Verständnis der Schriftstelle Lukas 7,47

Ich bitte um Hilfe für das Verständnis von Luk. 7,47!

Antwort A

Diese herrliche Begebenheit im Hause Simons offenbart uns die ganze Liebe Jesu. Das Weib, bekannt durch seinen Lebenswandel, hat nichts zu bringen und kann nichts verdecken, sie ist offenbar, sie kommt im Bewußtsein ihrer ganzen Schuld in die Gegenwart Jesu und sucht Vergebung. Die Pharisäer als Gegenbild begegnen der Person des HERRN ohne Ehrerbietung und sehen in Ihm nicht den Sohn Gottes. Simon selbst hat den HERRN sicher nicht aus Liebe zu Gast geladen. Es ist der große Gegensatz zwischen eigener Gerechtigkeit und Schuldbewußtsein, der hier im Hause Simons angesichts einer glänzenden Tischgesellschaft eine treffende Darstellung findet. Zu dem Pharisäer kommt der Herr Jesus als einer, der „in sein Eigentum kommt” und nicht aufgenommen wird (Joh. 1,11); jenes Weib dagegen bekommt das Recht, das Größte was ein sterbliches Menschenkind erwerben kann, und das allen zuteil wird, die an Seinen kostbaren Namen glauben: sie darf ein Gotteskind werden (Joh. 1,12). Wenn ihr dann der Herr Jesus in Vers 47 die Zusicherung der Vergebung mit den Worten: „Ihre vielen Sünden sind vergeben, denn sie hat viel geliebt,” gibt, so drückt Er damit aus, dass ihre viele Liebe ein Beweis davon ist, dass eine große Schuldenlast sie dahin trieb, wo sie Vergebung finden konnte. Wir sehen hier deutlich und klar die Erkenntnis des eigenen verlorenen Zustandes als Grundlage einer wahren Bekehrung. Also nicht hatte das Weib ein Verdienst, sondern durch ihre Ihm bewiesene Liebe wurde die Tatsache offenbar, dass der Herr Jesus jedem, der zu Ihm kommt, völlige Vergebung zuteil werden lässt (Eph.2,4.5).
Ph. W.

Antwort B

Die Worte dieses Verses sind nur an Simon gerichtet. Der HERR hatte nicht gefragt, ob jemand, dem die Schuld erlassen, Ihn lieben würde. Das stand ohne weiteres fest, dass Vergebung auch Liebe bewirkt, sondern die Frage war nach dem Unterschied - nach dem mehr oder weniger der Liebe: „Wer von den beiden im Gleichnis wird Ihn am meisten lieben?” und Simon urteilt recht: „Dem Er das meiste geschenkt hat.” Damit bestätigte er, dass auch bei ihm, dem 50 Denar-Schuldner, Liebe nach Schenkung der Schuld gefunden werden mußte, wenn auch (nach seiner Schulderkenntnis und Schätzung) in geringerem Grade.

Nun bringt der HERR ihn mit dem Weibe zusammen, dass er an ihrer Liebe sich prüfe, ob etwas von solcher (aus der Vergebung hervorgegangenen) Liebe bei ihm vorhanden sei. In dem Gleichnis stellt der HERR ihn und das Weib auf einen Boden nebeneinander. Beide sind Schuldner, die nicht bezahlen können. Jetzt aber zeichnet Er Simon nicht mehr als auf einem Boden mit dem Weibe stehend, sondern als im Gegensatz zu ihr. Sie stand auf dem Boden der Vergebung und Liebe - er noch auf dem Boden der Schuld - ohne Vergebung und Liebe. Jetzt führt Er ihm in dem Weibe das Bild der Liebe, die aus der Vergebung kommt, vor Augen. Eine Liebe, die nicht etwa bei Simon in kleinerem Maße vorhanden war, sondern die gänzlich fehlte: Kein Wasser für Seine Füße; keine Aufmerksamkeit für Ihn; kein Kuß; keine Liebe; kein Öl; keine Huldigung. Der HERR hatte die Achtlosigkeit, die Verkennung Seiner Person (in dem Mangel an Huldigung) wohl empfunden. Ganz entgegengesetzt das Weib: Er war ihr alles - sie hatte nur Augen für Ihn. Sie brachte Ihm den Kuß der Liebe und sie huldigte Ihm und salbte Ihn. - Für Simon war Er der interessante Mann, der Prophet, der Wundertäter. Für das Weib war Er der Heiland. Jener bot Ihm seine wohlgedeckte Tafel - sie bot sich Ihm selbst! Jener brachte Ihm Höflichkeit und eine gewisse Anerkennung - sie brachte Ihm ihre Liebe, ihr Herz! Er muss Simons Bild hier nicht als mit „wenig” Liebe, sondern als ohne Liebe zeichnen; als das Bild des Schuldners, der noch keine Vergebung hatte, und bei dem deshalb auch keine Liebe gefunden wird.

Nachdem der HERR ihm so gezeigt hatte, dass er nicht im Vergleich (viel oder wenig Liebe), sondern im Gegensatz stehe zu dem Schuldner, der die Vergebung hatte, führt Er ihn nun vor sein eigenes Erteil (V. 42.43). Deswegen sage Ich dir - weswegen? des eben gezeigten Gegensatzes wegen zwischen ihm und dem Weibe. Deswegen sage Ich dir (wende es auf dich an): Ihre„vielen” Sünden sind vergeben (deine vermeinten „wenigen” noch nicht), denn sie hat viel geliebt (aber du noch nicht), wem aber wenig vergeben wird, der liebt wenig (aber bei dir ist auch das „wenig” solcher Liebe noch nicht vorhanden). Wenn auch der HERR bei Simon mit seiner geringen Schuldeinschätzung und Erkenntnis nicht eine solche Liebe, wie von seiten des Weibes, erwartete - so musste doch nach der Vergebung der wenigen Schuld sich doch auch die „wenige” Liebe zeigen. Aber diese fehlte bei Simon ganz, und darin lag die Überführung Simons, dass er noch keine Vergebung besaß.
In diesem Worte des HERRN liegt eine tiefe und allgemeine Wahrheit. Ist die Erkenntnis der Schuld und des Verlorenseins klein, so ist auch die Erkenntnis und Schätzung Seiner Gnade klein, und ebenso auch unsere Liebe. Mit dem Lichte aber wächst nicht nur die Erkenntnis über uns selbst und über unsere Schuld - sondern auch zugleich die Erkenntnis Seiner vergebendem Gnade und Liebe, und damit unsere Liebe zu Ihm. Es bleibt: Wem viel vergeben, liebt viel, wem aber wenig vergeben, liebt wenig.

Dreimal wandte sich der HERR an Simons Herz und Gewissen: 1. „Simon, Ich habe dir etwas zu sagen.” 2. „Siehst du das Weib?” 3. „Deswegen sage Ich dir.
1. Das Gleichnis ist ein Bild von dem HERRN, dem Weibe und Simon. Der HERR sagt damit, dass Er, der vor Simon stehe, sein Gläubiger sei, und das Weib und Simon Seine Schuldner. Aber Er stand in Gnade vor Simon: „Gott war in Christo, die Welt mit Sich Selbst versöhnend, ihnen ihre Übertretungen nicht zurechnend” (2. Kor. 5,19). Nach außen hin mochten bei den Schuldnern Grade der Schuld unterschieden werden - aber der Natur, dem Wesen nach war kein Unterschied. Beide waren Schuldner - beide konnten nicht bezahlen - beide konnten nur auf einem gleichen Wege, dem der Schenkung, die Tilgung ihrer Schuld erlangen.

2. In dem Weibe zeigt Er ihm das Bild einer Seele, die Vergebung sucht, erlangt und liebt. Er sagt zu Simon: „Siehst du dieses Weib?” Darin lag mehr als die Frage des einfachen Sehens - darin lag die Aufforderung, sich an ihr zu prüfen. Siehst du dieses Weib? Sie kam mit ihrer Schuld - auch du hast Schuld - du kannst nicht bezahlen. Siehst du dieses Weib? Zu Meinen Füßen fand sie ihren Heiland und Vergebung ihrer Schuld - mache es ebenso! Dreimal erwähnt und zeigt Er Simon ihren Platz zu Seinen Füßen, als ob Er sagen will: Simon, dort ist dein Platz - dort wird Vergebung erlangt, und dort nimmt die Liebe ihren Anfang.

3. Ob Simon das „deswegen sage Ich dir” verstanden hat? Wir wissen es nicht. Aber wir bewundern die Gnade und Zartheit, mit der der HERR in diesem Worte Simon überführt und zu gewinnen sucht. Hier überführt Er ihn, dass der große Schuldner gekommen, aber der kleine noch fehle, dass ihm die Vergebung fehle und deshalb auch noch die wenige Liebe. Es ist köstlich zu sehen, wie der HERR für das Weib eintritt. - Sie liebte Ihn, und mit welcher Liebe spricht Er von ihr.
Erst jetzt wendet Er Sich dem Weibe zu - so lange hatte Er mit Simon gesprochen - und spricht zu ihr: „Deine Sünden sind vergeben.” Wann waren sie vergeben? Er sagte es doch schon vorher zu Simon. Erst jetzt, als Er es zum Weibe sagt, oder als Er es zu Simon sagte oder schon früher? Ich glaube, nach dem Wort des HERRN: „Wer zu Mir kommt, den werde Ich nicht hinausstoßen” (Joh. 6,37), dass es geschah, als sie sich bekümmert um ihre Sünden weinend zu Seinen Füßen niederwirft. Da fand die unsichtbare Wandlung - der Hinübergang aus dem Tode in das Leben statt. Ihr Glaube lässt sie den Heiland erfassen - weinend umklammern, und - Er weist sie nicht zurück - Er nimmt sie an. So wird ihre Seele jetzt von Ihm hingenommen, dass sie alles um sich vergißt und die Füße ihres Heilandes und Herrn mit „zärtlichen” Küssen der Liebe bedeckt. Kein Wort hatte sie zu Ihm, noch Er zu ihr geredet. Aber sie hörte, was der HERR zu Simon sagt, und was musste es für sie sein, als Er Sich jetzt zu ihr wendet und sagt: Deine Sünden sind vergeben! Und damit sie nicht (wie später einst Petrus) auf ihre Liebe blicken möge, fügt Er hinzu: „Dein Glaube hat dich errettet.” Der Glaube, der sie in ihrem Verlorensein zum Heiland führte und mit Ihm verband. Das ist der rechte Glaube, der die rechte Person - Ihn - zum Glaubensgrunde hat. Der Weg des Friedens lag jetzt vor ihr. „Gehe hin in Frieden!” Das ist der Weg des Gehorsams. Der Wandel nach Seinem Wort.
Hat der HERR dir etwas zu sagen? Siehst du dieses Weib? Ist der HERR nicht auch in dein Haus gekommen? Wie hast du Ihn aufgenommen? Was ist Er dir, ein Prophet oder dein Heiland? Wandelst du den Weg des Friedens?
v. d. K.

Anmerkung des Herausgebers

Lk. 7,47 hat oft verschiedene Deutungen gefunden! Dass man sich durch Liebe nicht Vergebung erwirken kann, sagt die ganze Schrift, und auch Vers 50 zeigt, dass nur durch den Glauben an die Person, die vergibt, an Jesus Christus, Vergebung, Heil und Leben dem sich selbst verurteilenden Sünder zuteil wird. Also jene Meinung, durch eigenes Verdienst der Liebe sich Vergebung zu erkaufen, ist haltlos und schriftwidrig.

Zu obigen kostbaren Antworten möchten wir noch einiges hinzufügen. - „Die größte aber ist die Liebe” (1. Kor. 13,13), d. h. die Liebe zu dem HERRN und Heiland Jesu Christo, die dann wieder Liebe nach außen hin hervorbringt. Liebe zu Sich zu erwecken war das erhabenste Ziel der Tätigkeit Jesu, Seiner Erbarmung, Seiner Gnade. Nun ist wichtig, was Vers 39 und 49 Simon und die Gäste über „diesen” (Menschen) „bei sich selbst” denken. Während letztere innerlich dem HERRN das Recht absprechen möchten, überhaupt Sünden zu vergeben, ist es ersterem unverständlich, dass der HERR dieses Weib, eine Sünderin, stadtbekannt als solche im übelsten Sinne (für einen Pharisäer!) Sich nahen läßt, ja, ihre Huldigungen annimmt. Nicht einmal als Propheten möchte er Ihn ansehen (vergl. 5. Mose 18,15-19; Joh. 1,21; Frage 25 in Band lll, 1915!), weil Er nach seiner Meinung nicht erkannte, mit wem Er es zu tun hatte. Ihm zu zeigen, dass Er (Jesus, „der Sohn des Menschen”) nicht nur das Recht habe, Sünden zu vergeben (vergl. Lk. 5,17-26!), sondern auch mit Seiner Vergebung bei diesem Weibe im vollen Recht sei, ist, unseres Erachtens, ein Teil der Absicht Jesu. Weckt Seine Vergebung Liebe zu Seiner Person, so erfüllt sie damit ihren höchsten Zweck, und das Recht des Vergebenden, in dem betreffenden Fall Gnade geübt zu haben, ist durch eben diesen Erfolg auch vor den den Fall (kritisch) beurteilenden Menschen erwiesen. In dem Gleichnis nun ist gezeigt, dass der viel liebt, dem viel vergeben ist; so urteilt Simon. Aus diesem richtigen Urteil des Pharis äers soll nun für ihn folgen, dass er das Verhalten des Weibes richtig, d. h. so wie der Herr Jesus, einschätzt, und dass er anerkennt, dass Jesus nicht nur ein Recht hatte, das Weib zu Sich zu lassen, sondern dass Dieses Ihm näher steht als er, der Pharisäer, dem keine Vergebung zuteil geworden war und der darum auch nicht lieben konnte. Sieh dieses Weib! sieh ihre Liebe! wende dein Urteil (V. 43) auf dieses Weib an, dann mußt du erkennen, wenn du nur willst, dass ihr viel vergeben ist. Weil sie viel geliebt hat, also viel Liebe bei ihr ist, deshalb mußt du anerkennen nach deinem eigenen Urteil, dass ihr viel vergeben ist. ... Aber weiter: der Pharisäer mußte, wenigstens im Herzen, davon überführt sein und zugeben, dass der Herr Jesus nicht nur ein Prophet sowie berechtigt war und ist, Sünden zu vergeben, sondern dass Er, wie (natürlich) stets - worin für uns,die Seinen, selbstverständlich überhaupt kein Zweifel, keine Frage möglich ist! - so auch in diesem besonderen Falle mit Seiner vergebenden Gnade völlig im Recht gewesen war: hatte sie doch überströmende Liebe zu Ihm erweckt! Wie arm stand er selbst dagegen da! Möchte er es noch erkannt haben! Wer Jesum nicht liebt, wer nicht ein verloren gewesener Sünder und nun ein durch Glauben zum Sohne Gottes gekommener Geretteter, Begnadigter ist, dem, ob wenig oder viel, - in jedem Falle alles vergeben ist, und der dann Ihm, der ihn annahm, sein ganzes Herz, seine Liebe, sein Leben schenkt, - der ist arm, unendlich arm. Was ist alle Liebe hier auf Erden, wenn sie nicht Ihm zu Füßen gelegt wird! - Wie reich dagegen macht uns Seine Liebe! Möchten wir uns, wie auch Antwort B so ernst tut, die praktische Frage verlegen, was der Vergleich zwischen uns und dem Weibe für unser Leben bewirkt: ob wir mehr lieben werden „Ihn, der uns zuerst geliebt” (1.Joh. 4,19), ob wir mehr den Weg des Gehorsams nach Seinem Wort (Joh. 14,21ff. u. a.) gehen wollen aus brennender Liebe zu Ihm, der uns für Sich erkauft hat, dem unser Leben gehört!
Frage 9


Beantwortet von: Team Handreichungen
Quelle: Handreichungen - Band 4 (1916)