Antwort A
Der Fragesteller sieht in den beiden Schriftstellen einen Widersprach, weil nach dem einen Bericht Judas, nach dem anderen die Hohenpriester den Acker gekauft hätten. Wenn man aber nun diese beiden Stellen genau liest, dann findet man, dass es in der Apg. heißt: „den Acker erworben” und in Mt.: „den Acker gekauft”. Wir wissen aus dem Alten Testament und aus den Ausgrabungsfunden in Vorderasien und Judäa, dass der Kauf von Ländereien schon damals durch besondere schriftliche Verträge festgelegt wurde, dass sie also, wie wir heute sagen würden, dadurch erst rechtsgültig wurden. In Jer. 32,6-15 ist der Kauf eines Feldes beschrieben. Da heißt es V. 10: „Ich schrieb einen Kaufbrief und versiegelte ihn und nahm Zeugen, und ich wog das Geld auf der Waage dar.” Hier wird also zuerst der Kaufbrief ausgestellt und dann das Geld gegeben. Der Kaufbrief wurde in einem irdenen Krug aufbewahrt (V. 14). Prof. Deißmann bringt in seinem bemerkenswerten Buch „Licht vom Osten” Lichtabdrücke über zwei aufgefundene Kaufverträge, die ebenfalls in irdenen Krügen aufbewahrt wurden (3. Aufl., S. 25ff. Der eine wurde im Jahre 88 v. Chr., der andere 22/21 v. Chr. abgefaßt und beide auf Pergament geschrieben. Sie wurden im Jahre 1909 von einem Bauern im persischen Kurdistan in einem hermetisch verschlossenen Krug gefunden.) Beim Ackerkauf des Judas wird es nicht anders gewesen sein. Wir müssen deshalb ausden beiden Berichten der Schrift entnehmen, dass Judas wohl den Acker erwarb, aber ihn noch nicht bezahlt hatte. Als er wahrscheinlich im Begriff war, die 30 Silberlinge für den Acker zu bezahlen, kam die Verzweiflung über ihn. Sein schändlicher Verrat am HEnn kam ihm mehr und mehr zum Bewußtsein und brachte ihn zur Verzweiflung, so dass er das Geld nahm und in den Tempel warf, als wenn er es seinen Geldgebern vor die Füße hätte werfen wollen. Dann ging er hin und erhängte sich auf dem erworbenen Acker, wobei der Strick riß und er abstürzte und mitten entzwei geborsten ist. Für die Hohenpriester entstand nun die überaus peinliche und schwere Frage, was sie mit diesem „Judaslohn” anfangen sollten. Dass sie das Geld nicht einfach wieder in ihre Kasse, den Korban, vereinnahmten, beweist, dass sie über das Geschäft mit Judas ebenfalls kein gutes Gewissen hatten. Es war Blutgeld, und so verfielen sie auf den Ausweg, den von Judas bereits erworbenen Acker mit diesen 30 Silberlingen zu bezahlen. Sie „hielten Rat”, da sie sich in Verlegenheit befanden. Sie nannten den Acker Blutacker und begruben auf ihm die Fremdlinge; so wird auch verständlich, warum sie einen Acker für das Geld kauften. Sie erfüllen dadurch, ohne zu wissen, die Schriften (Sach. 11,12.13).
In dem Wort Gottes sind keine Widersprüche, diese liegen in uns selbst. Im Gegenteil zeigen solch genaue Unterscheidungen der Schrift, wie die Verfasser aufs eingehendste unterrichtet waren, denn die Schrift ist von Gott eingegeben. Sie ist eine ebenso wunderbare Schöpfung Gottes wie die sichtbare Welt, die durch Sein Wort erschaffen wurde.
C. S.
Schlussbemerkungen des Schriftleiters
Was für eine deutliche, einleuchtende Antwort! Und obwohl der Verfasser auf den zweiten Teil der Frage nicht besonders einzugehen für nötig gehalten zu haben scheint, so ist dieser Teil der Frage doch mit berührt. Denn wenn durch diese Unterscheidung von „erworben” und „gekauft” die leider sehr beliebte Methode völlig überflüssig geworden ist, Apg. 1,18 zu „vergeistigen”, als ob Petrus die Tatsachen bildlich ausgelegt hätte, so erscheint es doch auch unzulässig, den letzten Teil des Verses bildlich aufzufassen! Diese bildliche Auffassung, als ob das Geborstensein des Bauches des Judas gar nicht wörtlich zu verstehen sei, sondern so, als ob durch seinen Selbstmord sein Inneres offenbar geworden sei, ist eine etwas gefährliche Methode, geschichtliche Darstellungen, sobald man sie mit anderen Stellen nicht ohne weiteres in Einklang bringen kann - was durch Antwort A aber sehr leicht ist! -, so zu pressen und zu formen, dass sie ihres eigentlichen Inhalts entleert werden! Davor möchte ich warnen, und davor hätte ich gewarnt, selbst wenn nicht eine solche Antwort wie die obige dies verbildlichende Verfahren als völlig unnötig gezeigt hätte. Wohin kommen wir, wenn wir einen geschichtlichen Bericht (dessen Tatsächlichkeit doch auch anderen als nur Petrus bekannt sein mochte) verbildlichen? Möchten wir wohl diese Auslegungsart auch auf den unleugbaren Tod von Ananias und Sapphira (Apg. 5) oder auf den des Stephanus (Apg. 7) anwenden? Sicherlich nicht! Warum denn also bei Judas? Ist es so sehr schwer, in Apg. 1,18 eine Erweiterung des Berichtes der Evangelisten zu sehen? Man kann dann ja diesem Bericht auch gewissermaßen eine bildliche Bedeutung geben, aber die uneingeschränkte Tatsächlichkeit des Vorgangs muss man zunächst zugeben. Über die Frage, warum Matthäus diesen Vorgang nicht mitberichtet habe, haben wir nichts zu bestimmen; höchstens glaube ich sagen zu dürfen: Matthäus berichtet von der Verzweiflungstat des Judas, Lukas in der Apg. aber betont das Gericht Gottes, das den Leib des Selbstmörders vor aller Augen traf, und infolgedessen die von Petrus angeführte Notwendigkeit, dass ein anderer an die Stelle des Judas treten müßte, womit auch die Schrift erfüllt werden mußte.
Wenn wir einmal eine schwierige Stelle nicht gleich erklären können, wollen wir demütig unser Unvermögen zugeben, aber nie in dem ewigen Wort unseres Gottes auch nur Unstimmigkeiten für möglich halten, denn: „Dein Wort ist geläutert”.
F. K.