Vater - Hebräer 2,11

Stimmt die Erklärung „Vater“, welche manche Erklärer und Übersetzer in Hebr. 2,11 dem „von einem“ hinzufügen?

Antwort

M. E. stimmt sie nicht. Die Gründe: Es handelt sich nicht um die Abstammung der Söhne, von denen die Rede ist, sondern um den Ursprung des beiderseitigen durch „heiligen” Gekennzeichnetseins. Das hat nichts mit einem Vater zu tun; wohl aber mit der Frage: Wo hebt diese Kennzeichnung an, woraus entspringt sie?
Wenn es die Abstammung wäre, dann müßte der Herr Jesus auf dieselbe Weise Mensch sein, wie die Brüder es sind. Das ist aber nicht der Fall. Er ist als Sohn wohl Mensch, dabei aber Gott. Die Brüder sind nur aus Gott geborene Söhne. Darin besteht also keine Gleichheit; noch viel weniger ist es so, dass der Sohn Gottes durch Seine Menschwerdung der sündigen Menschen Bruder geworden wäre.

Es steht da, dass Gott als ein viele Söhne zur Herrlichkeit Führender es Seiner Selbst angemessen fand, den Anführer dieser Schar Söhne durch Leiden vollkommen zu machen. Das meint: fähig für die Führerstellung. Er muss die dazu nötigen Qualitäten praktisch erworben haben. Wie geschah das? Durch Leiden, Leiden auf Seinem einsamen Lebensweg, der seinen Abschluß im Erleiden des Todes fand. (V. 9) Er ist in der Herrlichkeit. Er hat Sich dorthin für die anderen abgesondert, geheiligt (Joh. 17,18), um an ihnen, die in Schwachheit hienieden sind, als treuer, verstehender, barmherziger Hoherpriester das zu tun, was sie der Heiligkeit teilhaftig werden läßt, was sie für die heilige Gegenwart Gottes, für die Herrlichkeit droben, heranbildet.

So ist der beiderseitige Ursprung, der des Heiligers und der der Geheiligtwerdenden, der Tod des Heiligers. So ist es auch klar, dass der Heiliger erst nach Seiner Auferstehung die Kinder, die Ihm Gott, die Menschen, die Ihm der Vater aus der Welt gegeben hat (Joh. 17,6), die nun „Söhne, d. i. Mündige”, werden sollten, Seine „Brüder” heißen kann, nicht vorher.

Wenn es sich nur um das gewöhnliche Menschsein als von Gott dem Vater her handelte, wäre das „um welcher Ursache willen Er Sich nicht schämt, sie Brüder zu nennen”, völlig sinnlos, weil selbstverständlich. Die Ursache ist aber eine andere, ist die angegebene.

Die in Betracht Kommenden, die Kinder, haben alle von Natur gemein, dass sie Blut in und Fleisch an sich haben. Um ein Anführen von Söhnen, die zur Herrlichkeit geführt werden sollen, werden zu können, musste Er werden, was sie sind: Mensch mit Blut und Fleisch. Dadurch entstand aber die Brüderschaft noch nicht. Das war nur der Weg, der dazu führte. Die Brüderschaft begann, nachdem Er in den Tod gegangen war und sie, der Theorie nach, dorthinein mitgenommen hatte, um in der Auferstehung, wiederum sie der Theorie nach einbezogen, eine neue Menschheit zu schaffen. In dieser ist nun die Brüderschaft Wirklichkeit in Ihm und in ihnen. Die Stelle aus Ps. 22 und die durch Maria Magdalena den „Brüdern” zu übermittelnde Botschaft beweisen es.

Ein weiteres: Warum soll „von einem” durchaus auf das „ein” menschlichen Geschlechts zurückgehen? Es ist ebensogut sächlichen wie männlichen Geschlechts, im Deutschen und im Griechischen. In Röm.5,16 ist es dasselbe „von einem”; in beiden Stellen eigentlich: „aus einem”, gegen unsere Gewohnheit, im Deutschen „von” zu sagen. In der Römerstelle ist es nicht schwer, an etwas Sächliches zu denken. Die Elberfelder Übersetzung setzt auch in der Fußnote hinzu: „d. h. von einer Sache oder Handlung”. Man setze das in der Hebräerstelle auch dazu und nehme „aus” statt „von”, dann ist’s etwas leichter zu verstehen, dass der Schreiber des Römer- und Hebräerbriefs mit Absicht sich der abstrakten Ausdrucksweise bedient. Es gibt andere Beispiele: „eines aber” (tue ich), Phil. 3,14; „dies eine aber sei euch nicht verborgen”, 2. Petr. 3,7; „und die drei sind auf das eine (gerichtet), 1. Joh. 5,8; „Ich und der Vater sind eins” (nicht einer!), Joh. 11,30; „auf dass Er die zerstreuten Kinder Gottes in eins versammelte”, Joh. 11,52. Was ist das, dies sächliche „eins”? Ein Abstraktum.
Niemand findet eine Schwierigkeit darin. Nun, in Hebr. 2,11 ist's dasselbe abstrakte sächliche „ein”.
Zusammengefaßtes Ergebnis:

Auf dem Boden der Auferstehung sind sowohl der, welcher heiligt, als auch die, welche geheiligt werden, aus einem Entstandensein: als Menschen, die als Söhne zur Herrlichkeit gebracht werden durch Jesus, der sie Brüder nennt und der durch Leiden vollkommen gemachte Anführer ihrer Errettung ist.
Franz Kaupp.


Beantwortet von: Team Handreichungen
Quelle: Handreichungen - Band 22 (1937)