Antwort A
Man kann wohl unbedenklich auf den letzten Teil der Frage mit „Ja” antworten. „Waisen” und „Witwen” ist ja an sich schon der Ausdruck von Schwachheit und Hilflosigkeit, und „in ihrer Drangsal” spricht außerdem noch von Not und Leiden. Menschen in solchem Zustande und solcher Lage sind gemeint, und zwar nicht etwa nur Bekehrte, obwohl Gottes Wort letztere uns in erster Linie ans Herz legt (Gal. 6,10). Solche sollen wir besuchen, um ihnen Trost und Hilfe in Rat und Tat - nicht nur in Worten - zu bringen (1. Joh. 3,18). Siehe noch Ps. 41,1 und Spr. 14,21. - Tun wir es?
Th. K.
Antwort B
Waisen und Witwen sind sicherlich Menschen, die irdischer Stützen beraubt sind und denen deshalb innere und äußere Hilfe besonders wohl tun wird.
In Gal. 6,9 werden die Gläubigen ermahnt, im Gutestun nicht müde zu werden, und im Anschluß hieran (V. 10) wird ermuntert, die Gelegenheit benutzend, das Gute zu wirken gegen alle, am meisten aber gegen die „Hausgenossen des Glaubens”.
Waisen und Witwen als solche im allgemeinen bieten eine Gelegenheit, Gutes zu wirken, und wenn solche „Hausgenossen des Glaubens” sind, zeigt uns das Wort eine ganz besondere Gelegenheit.
W.W.
Anmerkung des Herausgebers
Wir wollen nicht bezweifeln, dass man dies Wort in weiterem Sinne als dem im Wortlaut angegebenen fassen kann. Aber der Heilige Geist, der auch dies Wort inspirierte, hat doch damit etwas sagen wollen, dass Er gerade diese beiden Klassen von Hilfsbedürftigen anführt. Wir dürfen nicht vergessen, dass diese Epistel an Judenchristen gerichtet ist, die noch in der Synagoge waren, dass also der Brief in eine sehr frühe Zeit fällt, wo die gesetzlichen Vorschriften des Alten Bundes noch in voller Beobachtung waren. Nun war im Alten Testament viel über die Waisen- und Witwenversorgung gesagt (vgl. u. a. 2. Mose 22,22ff.), aber aus manchen Stellen der Evangelien sehen wir, wie leicht man sich darüber hinwegsetzte, was Gottes Wille für diese Armen war (vgl. z. B. Markus 12,40 und Lk. 18,1ff.). Wenn daher Jakobus, der den Auftrag hatte, zu zeigen, wie die Wahrhaftigkeit des Bekenntnisses als Christ sich nur durch das praktische Leben beweise, darauf dringt, die Waisen und Witwen zu besuchen, so stellt er damit Gottes besonderen Willen in den Vordergrund; einen Willen, der sich mit denen beschäftigt, denen am allerwenigsten Hilfsquellen zur Verfügung stehen. Sein Wort steht im engsten Zusammenhang mit Apg. 6,1ff. Der Dienst an Witwen und Waisen erfordert eine Uneigennützigkeit und Selbstverleugnung, wie kaum ein anderer. Beide sind in der beklagenswertesten Lage: den Waisen fehlen die Eltern, und zu Kindern gehören Eltern! den Witwen fehlt der Ernährer, das Haupt - und dieses gehört zum Weibe, damit sie die göttlich gewollte Einheit bilden! Diese beiden Menschenklassen besuchen heißt Gewaltiges unternehmen: ihnen in etwas das Fehlende ersetzen! Welch eine hohe, erhabene Aufgabe, aber auch welche Verantwortung! Das ist nichts Gleichgültiges, und solche Besuche sind auch nicht den sonstigen Hausbesuchen an die Seite zu stellen. Durch sie wird der alte, stets gültige Wille Gottes mit diesen Menschenklassen erfüllt! „In ihrer Drangsal” - wie spricht das zu unserem Herzen, und doch versteht’s nur der, der es erfahren! - Dieser Dienst war in der ersten Gemeinde in Gefahr, vernachlässigt zu werden, wie auch die gesetzestreuen Juden zu Jesu Zeit diese Armen leicht vernachlässigten. Man hatte jetzt Größeres in der Gemeinde Jesu, da konnte man über dem Bekenntnis die Praxis vergessen, die allein Wert hat: die Praxis des Glaubens, der in der Liebe tätig ist! - lasst uns nicht in diesen Fehler fallen! lasst uns in gottgefälliger Weise Gottesdienst tun, einen „Gottesdienst, der rein (uneigennützig, liebevoll, aus reinen Beweggründen) ist vor Gott und dem Vater”!
In der Schrift ist alles in Beziehung zueinander, und so sind auch die in den viel später verfaßten Briefen des Paulus an Timotheus und Titus geschriebenen Worte über Witwen wohl zu beachten und bei unserer Stelle in Betracht zu ziehen, z. B. 1. Tim. 5,3-16!