „Leibe Christi”, der Gemeinde, gehören.
Zu b:
Zu dieser und zur nächsten Frage (c) finden wir in Band 12 der „Handreichungen” (1927) wertvolle Ausführungen. Zu beachten ist zu den Eph. 2 und 3 berührenden Punkten der Frage, dass von Kap. 2,11 bis Kap. 3,11 der Apostel die herrliche Tatsache ans Licht stellt, dass die Gemeinde aus dem Volke Israel und aus den Nationen heraus gebildet ist. Von diesem Gesichtspunkte aus ist alles in diesen Versen Gesagte zu betrachten. Er redet in diesem Abschnitt ausschließlich zu den Gläubigen aus den Nationen - „... ihr, einst die Nationen im Fleische ...” (V. 11) - und zeigt ihnen, nachdem er vorher festgestellt hat, dass alles nur durch die Gnade und nur Gottes Gabe ist und niemand sich rühmen kann, was diese Gnade an und mit ihnen getan und in welche Stellung sie sie gebracht hat, indem er - unter Gegenüberstellung zu Israel - sie zunächst an ihr hoffnungsloses „Einst” erinnert (V. 12) und dann ihnen ihr gesegnetes „Jetzt”, zusammen mit denen aus Israel, vorstellt. - Nun zu der Frage, warum Eph. 2,12 Israel erwähnt wird:
Da müssen wir erst einmal zu verstehen suchen, was „Bürgerrecht Israels” bedeutet. Das mit „Bürgerrecht” übersetzte Wort des griechischen Textes finden wir nur noch einmal im Neuen Testament: Apg. 22,28. (Nicht Eph. 2,19 und nicht 1. Petr. 2,11. In diesen beiden Stellen steht ein Wort, welches einen Menschen bezeichnet, der nicht Glied des Volkes ist, unter dem er sich befindet, also nicht die Rechte eines Bürgers besitzt, sondern nur das ist, was wir im Alten Testament mit „Beisasse” bezeichnet finden, wie 1. Mo. 23,4: „Ich bin ein Fremdling und Beisasse bei euch”; 2. Mo. 12,45: „Ein Beisasse und ein Mietling soll nicht davon essen” u. a. m.) Apg. 22,24-29 sehen wir, dass der festgenommene Paulus mit Geißelhieben ausgeforscht werden sollte, aber durch seinen Hinweis darauf, dass er ein Römer sei, davor bewahrt blieb. „Ein Römer” bedeutete hier, dass Paulus das römische Bürgerrecht besaß, und als römischer Bürger hatte er gewisse Vorrechte: Er durfte nicht ohne Untersuchung gefesselt werden, durfte nicht gegeißelt werden, war vor schimpflicher Todesstrafe geschützt, hatte das Recht, in seiner Streitsache den Kaiser anzurufen (was er auch später getan hat: Apg. 25,11. Siehe auch Apg. 16,37.38. An diesem Beispiel sehen wir etwas von der Bedeutung des Wortes „Bürgerrecht”. Es bedeutet: Zugehörigkeit zu einer Volksgemeinschaft, Gliedschaft in einem Volkskörper, mit den dem Zugehörigen zustehenden Rechten. Das römische Bürgerrecht - und wohl auch manches andere - konnte durch Geld oder andere Leistungen erworben werden; das „Bürgerrecht Israels” aber war nicht so zu erwerben; Israel war das Volk Gottes, und das „Bürgerrecht” desselben im Sinne unseres Schriftwortes setzte wirkliche Zugehörigkeit zum Volke Gottes voraus. - Hieran schließt sich der Gedanke an die „Bündnisse der Verheißung”. Diese sind ebenfalls Israel gegeben. - Wenn nun auch Israel gefehlt und dadurch jedes aus den ihm gegebenen Verheißungen herzuleitende Recht Gott gegenüber verloren hat und es ebenso wie die Nationen allein auf die Gnade Gottes angewiesen ist, so sagt doch Gottes Wort, dass „die Gnadengaben und die Berufung Gottes unbereubar” sind (Röm. 11,29) und lehrt uns, dass Er Sich an Seine Verheißungen gebunden hält und sie erfüllen wird, wenn Israel zu Ihm umkehren wird. (Röm. 11,23.25-32) Es war und ist von dem Volke Israel immer ein „Überrest” da, und es wird ein solcher bis zum Ende immer da sein (Röm. 9,25-29; 11,5), und für diesen bleiben das „Bürgerrecht” und die „Bündnisse der Verheißung” immerfort bestehen (für die jetzige Zeit der Gemeinde in himmlischer bzw. geistlicher Beziehung). Die Nationen aber hatten das nicht, wußten nichts davon; sie waren diesem „Bürgerrecht Israels” entfremdet und „Fremdlinge betreffs der Bündnisse der Verheißung”. Das gehört mit zu dem hoffnungslosen „Einst” derer aus den Nationen - dem traurigen Zustand vor ihrer Bekehrung -, bezieht sich also auf die Zeit, zu welcher sie noch nicht zu der Gemeinde gehörten, so dass das dem Apostel Paulus geoffenbarte Geheimnis der Gemeinde durch die Eph. 2,12 erfolgte gegenüberstellende Erwähnung Israels überhaupt nicht berührt wird.
Zu c:
Der Apostel sagt: „Also seid ihr denn nicht mehr Fremdlinge und Beisassen (solche, die kein Bürgerrecht besitzen), sondern ihr seid Mitbürger der Heiligen.” Sie teilten also nun das Bürgerrecht der anderen Heiligen, d. h. - um im Bilde des unter b) hierzu Gesagten zu reden - waren nun Bürger des Gemeinwesens, Glieder des Volkes geworden, welches die Heiligen bilden. Wir wissen, dass es sich hierbei nicht um ein geographisch oder rassisch abgegrenztes Volk auf der Erde, sondern um ein geistliches Volk handelt, und glauben, dass der Apostel im Einklang mit dem ihn hier beschäftigenden Gegenstand dabei das Volk Gottes im Auge hat, welches die aus Juden und Heiden gebildete Gemeinde ist und dessen Bürgertum nach Phil. 3,20 „in den Himmeln” ist. Wenn dem so ist - wie wir glauben -, sind die Eph. 2,19 erwähnten „Heiligen” die zur Gemeinde gehörenden Gläubigen ausIsrael. Auch hier, wie vorher und nachher, ist es die Gegenüberstellung von denen aus Israel und denen aus den Nationen.
Zu d:
Diese Frage hat eigentlich in obigem ihre Beantwortung mit gefunden, da die Verse bis Kap. 3,11 den von Kap. 2,11 an behandelten Gedanken weiter entwickeln. Die Antwort ist also: Mit denen aus Israel. Das ergibt der ganze Zusammenhang, wie schon oben gesagt, von Kap. 2,11 an. Die Gemeinde ist gebildet aus Juden und Heiden heraus - das ist die herrliche Tatsache, das Geheimnis, welches dem Apostel durch Offenbarung kundgetan worden war. (3,3) Die Juden waren „die Nahen”, die aus den Nationen „die Fernen”. (2,13.17) Die „Zwischenwand der Umzäunung” und die „Feindschaft”, „das Gesetz der Gebote in Satzungen”, hat Er hinweggetan durch Seinen Tod am Kreuze; Er hat aus beiden eins gemacht und sie in Sich Selbst zu einem neuen Menschen geschaffen. (2,14.15) „Durch Ihn haben beide den Zugang durch einen Geist zu dem Vater” usw. (2,18ff.), und „die aus den Nationen” sind nun „Miterben”, „Miteinverleibte” (wörtlich „Mitleib”) und „Mitteilhaber Seiner Verheißung in Christo Jesu”. (3,6) Wir wissen, dass Israel das auserwählte irdische Volk Gottes ist und ihm in erster Linie „die Verheißung in Christo Jesu” gegeben war. Darum sagte auch der Herr Jesus: „Ich bin nicht gekommen, als nur zu den verlorenen Schafen des Hauses Israel” (Mt. 15,24), und darum wurde das Evangelium im Anfang immer zuerst den Juden verkündet: „... allen Nationen, anfangend von Jerusalem” (Lk. 24,47); Apg. 1,8b; 2,14; 13,46; Röm. 1,16; 2,10. Daher sind die aus Israel ohne Zweifel in erster Linie die „Erben”, die, aus denen der „Leib” zuerst gebildet wurde (Apg. 2,1-4), und „Teilhaber seiner Verheißung in Christo Jesu”; und die aus den Nationen sind ihnen in allem gleichgemacht - sind „Mit erben”, „Mit leib” und „Mit teilhaber seiner Verheißung in Christo Jesu”. Gepriesen sei Er dafür
Zu e:
Wenn wir Gal. 3,29 als „Abrahams Same” bezeichnet werden, bedingt das nicht, dass Abraham zur Gemeinde zu zählen sei, was nach unserer Feststellung gleich zu Anfang (dass die alttestamentlichen Heiligen nicht zu der Gemeinde gehören) nicht der Fall ist, sondern besagt nur, dass wir als solche, die „Christum angezogen” haben und infolgedessen in Ihm gesehen werden, Der nach Vers 16 Abrahams verheißener Same ist, Dem die Verheißungen zugesagt waren - dass wir also als solche als „Abrahams Same” gerechnet werden und „nach Verheißung Erben” sind. (Wie Abraham Röm. 4,16 „unser aller Vater” genannt wird, weil wir des Glaubens Abrahams sind.)
In Abraham finden wir nicht die Gemeindelinie, sondern die Glaubenslinie, welche sich durch die ganze Heilige Schrift hindurchzieht und auf der alle Erlösten stehen. - Wie herrlich ist diese schriftgemäße Tatsache! -
Th. K.