Übersetzung von Hebräer 10,12

Welche Übersetzung von Hebr. 10,12 ist die dem Grundtext und dem Sinne nach richtigere - diese: „Er aber, nachdem Er ein Schlachtopfer für Sünden dargebracht hat, hat Sich auf immerdar gesetzt zur Rechten Gottes“ (so z. B. die Elb. Üb.) - oder: „Er aber, nachdem Er ein Schlachtopfer für Sünden auf immerdar (vgl. Luther: „das für immer gilt“) dargebracht hat, hat Sich gesetzt zur Rechten Gottes“? Die letztere Übersetzung hat doch manchen Leuten, besonders Katholiken, gegenüber mehr Gewicht!

Antwort

Diese Frage, eingesandt von einem teuren deutschen Bruder, der in Südwesteuropa neben seinem irdischen Beruf im Werke des HERRN, vielfach unter Katholiken, arbeitet, lässt sich zunächst ganz verschieden beantworten, wie ein Blick in die verschiedenen deutschen Übersetzungen beweist; denn man findet tatsächlich in denselben sowie auch in fremdsprachigen Übersetzungen, besonders in katholischen Ländern, die letztere fast ebenso oft wie die erstere.

Es handelt sich also darum, ob der Ausdruck „auf immerdar” zu beziehen ist auf das Sichgesetzthaben des Herrn Jesus zur Rechten Gottes (also auf das Hohepriestertum des HERRN) oder auf das Dargebrachthaben des einen Opfers (also auf die Ewigkeit der Erlösung). Wenn man diese Frage so stellt, so fühlt mancher sich vielleicht versucht, zu sagen, das „für immerdar” müsse sich doch zunächst auf das eine Opfer beziehen, das schiene doch das Leichtverständlichste zu sein. Ja, aber -! Aber

1. ist es ein Geistesgesetz, dass nicht gerade immer das Leichtverständlichste das Richtigste ist, und dann 2. ist es hier wie überall doch vor allem nötig, den Zusammenhang der betreffenden Stelle anzusehen daraufhin, ob die eine oder andere Beziehung des Ausdrucks „auf immerdar” zu wählen ist. - Wenn der Wortlaut des Grundtextes uns darin bestimmte Anweisung gäbe, so hätten wir uns dem ja ohne weiteres zu beugen - aber das tut er eben nicht, wie die verschiedenen Übersetzungen beweisen und wie ich selber bestätigen kann: man dürfte m. E. für beide Übersetzungen Anhaltspunkte finden können. Also sind wir angewiesen auf sinngemäße Betrachtung der Stelle, um das Richtigste zu entdecken.

Da möchte ich nun zuallererst denen, die glauben, mit der obigen zweiten Übersetzung am besten den Katholiken gegenüber (mit ihrem ganzen Wust von Messe und sonstigen unbiblischen Zeremonien) einen besonders festen Standpunkt zu haben, folgendes zu erwägen geben: Bei welcher von beiden Übersetzungen ist die Tatsache der anderen mit eingeschlossen? Deutlicher gesagt: Ist bei der zweiten Übersetzung, bei der sich das „für immerdar” auf das Opfer bezieht, die Tatsache, dass der HERR Sich „für immerdar” zur Rechten Gottes gesetzt hat, miteingeschlossen, oder ist bei der ersteren, bei der sich das „für immerdar” auf das Gesetzthaben zur Rechten Gottes bezieht, das „für immerdar” gültige Opfer miteingeschlossen? Ein wenig sinnende Überlegung wird dem Leser ohne weiteres zeigen, dass die Übersetzung, bei der sich das „für immerdar” auf das Gesetzthaben usw. bezieht, beiden Tatsachen völlig gerecht wird, während die andere jene wichtige Tatsache des Sichgesetzthabens des HERRN zur Rechten Gottes „für immerdar”, nicht einschließen kann. Mit anderen Worten: Unser geliebter HERR kann sich nicht „für immerdar” zur Rechten Gottes gesetzt haben, wofern Er nicht ein ewig gültiges Opfer vollbracht hat, wohl aber wäre es denkbar, dass Er nach Vollbringung dieses Opfers Sich immer noch nicht endgültig als Hoherpriester gesetzt hätte! Ich hoffe, dass diese einfache Erwägung manchem für das Verständnis der Stelle dient.

Nun einen Schritt weiter! Nachdem wir also festgestellt haben, dass unser HERR Sich als Hoherpriester nur gesetzt haben kann, nachdem Er das ewig gültige Opfer vollbracht hatte - also nicht, solange noch irgend etwas zu tun gewesen wäre -, müssen wir weiter feststellen, dass wir aus keiner anderen Schriftstelle wüßten, dass Er Sich „auf immerdar” gesetzt hat, wie aus dieser! Das Neue Testament enthält der Verheißung von Ps. 110,1 entsprechend zehn Aussagen darüber, dass der HERR jetzt zur Rechten Gottes weilt: Mk. 16,19; Apg. 7,55 (noch stehend); Römer 8,34; Eph. 1,20; Kol. 3,1; Hebr. 1,3; 8,1; 10,12; 12,2; 1. Petr. 3,22 - und nur in unserer Stelle 10,12 steht, dass Er Sich „auf immerdar” dort gesetzt hat! Ist dies nicht eine sehr wichtige notwendige Feststellung?

Ich denke, wir haben jetzt zwei gewichtige Gründe für die Übersetzung, derzufolge das „auf immerdar” sich auf das Sitzen des HERRN als Hoherpriester zur Rechten Gottes bezieht, ja beziehen muß, sach- und sinngemäß.

Nun noch einen Schritt weiter! Der griechische Ausdruck „auf immerdar” hat die Bedeutung des „Fortdauerns”, des „Ununterbrochenen”, nicht etwa den des „Ewigen”, welches nie und nimmer aufgehoben werden könnte. Ist das nicht sehr beachtlich? Wenn wir dies annehmen, so werden wir schon gar nicht mehr so sehr geneigt sein, das Wort auf das Opfer zu beziehen, als wenn wir aus dieser Stelle herauslesen müßten, dass dies Opfer „ für ewig” gilt. Nein, das steht gar nicht da. Warum auch? Das steht ja in so vielen anderen Stellen des Hebräerbriefes, dass wir es hier gut entbehren können. Denken wir nur an Hebr. 9,26 oder auch an das unserer Stelle voraufgehende und das folgende Wort V. 10 und 14! (Vgl. z. B. Kol. 1,20; 2,14, Römerbrief usw.)

Hier soll uns also nicht so sehr die Ewigkeit unserer Erlösung, d. h. des Schlachtopfers für dieselbe, gezeigt, als vielmehr die noch viel zu wenig verstandene Tatsache klar werden, dass Christus als Hoherpriester den Platz der Ruhe, des Sitzens - während doch sonst jeder Priester beständig stehen musste im Heiligtum (vgl. 9,6.25; 10,1.11 usw.) - inne hat, ohne immer von neuem wieder aufstehen zu müssen! Das, was in 8,1 als Summe, als Hauptstück festgestellt und dann in den nächsten Kapiteln bewiesen wird: „Wir haben einen solchen Hohenpriester, der Sich gesetzt hat” - das sehen wir hier in 10,12 als etwas ununterbrochen, in völliger Ruhe Fortdauerndes für so lange, bis- ja bis? Wenn das große: „Bis Seine Feinde zum Schemel Seiner Füße gelegt sind” (V. 13; Ps. 110) erfüllt ist, dann steht Er auf, um das Gericht über sie zu vollziehen - aber solange ruht Er! O, unser wunderbarer Hoherpriester!

Dieser Ausdruck, dass Er „auf immerdar”, also fortdauernd, ununterbrochen sitzt zur Rechten Gottes (Sich gesetzt hat), ist somit m. E. ein Ausdruck, in dem ein Doppeltes liegt: 1. Die Fülle und Größe unserer Erlösung, die wir „auf immerdar”, fortdauernd vollkommen gemacht sind (V. 14; hier das gleiche Wort, das nur vorkommt 7,3; 10,1.12.14), was Seine Grundlage hat darin, dass unser Hoherpriester Sich für immerdar gesetzt hat - oben als Hoherpriester, während sonst der jüdische Hohepriester beständig dienstlich zu stehen hatte. „Ein solcher Hoherpriester geziemte uns ... der nicht Tag für Tag nötig hat ... Schlachtopfer darzubringen ..., denn dieses hat Er ein für allemal getan, als Er Sich Selbst geopfert hat” (7,26.27). Es ist der Hohepriester nach der Ordnung Melchisedeks, der immerdar (hier ein anderes Wort im Grundtext!) lebt, um Sich für uns zu verwenden, der ein unveränderliches Priestertum hat (wie Melchisedek, nicht wie Aaron)! (7,24.25.) Er lebt und verwendet Sich nicht nach der Ordnung Aarons, indem Er immer erneut „stehen” und „opfern” müßte, sondern indem Er sitzt zur Rechten Gottes in fortdauernder Macht und Herrlichkeit, wo Er für uns eintritt und für uns bittet! Welch einer wunderbaren, vollkommenen Erlösung sind wir teilhaftig geworden! - So zeigt uns also Sein fortwährendes Sitzen zur Rechten Gottes zuerst die Größe und Kostbarkeit unserer Erlösung, aber weiter vor allem 2. auch die Herrlichkeit Seines Hohepriestertums für Ihn Selber. Der Ausdruck: hat Sich „auf immerdar” (also „fortdauernd bis ...”) gesetzt zur Rechten Gottes, ist zugleich ein richterlicher Ausdruck der Regierung Gottes, ein Ausdruck, würdig des Thrones Gottes! In 5,10 wird Christus „von Gott ‚begrüßt‘ als Hoherpriester nach der Ordnung Melchisedeks”, und hier in Kap. 10,12 sehen wir Ihn, wie Er diesen Ihm zukommenden Platz der Herrlichkeit „für immerdar” - für die Fortdauer bis zum Gerichtstag - tatsächlich eingenommen hat, gleichsam als gerechte Belohnung für das völlig vollbrachte Werk der Erlösung derer, deren Hoherpriester nach der Ordnung Melchisedeks, also deren unveränderlicher Hoherpriester Er geworden ist! Es ist Sein Ihm in dieser Eigenschaft als Hoherpriester gebührender Platz der Ruhe, des Sitzens im Gegensatz zu der Ordnung Aarons. Ein Platz offenbarter Herrlichkeit, wie sie Aaron und seine Nachfolger nie kennen lernen konnten. Ein Platz einer Würde und Größe, wie sie nur „ein solcher Hoherpriester”verdiente, wie sie Ihm aber auch unbedingt zuteil werden musste angesichts der Gerechtigkeit des auf dem Thron sitzenden Gottes, dessen Sohn dieser Hohepriester ist!

Ich hoffe, dass nach diesen freilich noch sehr unvollkommenen Darlegungen es dem Einsender der Frage wie auch anderen Lesern klar geworden sein möchte, welcher Übersetzung der Vorzug zu geben ist. Der HERR gebe uns Licht, Weisheit und Gnade, Ihn stets besser zu erkennen! Schließlich aber will ich nicht unterlassen, hinzuzufügen, dass natürlich auch die andere doch immerhin wohl mögliche Übersetzung, derzufolge sich das „auf immerdar” auf das Opfer bezieht (nur nicht im Sinne von „auf ewig”, was das Wort nicht bedeutet), hier und da in bestimmten Fällen benutzt werden kann, wo es gut erscheint. „Alles ist euer”, darf man hier vielleicht sagen! -

Aber das Größere scheint mir zu sein, dem Sinne der Stelle und des ganzen Hebräerbriefes gemäß dieses kostbare Wort 10,12 so zu lesen: „Er aber, nachdem Er ein Schlachtopfer für Sünden dargebracht hat, hat Sich auf immerdar („fortdauernd”) gesetzt zur Rechten Gottes, fortan wartend, bis ...!”-
lasst uns „aufschauen zu Ihm” und Ihn anbetend bewundern, da wir in Ihm „einen solchen Hohenpriester haben, der Sich „für immerdar gesetzt” hat! Ihm sei Preis und Ruhm in Ewigkeit!
D. Schriftl. F. K.

Da wir nun einen großen Hohenpriester haben, der durch die Himmel gegangen ist, Jesus, den Sohn Gottes, so lasst uns das Bekenntnis festhalten!” (Hebr. 4,14.)


Beantwortet von: Team Handreichungen
Quelle: Handreichungen - Band 11(1926)