Antwort A
Nach Röm. 8,15 gibt es zwei Arten von Gottesfurcht, eine alttestamentliche und eine neutestamentliche: „Denn ihr habt nicht einen Geist der Knechtschaft empfangen, wiederum zur Furcht, sondern einen Geist der Sohnschaft habt ihr empfangen ...” Die erstere äußert sich darin, wenn ein Mensch aus Furcht vor Strafe das Böse unterlässt und das Gute tut, um nach dem Willen Gottes zu leben. Diese Furcht kommt aus dem Gesetz, dem Gebot und Verbot (5. Mose 27,26), sobald das Gewissen aufwacht (1. Mose 3,7-13). Beim Übertreten des Gebots folgt zuerst ein inneres Anklagen des eigenen Herzens, welches sich in dem Schämen zeigt.
Ein Beispiel alttestamentlicher Gottesfurcht gibt Joseph; er behauptet von sich, „ich fürchte Gott” (1. Mose 42,18); man lese 1. Mose 39,7ff.; Vers 9! In der Schrift findet sich der Ausdruck seltener, dagegen sehr häufig „Furcht des HERRN”. 2. Chr. 19,7.9; Hiob 6,14; Ps. 34,11; Ps. 111,10; Spr. 1,7; Spr. 15,16 u. a.
Der Geist der Sohnschaft hat seinen Ursprung in einer Offenbarung Gottes. In dem Gleichnis vom verlorenen Sohn Lk. 15,11ff. lesen wir in Vers 20, wie der Sohn umkehrte (Belehrung), und der Vater ihm von ferne entgegenging. Ehe der Sohn dem Vater bekannte, so hat dieser ihn schon mit großer Liebe überschüttet. In Christo ist Gott der Welt so entgegengelaufen, wie der Vater dem verlorenen Sohne; in den am Kreuz ausgebreiteten Armen bietet Gott der verlorenen Menschheit Vergebung der Sünden an. Nimmt ein Mensch diese Gabe Gottes an, so wird er sich vor Gott nicht mehr fürchten. Die Gottesfurcht wird nun nicht mehr in der Furcht vor Strafe bestehen, sondern in der Behutsamkeit eines Kindes, aus Liebe seinem Vater wohlzugefallen (Eph. 5,10; Eph. 1,5) und Ihn nicht zu betrüben.
Die kindliche Gottesfurcht hat ihren Grund nicht etwa darin, dass wir dadurch die ewige Seligkeit verdienen wollen. Nach 1. Kor. 1,30.31 ist uns diese in Christo geschenkt, und wir sind versiegelt auf den Tag der Erlösung (Eph. 4,30). Dies ist der Beweggrund, warum wir den Heiligen Geist Gottes nicht betrüben sollen.
(Man vergleiche Frage 35 in Band II, besonders den Schluß der Anmerkung des Herausgebers.)
C. L.
Antwort B
Die kürzeste Antwort auf diese Frage steht Ps.111,10: „Die Furcht Gottes ist der Weisheit Anfang,” und zwar in jeder Beziehung und auf jedem Gebiet, hat sie doch die Verheißung dieses und des zukünftigen Lebens.
Im A. wie auch im N. B. werden uns manche Beispiele wahrer Gottesfurcht vorgeführt, so bei Henoch die Folgen derselben, bei Abraham der Beweis derselben durch seinen Glaubensgehorsam bei der Opferung Isaaks, dann Apg. 16,14 bei Lydia das Aufmerken auf Gottes Wort, Taufe und Gastfreiheit, in Apg. 10,1.2 bei Cornelius das Almosengeben und Beten, das „hinaufstieg zum Gedächtnis vor Gott” (V. 4).
Bei allen diesen Beispielen besteht die Gottesfurcht im Aufmerken auf Gottes Wort und im Gehorsam gegen dasselbe; vergl. Mt. 11,28.29: „Kommet her zu Mir - und nehmet auf euch Mein Joch - so werdet ihr Ruhe finden.” -
Doch das Beispiel aller Beispiele ist unser Heiland Jesus Christus, der gehorsam war bis zum Tode am Kreuz, der nichts tun konnte ohne den Vater, über dem der Himmel sich öffnete, als die Worte erklangen: „Dies ist Mein lieber Sohn, an welchem Ich Wohlgefallen habe.”
Der HERR redet auch heute noch durch Sein Wort und Seinen Geist zu jedem Seiner Kinder, besonders darin, wie Er jedes derselben eigenartig führt. Je genauer jedes dabei auf das Wort merkt und danach tut, desto vollkommener wird es. Das Band der Vollkommenheit aber ist nach der Schrift: die Liebe. Joh. 13,35: „Daran wird jedermann erkennen, dass ihr Meine Jünger seid.”
Noch eins zum Schluß: es ist der HERR, der das Herz auftut, es ist der HERR, der Wollen und Vollbringen gibt. Darum Ihm allein die Ehre, der selbst einen Scherben nicht verwirft, sondern aus diesem noch etwas zu formen vermag nach dem Reichtum Seiner Gnade und zu Lobe Seiner Herrlichkeit.
L. Th.
Antwort C
Es gibt viele Menschen und auch Gläubige, die, wenn von Gottesfurcht geredet wird, meinen, es handle sich um eine knechtische Furcht und um ein Zittern vor einem zürnenden Gott. Dass dem nicht so ist, bezeugt uns die Schrift wiederholt. 2. Tim. 1,7 lesen wir: „Gott hat uns nicht einen Geist der Furcht gegeben, sondern der Kraft und der Liebe und der Besonnenheit;” oder 1. Joh. 4,18: „Furcht ist nicht in der Liebe, sondern die völlige Liebe treibt die Furcht aus. Wer sich aber fürchtet, ist nicht vollendet in der Liebe.” Diese und andere Schriftstellen zeigen uns vielmehr, in welch ein herrliches Verhältnis der Gläubige seinem Gott und Vater gegenüber gebracht ist. Wenn uns nun andere Schriftstellen wie z. B. Apg. 9,31 oder 1. Petr. 1,17 darauf hinweisen, in Gottesfurcht zu wandeln, so handelt es sich um eine schöne von dem Geiste Gottes gewirkte Gnadengabe bei den Gläubigen. In den Sprüchen Salomos, in denen auch viel von Gottesfurcht die Rede ist, lesen wir in Spr. 9,10: „Die Furcht Jehovas ist der Weisheit Anfang und die Erkenntnis des Heiligen (Allerheiligen) ist Verstand.” Diese Gottesfurcht führt uns hinein in die Gnadenwege Gottes mit den Menschenkindern und zeigt uns das Herz Gottes, wie es Liebe ist (1. Joh. 3,2.3; 4,3-10.16). Wenn wir diese Liebe nur in etwa verstanden haben, und der Geist uns das Zeugnis gibt, dass wir Gottes Kinder sind (Röm. 8,15-17), dann versteht es sich für uns eigentlich von selbst, in Gottesfurcht zu wandeln, indem wir das Böse verabscheuen und, weil es das Vaterherz unseres Gottes betrüben würde, uns fürchten, in irgend eine Handlung oder auch in irgend eine Lehre einzuwilligen, die unserem Gott und Vater zuwider wäre. Also die kindliche Liebe zu Ihm treibt uns, das Herz unseres Gottes und Vaters nicht zu betrüben. Es ist ähnlich wie bei Kindern: je mehr sie die Liebesabsichten und die treue Fürsorge ihrer Eltern verstehen, desto mehr werden sie alles aus Liebe zu ihnen tun und sich fürchten, sie irgendwie zu betrüben. Deshalb gilt es für jeden Gläubigen, in Gottesfurcht und Treue an der Hand seines HERRN seinen Pfad zu gehen nach dem Grundsatz 1. Joh. 4,19: „Wir lieben, weil Er uns zuerst geliebet hat.” Der Unwiedergeborene handelt nach seinem eigenen Gutdünken, weil er keinen Begriff für Gut und Böse im göttlichen Sinne hat, aber die Getreuen im Lande haben Gottesfurcht aus Liebe.
Ph. W.
Antwort D
Der natürliche Mensch ist ohne Gottesfurcht. „Es ist keine Furcht Gottes vor ihren Augen” (Röm. 3,18). Dies ist Gottes Urteil über jeden Menschen in seinem unwiedergeborenen Zustand. Ob ein solcher im Gewand der Gottlosigkeit oder der Frömmigkeit einhergeht, macht keinen Unterschied. Und wie es im Innern eines solchen Menschen aussieht, zeigt uns Ps. 36,1-4.
Sobald das Licht Gottes in eine Seele fällt, tritt eine Änderung ein. Dies ist der feierliche Augenblick des Erwachens des Sünders. Er erkennt, dass er es mit dem lebendigen Gott zu tun hat, und dass dieser Gott heilig ist - und er ein Sünder, ein Mann unreiner Lippen ist, mit einem unreinen Herzen. (Jes. 6,5; Mt. 15,18.19.) Dies ist der Anfang der Gottesfurcht. Er fängt an, das Böse zu hassen und flieht (Spr. 8,13; 16,6). Es ist der Weisheit Anfang (Spr. 1,7; 9,10). Der Sünder flieht zum Heiland. Das Schächerwort vom Kreuze: „Auch du fürchtest Gott nicht” (Lk. 23,40) ist ein Beispiel hierfür.
Wenn wir die Erlösung im Blute Christi gefunden haben, hört Gottesfurcht nicht auf. Nun beginnt sie erst recht. Diese Furcht ist nicht die Furcht der Knechtschaft, noch der Ungewißheit unserer Erlösung. Nach dieser Seite hin sind wir ohne Furcht - selbst im Blick auf den Tag des Gerichtes. (1. Joh. 4,18.) Gottesfurcht ist die heilige Kindesfurcht, die mit dem glücklichen Bewußtsein Seiner Liebe zusammengeht. Es ist Furcht, nicht weil wir nicht wissen, sondern „weil wir wissen, dass wir ... mit dem kostbaren Blute Christi erlöst sind”. (Wir wissen, was es kostete, uns zu erlösen.) Und wir kennen Ihn, den wir als Vater anrufen, dass Er heilig ist, und dass auch wir heilig sein sollen in allem Wandel. Deshalb gehen wir in Furcht durch die Welt des Schmutzes, um uns nicht zu beflecken. Wir wissen: Er sieht, wie wir uns als Seine Kinder bewegen und richtet jedes Werk. (1. Petr. 1,16-19); Spr. 14,26.27; Ps. 130,4.)
Gottesfurcht berührt aber nicht nur unseren Wandel in der Welt, sondern auch unsere Stellung zu Seinem Wort. Wie leicht verlieren wir die Furcht Gottes aus unserem Herzen - das Bewußtsein, dass Er der lebendige Gott, und es Sein Wort ist, mit dem wir es zu tun haben. Mit diesem Worte umzugehen ohne diese Furcht, ist eine schreckliche Sache, die uns sicher unter die züchtigende Hand Gottes bringt, damit wir Seiner Heiligkeit teilhaftig werden. Es ist noch wie von alters her: „In denen, die Mir nahen, will Ich geheiligt werden” (3. Mose 10,3). Nadab und Abihu gingen mit den heiligen Dingen um, nicht wie Gott „geboten” hatte - sie hielten sich nicht gebunden an Sein Wort - und beide starben unter der Hand Gottes (vergl. Apg. 5,1-11; V. 5 u. 11!).
Wie steht es mit uns, wenn wir die Schrift in unsere Hand nehmen? Sind wir uns bewußt: es ist unseres Gottes Wort!? Haben wir Gnade „wohlgefällig”, „mit Ehrfurcht und Furcht” vor Ihm zu stehen, der zu uns redet? (Hebr. 12,28.29.) Oder haben wir dies vergessen und treten gewohnheitsmäßig, oberflächlich an dieses Wort heran? Haben wir es gar benutzt, um mit unserer Erkenntnis oder Rede zu glänzen? Brüder, finden wir nicht Ursache, uns zu beugen, auf unsere Knie zu fallen und unser Herz dem HERRN aufzudecken und unsere Sünde zu bekennen? Haben wir nicht nötig, zu trauern über all die Verfassungen, Menschensatzungen und verkehrten Lehren, die um sich fressen wie der Krebs - über die Dinge der Ungerechtigkeit (die nicht recht vor Gott sind), von denen solche, die den Namen des HERRN nennen, nicht abstehen? Dinge, die nur Eingang finden konnten, weil es an der Furcht Gottes mangelte! Aber, ach, man ist zufrieden, wenn gewisse Grenzen nicht überschritten werden, wenn man tadellos und ehrbar in der Welt wandelt, aber - Brüder - ein Leben in Gottesfurcht ist etwas anderes: da ist der Maßstab für jedes die Herrlichkeit Gottes, und die Autorität der Schrift entscheidet jede Frage.
lasst uns Gnade nehmen und wieder nüchtern werden! Die Furcht des HERRN wird sich wieder erweisen als der Weisheit Anfang, wenn wir die Pfade der Torheit, des eigenen Willens und der Überlegungen des Herzens verlassen. Füllt Gottes Furcht wieder unser Herz, so wird Sein Wort auch wieder der einfache und untrügliche Wegweiser unseres Weges. Dann genügt uns nicht mehr ein anständiger Wandel, dann treten wir ab von dem, was nicht Recht vor Gott ist. „Gehet aus aus ihrer Mitte, sondert euch ab” (2. Kor. 6,14-18), sind dann ebenso verständliche Worte für uns, wie für Abraham die Worte: „Gehe aus deinem Vaterhause.” Dann spricht man nicht mehr von „Lehrfragen”! „Gehe aus deinem Vaterhause,” „Opfere deinen Sohn” waren für Abraham keine „Lehrfragen”. Für ihn waren es die Worte seines Gottes, und es kam ihm nicht in den Sinn, sie umzudeuten. Gottesfurcht heilt uns von der Farbenblindheit, Wahrheit und Irrtum nicht zu unterscheiden. Gott und das Wort Seines Mundes ist eine solche Wirklichkeit, dass Menschen und Umstände zu Asche werden.
Auf den letzten Blättern des Alten Testamentes fragt und klagt der HERR über Israel: „Wo ist Meine Furcht?” Der lebendige Gott hatte längst aufgehört, eine lebendige Wirklichkeit für sie zu sein (Mal. 1,6ff.). Aber in der Mitte dieses Volkes waren etliche, die den HERRN fürchteten. Diese kamen zusammen und „unterredeten sich miteinander, und Jehova merkte auf sie, und ein Gedenkbuch ward vor Ihm für sie, die Ihn fürchteten und Seinen Namen achteten, geschrieben”. Und hiermit erwähnt Gott wieder den „Unterschied”, den Er schon in Ägypten zwischen Seinem und Pharaos Volk feststellte (Mal. 3,16-18; 2. Mose 8,23; 11,7). Redet dies keine Sprache zu uns, die wir, wie jene, auch am Ende einer Zeitperiode - in der Mitternachtsstunde stehen? „lasst uns Gnade haben, durch welche wir Gott wohlgefällig dienen mögen mit Ehrfurcht und Furcht; denn auch unser Gott ist ein verzehrendes Feuer” (Hebr. 12,28.29).
v. d. K.
Anmerkung des Herausgebers
Sicherlich konnten wir unter dem zur Veröffentlichung vorliegenden Stoff keinen würdigeren Gegenstand finden für den Beginn des neuen Jahres als diesen, der uns zu gleicher Zeit vor die Kostbarkeit der in Christo uns geschenkten Erlösung stellt, wie auch vor den Ernst des mit jener in Übereinstimmung befindlichen Wandels in schriftgemäßer Gottesfurcht (1. Petr. 1,14-19). Wahre Furcht Gottes - wie sie in obigen Antworten so klar und schön beschrieben ist - ist die Grundlage einer echt-biblischen praktischen Heiligung. Viele teure Kinder Gottes sind aber zufrieden mit einer Reinigung von den Befleckungen des Fleisches und übersehen, dass die Reinigung von den Befleckungen des Geistes dazugehört, um (schriftgemäße) Heiligung zu vollenden in der Furcht Gottes (2. Kor. 7,1!). Und worin bestehen solche Befleckungen? Der Zusammenhang mit Kap. 6 zeigt es uns: in V. 14-18 ist uns alles - fleischliche wie geistige Unreinheit - gezeigt, wovon wir uns abgesondert halten sollen - in jeder Beziehung! Ist aber unser Herz nicht mit „Furcht Gottes” erfüllt, so werden wir leicht zufrieden sein mit einer Reinigung von Dingen hinweg, die uns böse dünken, aber wir werden nicht fragen danach, wie weit Sein in Seinem Wort geoffenbarter Wille geht in Bezug auf unsere Heiligung. Manche Gläubige reden gern von „Heiligung”, aber sind wir alle uns dessen bewußt, was alles diese in sich schließt, wenn wir es genau nehmen mit dem Wort des HERRN in der „Furcht Gottes”?
„... Sondert euch ab, rühret Unreines nicht an ... spricht der HERR” (2. Kor. 6,17!). Möchten wir im neuen Jahre mehr lernen, Menschen zu werden ähnlich den Vorbildern der Schrift, z. B. Abraham, Moses, Joseph, Elias, Daniel, Paulus oder Timotheus und vielen anderen! „Wenn jemand Mich liebt, so wird er Mein Wort halten” (Joh. 14,23).