Antwort A
Eine Hilfe zur Erklärung der Verschiedenheit der Berichte über den Hahnenschrei finden wir in Mk. 13,35.
Die Römer teilten die Nacht in vier Nachtwachen. (6 Uhr abends bis 6 Uhr morgens.) Und da in dortiger Gegend mit ziemlicher Regelmäßigkeit der erste Hahnenschrei im Anfang und der zweite und hauptsächliche am Ende der dritten Nachtwache gehört wurden, so wurde diese Nachtwache (von 12-3 Uhr) kurzweg mit dem Ausdruck „Der Hahnenschrei” bezeichnet.
Aus dieser Stelle sehen wir, dass auch der HERR diesen landläufigen Ausdruck für die Zeit der dritten Nachtwache gebrauchte.
Matthäus, Lukas und Johannes berichten nicht von den Einzelheiten, sondern nur von diesem charakteristischen Hahnenschrei, dem zweiten der dritten Nachtwache, daß, ehe der Hahn krähen würde, in anderen Worten: ehe die dritte Nachtwache beendet sei, Petrus den HERRN schon dreimal verleugnet haben würde. Sie übergehen die Einzelheiten, die Markus bringt. Bei ihnen scheint mehr die Vorhersage der Zeit, in der Petrus den HERRN verleugnen würde, im Vordergrunde zu stehen. Lukas berichtet auch, dass zwischen der zweiten und dritten Verleugnung ein Zeitraum von ca. einer Stunde lag. Die erste Verleugnung muss somit schon bald nach der Einlieferung des HERRN im Anfang der dritten Nachtwache geschehen sein, die letzte am Ende derselben.
Wenn Petrus nur ein wenig auf die Worte des HERRN geachtet hätte, so hätte er sich, als die dritte Nachtwache nahte, sagen müssen: Jetzt kommt die Zeit, von der der HERR geredet hat, daß, ehe sie beendet - „ehe der Hahn kräht” - du Ihn dreimal verleugnen wirst. So wenig Eindruck aber hatten die Worte auf ihn gemacht, dass wir lesen, dass er nicht früher daran dachte, als bis alles geschehen und es zu spät war.
In Markus finden wir eine genauere Beschreibung dieses Umstandes. Während in den anderen Evangelien, wie gesagt, es mehr der charakteristische Hahnenschrei am Ende der dritten Wache - mehr die Zeit ist, die im Vordergrunde steht (daß, ehe der Hahn kräht, ehe die dritte Wache beendet sei, er schon den HERRN dreimal verleugnet haben würde), scheint bei Markus mehr die treue Warnung des „vollkommenen Knechtes” im Vordergrunde zu stehen.
Markus berichtet uns, dass der HERR dem Petrus nach der ersten Verleugnung durch das erste Krähen des Hahnes noch gleichsam eine letzte Warnung gibt, nicht weiter zu gehen. Aber Petrus hört sie nicht. Nach dieser ersten Verleugnung fühlt er sich augenscheinlich durch die Begegnung mit der Magd im inneren Hofe des Hauses nicht mehr sicher. Er steht auf und geht in den äußeren - den Vorhof -, da kräht ihm der Hahn zum erstenmal entgegen. Aber Petrus denkt trotzdem nicht an die Worte des HERRN.
Wir sehen aus allem, wie genau der HERR Petr. Verleugnung zuvor beschrieb: 1. dass sie eine dreimalige sein würde; 2. ihre Art, Ihn nicht zu kennen - Ihm nicht anzugehören; 3. die Zeit, die Schnelle, ehe das Krähen des Hahnes das Ende der dritten Nachtwache ankündigen würde.
Wir finden in den Evangelien öfter solche Verschiedenheiten, die durch das Berichten von verschiedenen Gesichtspunkten aus oder durch das in den Vordergrundstellen gewisser Einzelheiten bedingt sind. Z. B. Matthäus (20,30) berichtet von zwei Blinden, Markus (10,46) und Lukas (18,35) nur von einem Blinden. Markus nennt ihn sogar mit Namen. Ohne Zweifel waren es zwei Blinde, aber Bartimäus war die Hauptfigur in dieser Geschichte, und Markus und Lukas berichten nur von ihm allein. Noch ein Beispiel: Matthäus (26,7) berichtet, dass Sein Haupt gesalbt wurde, Johannes (12,3) dagegen, dass Seine Füße gesalbt wurden. Es ist keine Frage, Maria salbte Ihm Haupt und Füße. Aber der Heilige Geist leitete den einen Schreiber, die Salbung Seines Hauptes zu berichten und den anderen die Seiner Füße. Der eine musste dieses, der andere jenes in den Vordergrund stellen, und Weisheit Gottes lag darin. So auch in dieser Frage betreffs das Krähen des Hahnes.
v. d. K.
Anmerkung des Schriftleiters F. K.
Zu der Frage selbst ist nichts Besonderes mehr zu sagen. Ein Widerspruch zwischen jenen Stellen besteht nicht, wie nirgends in der Schrift, wenngleich für unser stückweises Erkennen manches schwer zu verstehen und zu vereinigen sein mag. Aber das berührt nie die Frage des Glaubens bei denen, denen „alle Schrift” als unbedingt „von Gott eingegeben” feststeht (2. Tim. 3,16).
Und in diesem Sinne möchte ich hier einen sehr bezeichnenden Punkt des Markus-Evangeliums, das uns, wie auch obige Antwort sagt - vgl. auch meine Worte darüber am Schluß von Frage 6 in Heft 3 d. Js. -, den Herrn Jesus als den vollkommenen Knecht Gottes schildert, hervorheben, einen Punkt, der gewiß auch zu der Knechtestreue in Beziehung steht: Nur im Markus-Evangelium finden sich solche Stellen, in denen Petrus in ganz offensichtlicher Weise belastet wird; so z. B. heißt es in Kap. 8,33: „Er strafte den Petrus” (Mt.: „Er sprach zu Petrus”), und in 14,37 wird Petrus angeredet: „Simon, schläfst du?” Demgegenüber ist Mk. 16,7 ein Beweis besonderer Barmherzigkeit des HERRN, da Petrus auch in besonderer Weise durch seine schwere Verleugnung der Barmherzigkeit des HERRN bedurfte (vgl. oben erwähnte Frage 6 in Heft 3!). Sicherlich entspricht es dem wahren Knechtscharakter, es genau zu nehmen mit jeder scheinbaren Kleinigkeit, und darum finden wir solche und andere Einzelheiten in diesem Evangelium.
Aber da ist noch etwas anderes, was mir köstlich zu sein scheint, und es ist ein Beweis - wenn es eines solchen bedürfte - für die wörtliche göttliche Inspiration (Eingebung) der Heiligen Schrift. Es ist Markus, der diese den Petrus belastenden Einzelheiten aufzeichnet, zu denen die genauere Zeitangabe der Verleugnung auch gehört - hätte Petrus doch durch das erste Krähen des Hahnes sich warnen lassen müssen! - Markus aber ist augenscheinlich das geistige Kind des Apostels Petrus (1. Petr. 5,13!). Könnte man nun wohl annehmen, dass er diese seinen geistigen geliebten Vater so bloßstellenden Bemerkungen, die ihm der demütige Petrus persönlich mitgeteilt haben mag, dem sein Evangelium lesenden Volke Gottes nicht nur, sondern auch der ungläubigen Welt so offen berichtet haben würde, wenn er nicht vom Heiligen Geist inspiriert worden wäre, so treu und wörtlich jede Einzelheit niederzuschreiben?! - Und so trägt jedes Stück des teuren Wortes Gottes den Stempel göttlicher wörtlicher Eingebung an oder in sich selbst für jeden, der die menschliche Weisheit und Philosophie beiseite lassen und Dem glauben will, der da sagt und tausendfach bestätigt: „Siehe, Ich lege Meine Worte in deinen Mund”, und dessen Wort selbst bezeugt: „Heilige Männer Gottes redeten, getrieben durch den Heiligen Geist” und „des HERRN Wort bleibt in Ewigkeit” usw. (2. Petr. 1,21; 1. Petr. 1,25). Dafür sind auch die oben dargebotenen Einzelheiten aus dem Markus-Evangelium eine sprechend klare Bezeugung. Gelobt sei Er, der „das Wort Gottes” heißt (Joh. 1,1ff.; Off. 19,13!).
Möchten wir beim Betreten des unbekannten Landes eines dunkel vor uns liegenden neuen Jahres uns dessen erinnern, dass der HERR uns für die „geöffnete Tür” in Seiner Arbeit - eine ernste und kostbare Vorbedingung gegeben hat in Off. 3,8: „Ich kenne deine Werke. Siehe, Ich habe eine geöffnete Tür vor dir gegeben, die niemand zu schließen vermag; denn du hast eine kleine Kraft und hast Mein Wort bewahrt und Meinen Namen nicht verleugnet.” - Der HERR helfe uns in Gnaden, diese Bedingung für eine gesegnete und von Ihm anerkannte Tätigkeit stets aufs neue bei uns zu verwirklichen!