Antwort A
Die Bibel ist das Buch der Erlösung. Ihr gesamter Inhalt ist darum auf die Bewirkung des Heils gerichtet. Hierbei trägt das Alte Testament vorwiegend den Charakter der Vorbereitung und des schattenhaften Vorbildes, während das Neue Testament uns die Erfüllung und die wesenhafte Wirklichkeit bringt. Und alle Zentralgedanken des Neuen Testamentes wiederum lassen sich unter dem Gesichtspunkt von drei Hauptkreisen auffassen, und zwar sind diese:
- Der persönlich-individuelle, kleine Kreis des Heils für den einzelnen,
- der kollektiv-organische, größere Kreis der Körperschaft der Gemeinde und
- der makrokosmisch-universale, größte Kreis des „Königreiches Gottes”.
Diese drei Kreise bedingen einander, insofern die Gemeinde aus den erlösten einzelnen besteht und das Reich Gottes in dem Organismus der Gemeinde seine zukünftige Herrschaftsaristokratie hat. „Wisset ihr nicht, dass die Heiligen die Welt richten werden?” (1. Kor. 6,2)
Die Darlegung dieses dreifachen und dennoch einen Heils ist der drei-einheitliche Hauptinhalt der Bibel. Diesen entwickelt sie aber nicht in der Form systematisch lehrhaft aufgebauter „Haupt-” und „ Lehrstücke”, etwa wie in der Art eines Katechismus oder einer Dogmatik („Glaubenslehre”), sondern in dem Aufbau eines schlichten, geschichtlichen Nacheinander. Die Methode der Bibel ist also durchaus historisch, nicht spekulativ-philosophisch. Alles andere, was außer diesen drei Kreisen in der Bibel steht, ist nichts weiter als Hintergrund, und zwar ist dieser letztere von doppelter Art. Die Heilige Schrift hat
1. einen irdisch-geschichtlichen Hintergrund, d. h. die Welt- und Kulturgeschichte der altorientalischen und griechischrömischen Völker, und
2. einen weltall-übergeschichtlichen Hintergrund, d. h. die Entwicklungen und Vorgänge in der uns unsichtbaren Welt der Geister.
Auf diesen doppelten Hintergrund nimmt die Heilige Schrift nur dann Bezug, wenn es die Verständlichmachung der in ihrem Vordergrund stehenden Heilstaten und Heilswahrheiten erheischt. Im übrigen schweigt sie darüber, denn ihr Interesse ist durchaus praktisch und weniger theoretisch, am wenigsten spekulativ (philosophisch-grüblerisch).
Dennoch lässt sich nicht leugnen, dass dieser Hintergrund da ist und dass wir, trotz alles Schweigens der Bibel, dennoch gewisse, und zwar gar nicht einmal wenige Aussagen, Hinweise und Andeutungen auf ihn haben. In unserem Zusammenhang kommt hier nur das Gebiet der Hineinwirkungen der unsichtbaren Welt in die geoffenbarte Heilsgeschichte in Betracht.
Dass die Engel in dieser Hinsicht eine viel größere Rolle spielen und dass darüber auch viel mehr geoffenbart ist, als der zum Teil vom „Sauerteig der Sadduzäer” (Mt. 16,12; vgl. Apg. 23,8) beeinflußte Protestantismus zunächst denkt, ist jedem Bibelleser klar, der über dieses Thema die Heilige Schrift schon einmal planmäßig durchforscht hat. Oft könnte uns das Gebet des Elisa gelten: „Jehova, öffne doch seine Augen, dass er sehe.” (2. Kön. 6,17) Das Sichhalten an den Unsichtbaren (Hebr. 11,27) schließt nicht aus, dass wir auch das Wirken der Unsichtbaren, d. h. Seiner Engel, mit in Betracht ziehen. In ungezählter Menge himmlischer Heerscharen (z. B. Lk. 2,13) nehmen diese letzteren teils einzeln (Apg. 5,19) (mit [Dan. 9,21; 10,21] oder ohne Namennennung), teils in organisierten Körperschaften (Off. 12,7 vgl. Kol. 1,16) an der Heilsgeschichte teil. Diese hat ja auch, obwohl sie im Verlaufe der Heilsentwicklung durchaus die Menschheit in den Mittelpunkt stellt (vgl. Christi Menschheit selbst: 1. Tim. 2,5), dennoch in bezug auf das Heilsziel eine weit über die Geschichte der Menschheit hinaus gehende, allgemein irdische (Hos. 2,21f.; Jes. 11,1-10 u. v. a.) und überirdische (Hebr. 9,23; Kol. 1,20; Off. 21,1), kosmologische (d. h. weltallweite) und übergeschöpfliche (1. Kor. 15,28) Bedeutung und Tragweite, so dass das Hineinwirken der Welt der Geister, schon von diesem Gesichtspunkt aus gesehen, ganz begreiflich ist, abgesehen von zahlreichen anderen Gründen, die hier nicht im einzelnen zu besprechen sind. - Mit den mannigfachsten, von uns durchaus nicht überblickbaren Aufgaben betraut, treten die Engel in der biblischen Heilsgeschichte auf.
Zunächst sind sie
1. Zuschauer des Werdens auf Erden. Hierzu vgl. besonders Eph. 3,10; Lk. 15,7; 1. Kor. 4,9.
Vor allem aber sind sie in unserem Zusammenhang „dienstbare Geister, ausgesandt zum Dienst um derer willen, welche die Seligkeit ererben sollen”. Diese ganz allgemeine Tatsache ist in Hebr. 1,14 ausgesprochen: Über die besondere Art und Weise dieser ihrer Sendung und ihres Dienstes (etwa einer Mitbeteiligung beim Gebet der Gläubigen im Sinne obiger Frage) gestattet diese Schriftstelle keine zuverlässigen, speziellen Rückschlüsse. Ein Bild von diesem fortlaufenden Engeldienst an Gottes Erwählten ist auch Jakobs Traum von der Himmelsleiter (1. Mos.28).
Es scheint, dass es für diese Dienste geradezu ein Prinzip himmlischer Organisation gibt. Jedenfalls redet die Schrift von Engeln für kleine Kinder (Mt.18,10), vielleicht auch für jeden erwachsenen Gläubigen - denn in Apg. 12,15 ist zu beachten, dass es dort weder heißt „ein Engel” noch „sein (des Petrus) Geist”, sondern „sein Engel” -; ferner gibt es offenbar Engelfürsten über (alle?) heidnische(n) (Dan. 10,13.20.21) Völker wie auch das Volk Israel (Michael: Dan. 10,21; 12,1; Off. 12,7; Jud. V. 9).
Die besonderen Engeldienste nun sind ebenso mannigfaltig, wie das Leben selber mannigfaltig ist, und können daher ebensowenig in ein dogmatisches System eingepreßt werden wie das Leben selbst.
Eins ist jedoch zunächst sicher: Die Engel haben nie den Auftrag direkter Evangeliumsverkündigung (vgl. hierzu Apg. 8,26; 10,3); in Off. 14,6, wo ein Engel das „ewige Evangelium” ausruft, handelt es sich nicht um das Evangelium der erlösenden Gnade Gottes. (Vgl. Jahrb. 2, Frage 42! Die Schriftl. F. K.) Die heiligen Engel stehen eben als Anbeter und Diener neben der eigentlichen Erlösung (vgl. Hebr. 2,16). So gebraucht Petrus auch in 1. Petr. 1,12 ein Zeitwort (parakypsai), welches, der Etymologie (Wortentstehung) nach, genau bedeutet „sich zur Seite bücken, um zu betrachten”, „seitwärts hineinschauen”.
Eine Haupttätigkeit der Engel als Diener der Erlösten ist, dass sie
D. Verf.
2. Boten sind. Das drückt ja schon unser Wort „Engel” aus; denn „Engel” ist ein Wort, das nicht deutsch ist, sondern aus dem Griechischen stammt (angelos) und von dem Zeitwort angello = „senden, schicken” herkommt, also der „Geschickte”, der „Gesandte” bedeutet. Von solchem Sendungs- und Botendienst reden z. B. Stellen wie Lk. 1,11; Dan. 9,22 u. v. m. Auch die ganze Offenbarung ist dem Seher von Patmos, Johannes, durch einen Engel vermittelt worden. (Off. 1,1; 22,6.16; vgl. „der Engel, der mit mir redete” in Sach. 1,9.13; 2,3 usw.) Ebenso ist das mosaische Gesetz „das durch Engel geredete Wort” (Hebr. 2,2), welche Tatsache überhaupt erst verständlich macht, warum der Schreiber des Hebräerbriefes in seiner heilsgeschichtlichen Kontrastierung des Alten und Neuen Bundes (Hebr. 1-10) zwei ganze Kapitel dem Vergleich zwischen dem Herrn Jesus und den Engeln widmet (Hebr. 1 u. 2).
Bei anderen Gelegenheiten sind sie
3. Helfer in Not. Man denke nur an die Befreiungen des Petrus aus dem Gefängnis (Apg. 5,19; 12,7), an das durch einen Engel vollzogene Verschließen der Löwenrachen in Daniels Grube (Dan. 6,23), an den, der einem Göttersohn ähnlich aussah bei den drei Männern im feurigen Ofen (Dan. 3,25.28), an die feurigen Wagen zum Schutze Elisas in Dothan (2. Kön. 6,17). Ja, sogar die Stärkung des menschgewordenen Heilandes in Gethsemane durch einen Engel (Lk. 22,43; vgl. Ps. 8,4.5; Hebr. 2,5-9) gehört hierher. Zuweilen geschieht die Hilfe indirekt, und zwar in der Vernichtung der den Gläubigen feindlichen Gewalten. Dann sind die Engel
4. Gerichtsvollstrecker. In dieser Eigenschaft wirkten sie in der alttestamentlichen Vergangenheit (2. Chr. 32,21; Jes. 37,36!), in der neutestamentlichen Zeit (Apg. 12,23) und werden es als die „Schnitter” (Mt. 13,39) auch in der Zukunft, in der Zeit der Parusie, tun, wozu besonders die stark hervortretende Rolle der Engel im Buche der Offenbarung zu vergleichen ist (Off. 14,19; 15,1.6.7; 16,1-21; 17,1 usw.).
Dies alles beweist, dass wir uns von einer allzusehr vergeistigenden, uns Abendländern allen durch die griechische Philosophie eines Plato (und Aristoteles) bewußt oder unbewußt, direkt oder indirekt gar zu stark in Fleisch und Blut übergegangenen Betrachtungsweise der unsichtbaren Welt fernhalten müssen, wenn wir den durchaus plastischen und realistischen Hintergrund der biblisch-prophetisch-apostolischen Weltanschauung schriftgemäß erfassen wollen. Fort mit aller Philosophie, auch mit der uns unbewußten! Und hin zur biblisch sinnenden, schrift gebunden denkenden Heils- und Weltbetrachtung!
Doch nun endlich zu unserer Frage, die wir bisher nur gestreift hatten: „Sind die Engel irgendwie mit den Gebeten der Gläubigen verbunden als Träger unserer Anliegen vor Gott oder als Bringer der eventuellen Erhörung von Gott?”
Mit einem Federstrich lässt sich da weder so schnell ein „Ja” noch ein „Nein” behaupten; denn die Heilige Schrift redet über diesen Punkt kaum, und wenn sie es tut, so nur ganz zart, und niemals gibt sie allgemeine Regeln. Wir sind also nur auf ein Ahnen und Tasten angewiesen; denn „wir sehen jetzt durch einen Spiegel undeutlich”, und daher erkennen wir nur „stückweise” (1. Kor. 13,12.9).
In 1. Kor. 11,10 sagt Paulus, dass das Weib beim Gebet eine Macht auf dem Haupte haben solle „um der Engel willen”. Was meint er mit dieser Begründung? Ablehnen möchten wir durchaus die Beziehung auf die gefallenen Engel und die etwaige Hinweisung auf den Geistersündenfall (? vgl. Jahrb. 3, Frage 16. Die Schriftl. F. K.) von 1. Mo. 6 (Jud. 6), als ob das Anschauen des nicht-verschleierten Frauenantlitzes etwa zu sündigen Erregungen und Handlungen bei den abgefallenen Geistern führen könnte. Diese Erklärung wäre zu naiv-kindlich und sinnenhaft, ist auch mit keiner Silbe im Text angedeutet. Ebensowenig sind wir geneigt, aus diesem Zusammenhang eine Mitwirkung der Engel bei der Überbringung der Gebete bzw. der Erhörungen zu schließen. Natürlicher erscheint uns der Hinweis auf eine bisher noch nicht erwähnte Engeltätigkeit. Engel sind nämlich oft
5. Wächter der sittlichen Weltordnung Gottes. Nicht nur als Zuschauer (s. oben), sondern auch als gewissermaßen mit Vollmachten versehene Wächter haben sie ihre Augen auf das Erd- (bzw. Welt-)geschehen gerichtet, um zu sehen, ob und dass sich die Dinge nach göttlichem Willen abspielen. In diesem Sinne spricht Dan. 4,17 von solchen Engeln als „Wächtern”, ja lässt sogar vermuten, dass sie nicht nur bloße Ausführer göttlicher Beschlüsse und Befehle sind, sondern bis zu einem Grade als im Namen und Auftrag und im Sinne des höchsten Oberherrn regierende Unterfürsten eine gewisse eigene, relativ selbständige Befehlsgewalt haben. Jedenfalls wird Nebukadnezars Strafe, die in Dan. 4,24 als „Beschluß des Höchsten” bezeichnet wird, einige Verse vorher als „Beschluß der Wächter” und „Befehl der Heiligen” (d. h. der Engel) charakterisiert (vgl. Vers 17): „Durch Beschluß der Wächter ist dieser Ausspruch, und ein Befehl der Heiligen ist diese Sache.” (Man erinnert sich hier gewiß sogleich der himmlischen Ratsversammlungen, von denen das Wort Gottes zuweilen redet [z. B. 1. Kön. 22,19ff.; Hiob 2,1 und Ps. 89,6-8].) Diese selbe heilig an Gott gebundene und dennoch relativ selbständig freie Befehlsgewalt von heiligen Engeln könnte auch Apg. 7,53 nahelegen, wonach das mosaische Gesetz „auf Grund von Anordnungen (gr. diatageis) von Engeln hin” gegeben ist und daher geachtet werden sollte als (eis) „Anordnungen” von Engeln, wobei man allerdings bei dem Gedanken stehen bleiben kann, dass die mosaischen Gesetze nur deshalb als „Engelanordnungen” bezeichnet werden, weil sie als Gottesgebot durch Engel übermittelt worden waren (Gal. 3,19: „angeordnet durch Engel”, vgl. Hebr. 2.2). Zweifellos jedoch scheint, dass gewisse Engel die „Wächter” der Weltordnung Gottes sind. Dies gibt m. E. die rechte Erklärung von 1. Kor. 11,10. Eine unverschleierte Frau drückt mit ihrem allzu „modern”-freien Auftreten die „Emanzipation” (Verselbständigung gegen Gottes Willen) aus und verletzt damit in ungehöriger Weise die von Engeln bewachte Weltordnung des Schöpfers. Daher soll sie sich beim Beten „um der Engel” willen verschleiern. Dass die Bezugnahme auf die allgemeine Schöpfungsordnung in 1. Kor. 11 vorliegt, beweist ja auch Vers 11-15. Eine Mitwirkung der Engel beim Gebet an sich ist also m. E. in 1. Kor. 11,10 keineswegs ersichtlich.
Überhaupt liegt bei dieser ganzen Frage das „Nein” näher als das „Ja” oder das „Vielleicht”. Denn würde bei einer solchen Zwischenstellung der Engel zwischen Gott, unserem Vater, und uns nicht die Un mittelbarkeit unserer Beziehung als „Kinder” Gottes leiden? Haben wir nicht freien Zugang zum Gnadenthron (Hebräerbrief!), und ist nicht der Mensch Christus Jesus der eine Mittler zwischen Gott und den Menschen (1. Tim. 2,5)? Wozu da noch eine weitere Vermittlung durch Zwischenwesen? Und wo bleibt da die Allwissenheit Gottes, wenn Engel unsere Gebete erst vor Ihn tragen? Kommen wir da nicht auf die (vermutlich vorhanden gewesene) Irrlehre in Kolossä (Kol. 2,18) hinaus, die gewissen katholischen Ideen einer Fürbitte der Maria bzw. der Heiligen nicht mehr so übermäßig fern ist, wenn sie sich von diesen letzteren auch in vieler Hinsicht noch wesenhaft unterscheidet? Wohl glauben wir bestimmt, dass Gott Sich bei der Erhörung unserer Gebete zuweilen (vielleicht oft) der Mitwirkung der Engel bedient (ein ganz auffälliges Beispiel ist ja Dan. 10,12, wo in der Tat ein himmlischer Bote dem Daniel das erbetene Verständnis der kommenden Dinge, also die Erhörung seiner Bitte, überbringt); aber dass dies immer geschieht und dass unsere Gebete auch erst durch Engel zu Gott emporgetragen werden, lässt sich doch schwer mit Sicherheit aus der Schrift nachweisen. Die in der Frage angegebenen Stellen tun es gewiß nicht. Da müßte man erst den ganzen Gedanken hineintragen, um ihn dann wieder herausfinden zu können. Nur bei zwei Stellen aus der Offenbarung scheint es nicht ganz so leicht zu sein.
1. Off. 8,2-4: „Und ich sah die sieben Engel, welche vor Gott stehen, und es wurden ihnen sieben Posaunen gegeben. Und ein anderer Engel kam und stellte sich an den Altar, und er hatte ein goldenes Räucherfaß, und es wurde Ihm viel Räucherwerk gegeben, auf dass er Kraft gebe den Gebeten aller Heiligen auf dem goldenen Altar, der vor dem Thron ist. Und der Rauch des Räucherwerks stieg mit den Gebeten der Heiligen auf aus der Hand des Engels vor Gott.”
Hier stehen wir allerdings vor einer Stelle schwerwiegendster Bedeutung. Professor Lange behauptet, dieser Engel sei nur eine symbolische Gestalt, etwa für den HERRN Selbst (1. Joh. 2,1) oder den Heiligen Geist (Röm. 8,26), denn eine gezwungene „Buchstäblichkeit” müsse, „konsequent festgehalten”, hier „allerdings zu dem katholischen Begriff einer Engelmittlerschaft führen”. (Auch in Off. 1,4 [vgl. Off. 5,6!! vgl. Jes. 11,1.2; aber zu letzteren Stellen vgl. Jahrb. 14, Schlußfrage!!] wird ja die göttliche Person des Heiligen Geistes in dem symbolischen Buch der Offenbarung als „sieben Geister” umschrieben.) Dr. Düsterdiek, Professor Hengstenberg, Professor Zahn halten den Engel von Off. 8 für einen wirklichen Engel, ohne jene katholische Folgerung zu ziehen. Der Engel sei einfach „Überbringer” der Gebete. Vielleicht hilft es, daran zu denken, dass der Zusammenhang ja von der Endzeit spricht. Sollte etwa Gott für jene Tage, wo die Heiligen der Trübsalszeit durch besondere satanische Anfechtungen hindurchgehen, gewissermaßen als himmlische Gegenkraft gegen jene dämonischen Gewalten einen besonderen Engel beauftragen, die Gebete der Gläubigen zu stärken (vgl. Off. 12,7ff!)? Ganz unmöglich scheint uns persöhnlich dieser Gedanke nicht. In jedem Fall ist aber Off. 8 keine allgemeine Belehrung über das Mitwirken von Engeln bei allen Gebeten der Gläubigen zu allen Zeiten; sondern es handelt sich um eine spezielle Weissagung, die sich auf eine (zukünftige) historische Einzelsituation bezieht. Daraus dogmatische Folgerungen zu ziehen führt aber über das Gebiet der mehr oder weniger subjektiven Vermutungen nicht hinaus. „Das Verborgene ist Jehovas.” (5. Mo. 29,29)
Die zweite Stelle findet sich ebenfalls in der Offenbarung, und die symbolische Sprache des Buches lässt uns auch hier in bezug auf feste Behauptungen vorsichtig sein.
2. „Und als es (das Lamm) das Buch nahm, fielen die vier lebendigen Wesen und die vierundzwanzig Ältesten nieder vor dem Lamme, und sie hatten ein jeder eine Harfe und goldene Schalen voller Räucherwerk, welches die Gebete der Heiligen sind.” (Off. 5,8)
Wer sind die 24 Ältesten? Sind sie die Vertreter der Gemeinde - dann ließe sich wenig in bezug auf unsere Frage folgern - oder sind sie himmlische Wesen, die nur in besonderer Beziehung zur Menschheit stehen? Auch hier werden, wie übrigens meistens, diejenigen am festesten und dogmatischsten mit „zweifellosen” Behauptungen umgehen, die die Frage am oberflächlichsten oder einseitigsten „studiert” haben. In Wahrheit haben sich gläubige Schrifterklärer ersten Ranges teils auf die eine, teils auf die andere Seite gestellt, mit schwerwiegenden Gründen auf beiden Seiten. Eine Aufrollung des Problems würde hier den Rahmen sprengen, und der Schreiber müßte am Schluß doch nur sein „Ignoramus” („Wir wissen es nicht”) bekennen. Aber selbst wenn es mit Gewißheit nachgewiesen werden könnte, dass die 24 Ältesten Engelwesen seien, so verböte auch hier der symbolisch-allegorische Stil der ganzen Offenbarung, aus der Tatsache, dass sie die Schalen der Gebete der Heiligen in der Hand haben, mit zweifelloser Sicherheit zu folgern, dass regelmäßig Engel es sind, die alle unsere Gebete vor Gott tragen.
Es ist also noch viel Geheimnisvolles und Rätselhaftes da. Manches hat uns Gott zu erkennen gegeben. Das meiste ist uns verhüllt (vgl. Joh.21,25). Wie herrlich wird es einmal in der Ewigkeit sein, wenn wir erkennen werden, gleichwie wir erkannt worden sind (vgl.1. Kor.13,12). Und bis dahin wollen wir warten und - wirken!
Er. Sr.
Schlußbemerkungen des Schriftleiters
Zu dieser wahrhaft kostbaren, reichhaltigen Antwort noch etwas wesentliches hinzuzufügen ist mir wohl nicht gegeben! Möge der HERR allen Lesern tiefe Segnungen durch obige Ausführungen vermitteln! Ihm sei Preis für dieselben!
Ich habe hin und her im Text auf frühere Fragen verwiesen. Hier aber glaube ich noch einen Hinweis nicht unterlassen zu dürfen, den auf Frage 50 in Jahrbuch 2 über die 24 Ältesten (im Blick auf den vorletzten Absatz obiger Antwort!). Ich muss es mir aus Raummangel leider versagen, etwas von jenen tiefgründigen Ausführungen (von K. O. St. u. v. d. K.) abzudrucken, aber ich glaube, bessere Beweise dafür, dass die 24 Ältesten nicht Engel sein können, könnte die gegenteilige für ihr „doch Engel” nicht beibringen, als sie dort gebracht sind. Übrigens sagt unser Mitarbeiter K. O. St. dort auch zu der oben vorher behandelten Stelle Off. 8,2-4, dass er überzeugt sei, der Engel dort (wie in Off. 10,1 und Mal. 3,1) sei Christus Selbst. U. a. wird auch gesagt, dass Engel stets stehen, nicht sitzen in der Gegenwart Gottes und dass sie keinen priesterlichen Dienst ausübten usw. usw. Wieviel sagt uns das doch!
Aber lasst uns nur weiterforschen! Wir, die wir gewürdigt sind, das ganze Wort in Händen zu haben, wir dürfen noch manch Geheimnis zu erforschen suchen, und wieviel Geheimnisvolles liegt doch auf den Gebieten dieser Frage! Hierbei möchte ich noch auf eine bedeutsame Stelle hinweisen, die oben nicht genannt ist und die vielleicht zeigt, dass Jehova Sich einer gewissen Übermittlungstätigkeit der Engel bedient - trotz Seiner Allwissenheit -, vielleicht damit auch wir klarer sehen: 1. Mo. 18,20.21.22! Wie eigenartig, nicht wahr?!
Verfasser der gegebenen Antwort wagt nicht zu sagen, dass stets ein Vermittlungsdienst der Engel bei unseren Gebeten gefolgert werden dürfe. Nein, ich würde mich auch sehr fürchten, das zu tun, und zwar trotz Daniel 10,12, so gewichtig jenes Zeugnis u. a. auch ist! Aber es ist mir ganz aus dem Herzen geschrieben, dass (dem Sinne nach) im Falle eines ständigen Gebets-Vermittlungsdienstes die einzigartige Mittlerschaft unseres großen Mittlers und Hohenpriesters sowie die Tatsache unseres Geistbesitzes geschmälert würde. Wir dürfen doch unmittelbar (im Geist) mit unserem Gott und Vater verkehren (vgl. auch Frage 4 ds. Js.!). Aber darf man vielleicht nicht sagen: Ja, das sind auch wir, die wir „in Christo” vor Ihm stehen - wir genießen andere Vorrechte, wenigstens in unserem Gebet, besonders bei dem „im Namen Jesu”, als irgendeine andere Gruppe oder Haushaltung Gottes!? Mit anderen Worten: Soll man aus alttestamentlichen Stellen oder auch aus solchen, die der Zukunft angehören (Off., also auch einer anderen Haushaltung!) oder auch aus den zu einem besonderen Zweck der „Befehlsübermittlung” (vgl. Anm. auf Seite 93) schließen, dass bei unserem Beten auch Engel mittätig seien? Ich möchte das nicht unbedingt bejahen, wenngleich ich gern zugebe, wie wenig ich (auch) noch positiv weiß von der Fülle der Dienste jener „Gewaltigen an Kraft” usw. (Ps. 103,20f.), jener „dienstbaren Geister” (Hebr.1,14)! Höchst bemerkenswert scheint mir hierzu eine besondere Stelle: die, wo Paulus wohl von einem „Engel Satans” mit Fäusten geschlagen werden darf, aber die Nichterhörung seiner dreimaligen Bitte, dass jener von ihm abstehen möge, wird ihm nicht durch einen Engel übermittelt, nebst der Zusicherung der Gnade des HERRN, sondern durch diesen Selbst (2. Kor. 12,7-9!). Ist das nicht kostbar, und beweist das nichts in unserer Frage?! So ließe sich gewiß noch manches finden zur weiteren Beleuchtung des „Ob” oder „Ob nicht” bei uns, der Gemeinde, den Gliedern Seines Leibes, den Söhnen Gottes, die wir, als unmittelbar durch Seinen Geist mit Ihm verbunden, nach der Schrift vor Ihm einen anderen höheren Platz einnehmen als alle anderen Heiligen!
Dennoch - Raum genug zum Weiterforschen, nicht zum Grübeln, zum Spekulieren - das sei nicht unsere Sache! -, sondern zum „Forschen in der Schrift” (Joh. 5,29), bis wir „daheim bei dem HERRN” (2. Kor. 5,8) sind, wo alle Rätsel gelöst sein werden! - „Glückselig, die Seine Zeugnisse bewahren, die von ganzem Herzen Ihn suchen!” (Ps. 119,2)
F. K.