Antwort
Das Verbot des Bilderdienstes ist durchaus deutlich. Aus 2. Mose 20,1-17 (vgl. 5. Mose 4,16; 5,8ff.; 3. Mose 26,1ff.), insbesondere aus Vers 4-6 ist klar zu ersehen, dass Gott jede Art von bildlicher Darstellung zum Zwecke der Verehrung verbietet. Die Anbetung Gottes sollte geistlicher Art sein! Während in den heidnischen Tempeln die Götter in allerlei bildlichen Darstellungen ihren Verehrern vor Augen gestellt wurden und allerlei Hausgötzen in den Wohnungen zu finden waren, sollen innerhalb des priesterlichen Volkes Israel solche Dinge nicht gefunden werden.
Aus diesem klaren Verbot ist aber nicht der Schluß zu ziehen, als ob jede künstlerische Darstellung von Gegenständen aus der unbelebten Welt oder von Tieren und Menschen verboten und als Greuel vor Gott anzusehen sei.
Wir finden sogar in dem Heiligtum Israels bildliche Darstellungen, z. B. die Cherubim, in plastischer Darstellung aus Gold getrieben auf dem Deckel der Bundeslade und als gewirkte (oder gestickte) Bilder im Vorhang vor dem Allerheiligsten und in der Decke.
In der Wüste, wo die Anfertigung und Aufstellung des goldenen Stieres das Strafgericht Gottes bewirkte, weil es als Symbol Jehovas zur Verehrung aufgestellt worden war, gab Gott selbst einen Befehl zur Herstellung der ehernen Schlange (4. Mose 21,4-9), natürlich nicht zum Zwecke der Verehrung. Erst als diese nach Jahrhunderten doch geschah, ließ der fromme König Hiskia dieses Bild, das bis dahin zur Erinnerung aufgehoben worden war, zerstören (2. Kön. 18,1-4). Man vgl. auch z. B. die Symbole der 12 Rinder unter dem „ehernen Meer” (1. Kön. 7,25).
Aus diesen Tatsachen ergibt sich klar, dass es sich bei dem Verbote hauptsächlich um die Verehrung der Bilder oder Symbole handelte. Das „du sollst dir kein geschnitzten Bild machen, noch irgend ein Gleichnis” ist nicht ohne den Nachsatz zu lesen, der die Begründung enthält: „du sollst dich nicht vor ihnen niederbeugen und ihnen nicht dienen!”
Keineswegs ist damit jede künstlerische Verwendung von Bildern restlos verboten. Wäre es so, so dürften wir als entschiedene Christen, die Gottes Verordnungen anerkennen, keine illustrierten Blätter halten, keine Bilder aufhängen noch uns photographieren lassen, dürften auch keine Bilder zu Unterrichtszwecken verwenden. Eine solche Konsequenz zieht der Koran (vgl. Sure 5 und 6) und ziehen bis heute die strengen Mohammedaner.
Man kann dagegen nicht etwa einwenden, dass jene strengen Bildverbote nur für die Zeit des Alten Bundes Geltung hätten, denn das Neue Testament enthält keinerlei Widerruf des Verbotes oder eine Aufhebung des göttlichen Grundsatzes. Eine Anfertigung von Bildern zu Zwecken der Verehrung war stets verboten. Eine Verwendung von Bildern zu Zwecken des Schmuckes oder der Belehrung war nie verboten. Freilich ist die äußerste Beschränkung auch zu diesen Zwecken da geboten, wo die Gefahr einer falschen Wertschätzung oder Verehrung besonders groß ist. So war es zur Zeit des jüdischen Volkes in den Tagen Moses bis in die Zeit der Apostel inmitten einer heidnischen Umgebung. Es ist daher zu verstehen, dass in den urchristlichen Gemeinden eine so große Abneigung gegen alle Bilderverehrung bestand, dass man weder Altäre noch Bilder noch Weihrauch duldete. Es ist eine auffallende geschichtliche Tatsache, dass trotz des verhältnismäßig schnellen Aufkommens so mancher Irrtümer in Lehre und Praxis es mehrere Jahrhunderte gedauert hat, bis sich der Bilderdienst in den bereits stark verweltlichten Kirchen wieder einbürgern und nach langen, schweren Kämpfen durchsetzen konnte.
Noch im vierten Jahrhundert verabscheute man es als heidnisch, Bilder in den Kirchen zu haben. Als Epiphanius († 403), ein Vertreter der strengen Orthodoxie, in Palästina irgendwo einen Vorhang mit dem Bilde Christi oder eines Heiligen fand, zerriß er ihn, da es gegen die Autorität der Heiligen Schrift sei. Selbst Eusebius, der Hoftheologe Kaiser Konstantins, lehnte den Gebrauch der Bilder scharf ab. Um 390 fing man aber an, Bilder aus der Bibel oder aus der Märtyrergeschichte zum Schmuck und zur Belehrung aufzuhängen. Zu Beginn des achten Jahrhunderts hatte dann nach schweren Kämpfen und Abwehrversuchen das Unwesen der Bilderverehrung einen solchen Grad erreicht, dass es nicht mehr ausgerottet werden konnte, sondern sich in den orientalischen und katholischen Kirchen bis heute behauptet hat. Es kam zur Proskynese, d. i. kniefälligen Verehrung (proskynein = anbeten, z. B. Off. 4,10; 5,14), zum Küssen der Bilder, zum Räuchern vor den Bildern, schließlich zum Abkratzen der Farbe zur Verwendung in Krankheiten oder im Abendmahlswein. Schließlich behauptete man sogar allerlei Wunder, die die Bilder bewirkt hätten. Auch wollte man das „echte Bild” des HERRN besitzen. Verschiedene „wahre Bilder” wurden gezeigt, werden bis heute hier oder dort in katholischen Kirchen gezeigt. -
So sehen wir also, wie die anfängliche Verwendung von Bildern lediglich zum Schmuck oder zur Belehrung doch wieder zum heidnischen Mißbrauch führte. So kann man es verstehen, dass die Gläubigen in Rußland, die aus der orthodoxen Kirche stammen, alle Heiligenbilder aus ihren Wohnungen entfernen und erst recht in den Versammlungsräumen keine Bilder dulden. Auch der Bildersturm zur Zeit der Reformation erscheint entschuldbar als eine Reaktion gegen den kirchlich sanktionierten Bilderdienst.
Es ist ohne Zweifel auch dort, wo nicht die Gefahr einer Verehrung der Bilder besteht, eine Ablehnung von Christus- und Apostelbildern für Versammlungsräume zu empfehlen. Eine Darstellung Gottes oder des Heiligen Geistes wird wohl von jedem Gläubigen als ungeziemend und abstoßend empfunden werden. Aber auch die Darstellungen Christi - über deren Zulassung die Gläubigen nicht einer Meinung sind - dienen gewiß nicht zur Förderung der Andacht und wirklicher Erbauung - künstlerischen Zwecken zu dienen sind aber unsere Versammlungsräume nicht da! Ob und in welchen Grenzen solche Bilder in der Sonntagsschule oder in unseren Wohnräumen Raum finden können oder dürfen, ist wohl eine Frage der Erziehung, des geistlichen Verständnisses und Geschmackes. Sicher ist, dass wir bei allen bildlichen Darstellungen des HERRN es nur mit Phantasiebildern der Künstler zu tun haben. Denn wir haben keine Nachrichten über die äußere Gestalt des HERRN, wie Er auf Erden wandelte. Die ältesten Bilder stellen den HERRN bartlos dar. Der heute übliche Typus entstammt den byzantinischen Künstlerwertstätten. Ein direktes Verbot, die Apostel oder den HERRN bildlich darzustellen, finden wir im Neuen Testament nicht, auch nicht in Apg. 17,29, wo nur eine Tatsache betont wird. Aber je mehr ein Gläubiger im Worte lebt und im Glauben an den unsichtbaren HERRN wandelt, um so weniger wird er Geschmack finden an irgendwelchen Phantasiebildern, die nur falsche Vorstellungen hervorrufen!
J. W.
Einige Bemerkungen der Schriftleitung
Manche Gläubige, die Abbildungen des Herrn Jesus als unbiblisch und ungeistlich ablehnen, sie auch für sich in ihren Wohnungen im allgemeinen nicht anbringen - auch kaum für Unterrichts- und Belehrungszwecke -, begründen ihre Ablehnung oft damit, dass es doch gänzlich unmöglich sei, den, der „der Schönste unter den Menschensöhnen” sei (Ps. 45,2 nach Luther) und der doch „so entstellt war, dass man das Angesicht vor Ihm verbarg” (Jes. 53), bildlich darzustellen. Aber so gemütvoll und schön diese Begründung auch ist (auch für mich persönlich!), so ist sie es doch nur für solche, die in gleicher geistlicher Weise empfinden, und nur das Gewissen und das geistliche Verständnis des einzelnen ist darin maßgeblich, und wir können niemand zwingen, im Lichte unseres Gewissens oder unserer Schrifterkenntnis zu handeln. Aber wir sollten denen, die darin anders als wir denken, lieber ernstlich die in der obigen klaren Antwort so ernst betonte Gefahr vor Augen halten, dass durch alle sinnenfällige, abbildliche Darstellung des HERRN einer äußerlichen, ungeistlichen, ja abgöttischen Verehrung Vorschub geleistet wird, wodurch das geistliche Glaubensleben gehindert wird, weil der Mensch den Glaubensblick auf den Unsichtbaren, Verherrlichten verliert. „Wir kennen Christum nicht nach dem Fleische”, sagt Paulus in 2. Kor. 5,16; dies Wort darf auch auf diese Frage bezogen werden. Paulus würde nie und nimmer ein Bild des Gekreuzigten und Auferstandenen geduldet haben! Er sah stets auf den verherrlichten, der ihm einst vor Damaskus erschienen war, und genau wie er das „Verwandeltwerden in Sein Bild durch Anschauen Seiner Herrlichkeit” lehrt (2. Kor. 3,18), so lehrt Johannes das dereinst „Ihm Gleichsein, wenn wir Ihn sehen werden, wie Er ist” (1. Joh. 3,1ff.). Ebenso weist Petrus hin auf die Freude derer, „die Ihn nicht gesehen haben und doch lieben” (1. Petr. 1,8), während der ganze Hebräerbrief und zumal in dem köstlichen Glaubenskapitel 11 uns erst recht zeigt, wie nicht das Sichtbare, sondern das Unsichtbare die Grundlage für unser Glaubensleben ist (vgl. z. B. 11,27, aber auch Kap. 2,9 u. a.). „Wir wandeln durch Glauben, nicht durch Schauen” sagt uns 2. Kor. 5,7! Das sinnenfällige Bild ist viel eher ein Hindernis als eine Hilfe für dies Leben des Glaubens.
Wenn jetzt aber unter den gläubigen Lesern, eher Leserinnen, behauptet wird, dass durch die äußere Anschauung die Andacht gehoben werde, so glaube ich hiervon als vor einer gefährlichen Gefühlstäuschung ernstlich warnen zu müssen. Wie oft kommt man in der praktischen „Seelsorge” mit Ungläubigen oder Erweckten, ja sogar Gläubigen, meist aber weiblichen Geschlechtes, zusammen, die einem in gefühlsseliger Weise vorschwärmen, sie hätten „den lieben Heiland daheim in ihrer Kammer oder an der Wand”, und wenn sie beteten, so gäbe das Anschauen dieses Bildes oder Kreuzes (kath. Kruzifix in Häusern sogar von Nicht-Katholiken!) ihrem Gebet eine besondere Andacht, Weihe und Kraft. Solche teuren, meist in arger Selbsttäuschung lebenden Seelen müßte man fragen, ob sie ohne jene Bilder usw. nicht beten könnten, und man würde etwa zu hören bekommen: „Ja, aber nicht mit solcher Andacht und Seligkeit”. (!) Man mache einmal die Probe, und man wird erschrecken, wieviel krasser Katholizismus sich unter „Protestanten” findet auf diesem und anderen Gebieten. (Gebetbücher, Hausaltäre u. a.) Wenn solche Seelen auch das Bild zu verehren weder wünschen noch glauben, sondern den darauf Dargestellten, so ist ihre „Anbetung”, ihr „Gottesdienst” usw. doch in Wirklichkeit nicht weit von grobsinnlichem, religiösem Bilderdienst entfernt! Ihr Glaube braucht Stützen und Krücken und droht zusammenzubrechen, wenn die Krücken fehlen oder verloren gehen! Wie ernst zu nehmen sind daher die klaren Belehrungen obiger Antwort!
Und wenn zuletzt hingewiesen wird auf die falschen Vorstellungen, die solche Bilder erwecken, so möchte ich auch dies unterstreichen. Wohl kann man von der Art und Weise manchen Bildes lernen, was der bekehrte oder unbekehrte Künstler sich gedacht hat, ja, man kann diese Männer bewundern lernen (statt der Person, die sie darstellen!!) ob ihrer mehr oder weniger klaren künstlerischen Erfassung ihres Gegenstandes - jedes Christusbild ist gleichsam eine Schriftauslegung (aber was für eine?) -, doch man kann und wird sehr oft, wenn nicht meistens, falsche Begriffe lernen. Ob nicht sehr viele Gemeinschaftschristen zum Teil deswegen eine ganz unbiblische Vorstellung von der Weise der christlichen Taufe haben, weil sie an Bilder denken, wie z. B. an das in einer bekannten Bilderbibel (!), in der bei der Taufe des Herrn Jesus der Täufer Johannes dasteht mit einer Schale Wasser in der erhobenen Hand?! -
Schließlich schreibt der Verfasser der Antwort: „Je mehr ein Gläubiger im Worte lebt” usw. - Ja, lasst uns im Worte leben! In diesem haben wir eine unendliche Fülle der herrlichsten, unübertrefflichsten, wahrheitsgetreusten „Bilder” des HERRN, ja - Ihn Selber vor uns, und welchem wahren Gläubigen ist es wohl nicht schon einmal und oft so ergangen, dass er beim betenden Betrachten dieser „Bilder”, dieser Seiner Person, in staunender Bewunderung sich gebeugt hätte und in reinste, tiefste Anbetung ausgebrochen wäre?! Und das ist dann wahre biblische Anbetung „in Geist und in der Wahrheit” (Joh. 4,24), und zu dieser sind wir berufen und befähigt durch den Heiligen Geist, der uns gegeben ist und der gleichsam der wahre göttliche „Maler” und „Künstler” ist, der nur Christum verherrlicht und Ihn uns so zeigt, wieEr ist (Joh. 16,7-16). Darum lasst uns mehr leben in Wort und in Liebe und Gehorsam (Joh. 14,21ff.) im praktischen, geistlichen Wandel und in Gemeinschaft mit unserem (geistleiblich) noch abwesenden, aber bald wiederkommenden geliebten Herrn Jesus Christus, der gleichwohl im Geist „bei uns ist alle Tage” (Mt. 28,20)! Er gebe uns Gnade dazu, Ihn hienieden stets besser zu schauen mit den Augen des Glaubens - bald werden wir Ihn schauen von Angesicht zu Angesicht! (1. Kor. 13,12.) Wie wird das sein!
F. K.