Antwort
Es fehlt nicht an Auslegern, die einfach das Wort „Familie” in der Einzahl fassen, um der Schwierigkeiten der Auslegung enthoben zu sein. So wäre es auch einfach zu deuten, weil darunter nur die eine Familie der Gemeinde, die Erlösten der Jetztzeit, gemeint sein könnte; im weiteren Sinne die Erlösten aller Zeiten. Doch mußten wir feststellen, dass alle guten Übersetzungen dieses Wort ausnahmslos in der Mehrzahl bringen. Nur in einem finden wir große Verschiedenheiten, nämlich in der Wiedergabe des Wortes „Patriá” in unserer Sprache. Sie übersetzen es: Stämme, Kinder, (jedes) Vaterhaus, Geschlechter, Familien usw. Man merkt es den Übersetzern an, dass es gar nicht so leicht ist, das Wort „Patriá” (welches dreimal im Neuen Testament vorkommt: Lk. 2,4; Apg. 3,25 und hier) so wiederzugeben, dass zugleich Licht und Verständnis über diese Stelle durch die Übersetzung dem Leser vermittelt wird. Es wäre vielleicht besser gewesen, wenn von berufener Seite - d. h. von jemand, der das Griechisch des Grundtextes in seinen Feinheiten beherrscht - eine Antwort auf die obige Frage gegeben worden wäre. Doch wollen wir versuchen, das zu antworten, was wir darunter zu verstehen meinen, ohne uns anzumaßen, dass es die richtige Anschauung ist. Uns geht es wie den Übersetzern: wir wissen kaum die Gedanken so klar zu formulieren, dass wir alle einen Segen davon haben.
Viele Ausleger haben in der Benennung der Familien in den Himmeln und auf Erden nur die Herrlichkeit des Schöpfers gesehen bezw. die jeweilige Schöpferherrlichkeit, die Er, der Schöpfer, jeder Familie Seiner Geschöpfe gegeben hat. Wir haben diesen Gedanken auch ernstlich erwogen, doch stießen wir auf biblische Schwierigkeiten, die uns veranlaßten, diesen Gedanken wieder fallen zu lassen. Wenn wir unter den „Familien” die Stämme Israels, die Völker, die Nationen in ihrer natürlichen, menschlichen und kreatürlichen Bestimmung (die wir an und für sich nicht leugnen, aber nicht hier in diesem Zusammenhang sehen können) verstehen, ergeben sich im Blick auf den Vaternamen, der ständig Gnade ausdrückt, wie auch auf die Nationen selbst, welche ja die Frucht der Sünde sind (vgl. 1. Mo. 10-11, wo Nationen zum ersten Male genannt werden), große Schwierigkeiten.
Es scheint uns, dass das Wort „Familie” nicht die einfach menschliche Bedeutung hat im Sinne von Geschlechtern mit ihren Stammvätern, sondern vielmehr von Gemeinschaften, Familien, wo wir das göttliche Band, den göttlichen Gedanken Seiner jeweiligen für jede Familie bestimmten Herrlichkeit und Segenssphäre finden. Es handelt sich nach unserer Auffassung nicht um kreatürliche Gemeinschaften (es sei denn Engelfamilien), sondern um geistliche; die den jeweiligen Offenbarungscharakter Gottes ihnen gegenüber aufgenommen haben und bei denen diese Herrlichkeit nicht nur das Band - in diesem Sinne Familienband - ist, sondern die auch diese Herrlichkeit ausstrahlen und dadurch gekennzeichnet sind. Wir müssen uns doch unwillkürlich fragen, wie es kommt, dass diese Familien gerade hier, in dem wunderbarsten Gebet des Apostels Paulus, genannt werden? Welchen Platz haben diese Familien in dem Ratschluß Seiner Liebe, der hier in so einzigartiger Weise vorgestellt wird? Es müssen doch göttliche, geistliche Zusammenhänge bestehen? Wir glauben, der Hauptgrund der Kennung dieser Familien ist ohne Zweifel darin zu sehen, dass in diesem Briefe die einzigartige Stellung, Herrlichkeit, Berufung der Gemeinde, welche besonders das Gefäß Seiner Gnade, Weisheit und Herrlichkeit ist, enthüllt, geoffenbart wird. Sie überragt alle vergangenen und zukünftigen Segenskreise der Erlösten oder Engel, so dass man sie wohl als die Krone der erlösten Schöpfung bezeichnen kann. Dieser Platz ist ihr von Gott, dem Vater, gegeben. Der Gedanke aber, dass Gott als „Vater, von welchem jede Familie benannt wird”, so hervorgehoben wird, scheint der zu sein, dass aller Familien in den Himmeln - seien es die verschiedenen erlösten Familien: die Geister der vollendeten Gerechten, die alttestamentlichen Heiligen wie auch die neutestamentlichen Heiligen (Hebr. 12,22.23) sowie auch die Engelfamilien, die auch einen Anteil haben, wiewohl nicht einen erlösenden, und auch die verschiedenen Familien der Erlösten auf Erden außerhalb der Gemeinde, die noch in Frage kommen - vor „Gott, dem Vater unseres Herrn Jesus Christus”, gedacht wird, indem Er auch ihnen Wesensherrlichkeiten Seines Namens - das, was Er ist - verlieh und verleiht aus der unermeßlichen Fülle Seiner Gnade und Liebe. Wenn sie auch nicht die ganze Fülle Christi ausstrahlen, wie es der Gemeinde gegeben ist zu tun, so werden sie doch gewisse Züge Seiner Herrlichkeit wiedergeben, weil sie mit Ihm in Lebensbeziehung gebracht sind.
Von Jahwe (Jehova) wurde Israel als Volk gesegnet. - Von Gott wurden die Heiden gesegnet. -Vom Vater aber wird jede Familie gesegnet.
In den Engeln offenbart Gott Seine Macht und Stärke, durch die Patriarchen die Auswahl Seiner Gnade und die Herrlichkeit Seiner Berufung, in Israel die Wege Seines Waltens und die Absicht Seiner Herrschaft, in den Heiden die Unumschränktheit Seines Erbarmens; in der Gemeinde aber wird Gott wohnen und thronen ewiglich, weil sie „die Fülle” Dessen ist, „der alles in allem erfüllt”. (Eph. 1,23) So hat es der Gott und Vater angeordnet, für gut erfunden, so dass auch wir wie der Apostel Paulus unsere Knie vor Ihm beugen in stiller und anbetender Bewunderung vor „Ihm, dem die Herrlichkeit ist in der Gemeinde in Christo Jesu auf alle Geschlechter des Zeitalters der Zeitalter hin! Amen.” (3,21)
K. O. St.