Unterschied: feinen Leinwand und dem Kleide

Bitte um eine Auslegung von Offenb. 19,8! Welcher Unterschied besteht zwischen der „feinen Leinwand“ und dem „ Kleide“ Offenb. 3,4a? (Vgl. Jes. 61,3.10; Sach. 3,3-5; Matth. 22,11; Offenb. 3,4b-5; 4,4; 6,11; 7,9.14; 16,15.)

Antwort

Um dieser Frage auf den Grund gehen zu können, ist es vielleicht dienlich, die Bekleidung als solche in der Bibel etwas näher ins Auge zu fassen.
Die Bekleidung des Menschen hat ihren Ursprung im Sündenfall; denn sie wäre nicht nötig gewesen, wenn nicht die Sünde durch den Menschen ihren Einzug gehalten hätte. Darum lesen wir im Worte Gottes, nachdem der Mensch gefallen war, in 1. Mo. 3,21: „Und Jehova Gott machte Adam und seinem Weibe Röcke von Fell und bekleidete sie”. Doch wird uns hier zum erstenmal klar gezeigt, dass dies nur auf Grund eines Opfers geschehen konnte. Das Leben eines Tieres musste preisgegeben werden, Blut musste fließen; denn ohne Blutvergießen gibt es keine Vergebung. Alles das war notwendig, um die Blöße, die Nacktheit des gefallenen Menschen zu bedenken. Dies ist das erste und wichtigste Kleid. Wir müssen dort anfangen, wo Gott anfängt, wenn wir ein klein wenig von den Kleidern der Schrift verstehen lernen wollen. Es musste ein Opfer gebracht werden, wenn wir bekleidet werden sollten. Keinen anderen Weg kannte der allmächtige, allweise und der allgütige Gott. Wie ernst und doch wie herrlich, dass es so ist! Gott Selbst brachte das erste Opfer, um den Menschen aller Zeiten eine göttliche, eindringliche Unterweisung zu geben, dass ihre Sünden nur durch das Blut und Leben eines anderen gesühnt und bedeckt werden könnten. Die Gläubigen aller Zeitalter zeigten durch das Darbringen von Tieropfern dem Jehova, dass sie diese erste göttliche Heilsunterweisung nicht nur verstanden, sondern auch im Glauben erfaßt und im Herzen verwirklicht hatten. Ihre Opfergaben bewiesen die Anerkennung der gerechten Forderungen eines heiligen Gottes sowie ihre Entfernung von Gott durch Sünde. Wie aber Gott Selbst das erste Opfer brachte, war es doch nur ein Hinweis auf das von Gott gegebene letzte, größte und eigenartigste Opfer; in der Dahingabe Seines eingeborenen Sohnes, das die Erfüllung aller Opfer in Sich schloß. Darum kein Opfer mehr außer Ihm.

Doch um auf die Kleidung zurückzukommen, möchten wir gleich am Anfang bemerken, dass das Wort Gottes dreierlei Hauptkleidungen der Gläubigen unterscheidet. Wie beschämend für uns, dass wir so wenig vertraut sind mit der göttlichen Kleidung, aber leider nur zu oft mit den Moden dieses Zeitlaufes!

Die erste Art von Kleidung haben wir bereits genannt. Es ist die Fell- und Opferkleidung, die unsere Nacktheit vor einem heiligen Gott bedenkt. (Vgl. 2. Kor. 5,1-4.)
Die zweite Kleidung wird nicht durch ein Opfer gewonnen, sondern durch eine Pflanze. Wir finden sie in 2. Mo. 28,42 und 3. Mo. 16,4. Es ist die sogenannte Linnenkleidung.

Ferner wird in 2. Mo. 25,4 bis 2. Mo. 39,29 das Wort: „Byssus”ca. 32 mal gebraucht. Im hebräischen Text sind dies zwei verschiedene Worte. Nicht alle Übersetzungen halten diese Ausdrücke getrennt, zum Schaden des sorgfältigen Bibellesers. Es besteht ein Unterschied im Gebrauch dieser Stoffe und deren sinnbildlicher Bedeutung. Wie es denn ja keinen Unterschied im Worte Gottes gibt ohne eine geistliche Bedeutung. Wir kommen auf den Unterschied später zurück.
Die dritte Hauptbekleidung wird uns hauptsachlich in der Priesterkleidung der Herrlichkeit, des Schmuckes und der Farbenprächtigkeit in 2. Mo. 28,2ff. vorgestellt. Diese dritte Art von Kleidung schließt sicherlich solche, wiewir sie inJes. 61,3.10 und Mt. 22,11 finden, ein. Obwohl auch innerhalb der drei Hauptgruppen von Kleidern Unterschiede mit tiefer geistlicher Bedeutung zu erkennen sind, ist jetzt nicht der Platz, auf alle Einzelheiten und Verschiedenheiten einzugehen. Begnügen wir uns mit einer kurzen Charakterisierung der drei Hauptgruppen. Der vollendetste Ausdruck von der dritten Hauptkleidung ist uns in dem „besten Kleid” von Lk. 15 gegeben. Es ist wohl kaum nötig zu bemerken, dass all die verschiedenen Kleider die Mannigfaltigkeit des Werkes und die Herrlichkeit der Person des Herrn Jesus vorstellen.

Das erste Kleid, das Fell- und Opferkleid, möchte uns besonders die Notwendigkeit des Opfers ans Herz legen. Es bildet naturgemäß die Voraussetzung der zwei anderen Kleider. Wer nicht diese so wichtige Kleidung in diesem Leben durch den Glauben an den Sünderheiland sich aneignet, wird niemals gewürdigt werden, in der Zukunft das weiße Linnenkleid zu tragen.

(Dass Engel oft mit reiner, glänzender Leinwand angetan sind, wie wir in Off. 15,6 und Ev. Joh. 20,12 usw. finden, besagt nicht, dass sie durch das Blut des Christus gereinigt wurden, denn dies wird nie von Engeln gesagt, sondern es hat hier die Bedeutung, das es heilige Engel sind im Gegensatz zu den gefallenen. Dass Weiß die Farbe des sicheren Sieges ist, vergl. Off.6,2 und 19,11, kann vielleicht auch besagen, dass Christus über den Tod gesiegt hat, denn sie waren Zeugen hiervon, und sie sind befähigt, die Aufträge Gottes hinauszuführen. Ferner ist Weiß die Farbe des Lichtes; so ist Licht ihr Gewand. Sie erscheinen den Menschen nie ungekleidet.)

Die Fellkleidung wird jetzt, in der Wüste, im Leibe der Niedrigkeit getragen. Die Kleidung entspricht ganz den Umständen der Pilger und Fremdlinge in der Welt, die ihnen durch das Opfer des Herrn Jesus und Seiner Verwerfung zur Wüste geworden ist. Wir gehen nicht in der Nacktheit unserer Sünden durch die Wüstenwelt, sondern tragen das Kleid und die Kennzeichen des für uns gestorbenen Christus. Welch eine Gnade! Das weiße Linnenkleid trägt Reichs- und Zukunftscharakter. Wir tragen es noch nicht, obwohl es uns verheißen ist. Off. 3,4 und 19,8. Dieses Kleid steht nicht in Verbindung mit Seiner Niedrigkeit und Verwerfung, sondern mit Seiner Erhöhung, Macht, Herrlichkeit und Seinem Reich. Weiß ist die Farbe des Lichtes, des Sieges und der Reinheit. Unser Leib der Niedrigkeit wird umgestaltet werden zur Gleichförmigkeit mit Seinem Leibe der Herrlichkeit. Das Licht ist die Sonne der Gerechtigkeit, der Sieg ist im Löwen von Juda uns gezeigt und die Reinheit in dem Heiligen Gottes. „Wenn Er, der Christus, unser Leben, geoffenbart wird, dann werden wir mir Ihm geoffenbart werden in Herrlichkeit.” (Kol. 3,4.) Weiße Linnenkleidung trug der Hohepriester am sogenannten Versöhnungstag. Vgl. 3. Mo. 16,4.23. Ins Allerheiligste ging er nie in seinem Prachtgewande. Diese weiße Linnenkleidung stand in enger Beziehung zur Sühnung. Sühnung - nicht Versöhnung, dies kommt im A. T. kaum vor - ist das immer wiederkehrende Wort in diesem Hauptkapitel des 3. Buches Mose. Blut war notwendig zur Reinigung, um im Lichtweiß und der Lichtreinigkeit einst mit Christo erscheinen zu können. Vgl. Off. 7,14. Dieses weiße Kleid trägt Verwaltungscharakter und schließt zugleich Verantwortlichkeit in sich. Es ist allen Treuen verheißen, die Seine Erscheinung liebhaben. Wir werden in Seinem Reiche der Herrlichkeit so erscheinen, wie wir jetzt für Ihn leben und was wir während Seiner Verwerfung für Ihn sind.
Der Unterschied zwischen dem „Kleid” und dem „weißen Kleid” und der „feinen Leinwand” in Off. 3,4.5 und 19,8 scheint der zu sein:
Mit „Kleid” wird unser Wandel, unser Verhalten in dieser Welt vorgebildet. Vgl. 1. Petr. 1,13; Lk. 12,35; 2. Mo. 12,11.

Das weiße Kleid wird hier als Lohn für die Treue im Überwinden gegeben. Wir dürfen nicht vergessen, dass die Verheißungen der vier letzten Sendschreiben immer mit dem Reiche in Verbindung stehen. Es werden uns die Dinge als Verheißungen für Treue in Aussicht gestellt, die uns doch nur gegeben werden können auf Grund der Sühnung. Die „feine Leinwand” in Off. 19,8bildet mehr den Charakter des Kleides, wie das „weiße Kleid” mehr die Art des Kleides, vor. Im weißen Kleid wird die Treue, das Überwinden belohnt. Die „feine Leinwand” spricht mehr von dem,was wir für Ihn taten und wirkten und wiewir für Ihn lebten. Jede Tat der Liebe, jeder kleine Dienst, jeder verborgene Schmerz um Seinetwillen, jede Regung des Herzens für Ihn, in anderen Worten: Jede „Feinheit”der Liebe, der Zuneigung und Hingabe für Ihn in dieser Zeit Seiner Verwerfung wird in der „feinen” Leinwand zur herrlichen Darstellung kommen. Alles Verborgene wird der HERR offenbar machen. Also im „weißen Kleid” das Verneinen der Welt mit ihrer Sünde. In der „feinen Leinwand” das Bejahen Christi und die Hingabe an Ihn. Off. 3,4 ist persönlich. Off. 19,8 gemeinsam. Hier scheint auch der Unterschied zwischen der „Leinwand” und dem „Byssus” in 2. Mose zu liegen. Die Leinwand steht mehr in Verbindung mit Sühnung, den gerechten Forderungen Gottes, und trägt einen verantwortlichen Charakter; hingegen der Byssus, welcher im N. T. gleichbedeutend ist mit der „feinen Leinwand”, mehr das Werk der Liebe für Ihn uns vorstellt. Denn der Byssus wurde zur Stiftshütte verwandt, welche ein Bild des Wohnens Gottes in Gnade unter Seinem Volke ist.
Dann finden wir auch noch einen Gegensatz dieser drei Kleidungen. Das Fellkleid steht im Gegensatz zur Feigenblattschürze; das Kleid der feinen Leinwand in Off. 19,8steht im Gegensatz zu dem Prunkkleid der falschen Kirche, Off. 17,4;

das beste Kleid in Lk. 15 steht im Gegensatz zu dem Kleid des reichen Mannes in Lk. 16. Der große Unterschied ist, dass den Gläubigen die Kleider von Gott gegeben werden. Vgl. 1. Mo. 3,21; Off. 3,5 und 19,8. Die Ungläubigen jedoch kleiden sich selbst und verzichten auf die Kleidung Gottes in Christo Jesu.
Nun haben wir noch nichts über die dritte und letzte Kleidung geschrieben. Sie zeichnet sich aus durch Herrlichkeit, Schmuck und Farbenpracht. Vgl. 2. Mo. 28,2.5. Nur nebenbei möchten wir bemerken, dass alle drei Kleiderarten in der Stiftshütte, dem Bild von dem Werke und der Herrlichkeit des HERRN, zum Ausdruck kommen. Wir vernehmen von Fellen, Leinwand und Byssus sowie von Herrlichkeit, Schmuck und Farbenpracht in den Geräten und dem Bau sowie von Teppichen der Hütte. Was könnte wohl über dies alles geschrieben werden! Wie das Fellkleid unsere Nacktheit deckt vor einem heiligen Gott und das weiße Kleid Sühnungs- und Reichscharakter trägt, so spricht das beste Kleid von der Versöhnung und der neuen Schöpfung. Das Fellkleid spricht zu uns von dem Opfer Christi, das weiße Kleid von dem Blute und der Sühnung des HERRN und das beste Kleid von dem, was Christus, der zweite Mensch, ist für das Herz Gottes. Wir sind nicht nur erlöst, noch nur gereinigt, so kostbar wie dies auch ist, sondern angenehm gemacht in dem Geliebten. Wir stehen in der Vortrefflichkeit, in dem Wort und in der Herrlichkeit Seiner gesegneten Person vor Gott. Wenn wir irgend etwas nicht verstehen und uns dessen nicht erfreuen, so ist es die Versöhnung. Das Priestertum, der verlorene Sohn, der wieder ins Vaterhaus geführt wurde, zeigen uns, was Versöhnung ist. Dieses beste Kleid kann weder beschmutzt noch gereinigt werden, weil es sich hier weniger um Sein Werk als vielmehr um die Annehmlichkeit und Vortrefflichkeit Seiner Person handelt. Auf Ihm, dem zweiten Menschen, ruht das Wohlgefallen Gottes.

O, dass wir mehr bei Gott zu Hause wären, um praktisch am Genuß der Wertschätzung des Sohnes beim Vater teilzunehmen! Wie der verlorene Sohn gekleidet wurde mit dem besten Kleid und das Alte vergangen und alles neu geworden war, so ist auch der alte Mensch im Gericht beseitigt, so dass wir in dem neuen, zweiten Menschen Christus vor Gott stehen und uns erfreuen dürfen mit Gott in Christo, im Vaterhaus. Möge es unserem Gott und Vater in Christo gefallen, uns Einsicht, Verständnis und Gnade zu geben, praktisch in dieses unser Ziel einzugehen!

O, dass wir mehr verstehen lernten, was es bedeutet, dass wir jetzt in der Wüste das Fellkleid tragen, welches unsere Nacktheit deckt: Sein Opfer, dass wir dann das weiße Kleid tragen in Seinem Reiche und Seiner Herrlichkeit, welches uns an die Reinigung von unseren Sünden erinnert: Sein Blut, dass wir droben im Vaterhaus ewig angetan sein werden nicht nur mit Seinem Leibe der Herrlichkeit, sondern auch mit der Vortrefflichkeit und Herrlichkeit Seiner Person; wir werden dem Bilde Seines Sohnes gleichförmig sein: Seine Person! Gott sei Dank für Seine unaussprechliche Gabe!
K. O. St.


Beantwortet von: Team Handreichungen
Quelle: Handreichungen - Band 10 (1925)