Antwort A
Können wir aus den angegebenen Schriftstellen die Antwort auf diese Frage finden? 1. Mose 1,29 und 9,2b.3 sagen uns, dass „Gott” dem Menschen zunächst „alles samenbringende Kraut” sowie alle Baumfrucht und später auch noch „alles, was sich auf dem Erdboden regt, und alle Fische des Meeres” - also die Tiere - zur Speise gegeben hat. Mt. 14,19 und Lk. 24,30 ist es der Herr Jesus, welcher die Speise darreicht, aber nicht als der ursprüngliche Geber, sondern als von Gott empfangend und an die Jünger weitergebend, denn Er dankte („segnete” = lobpries, dankte) dafür, ehe Er sie weitergab. Apg. 27,35 dankte Paulus Gott für die Speise. Röm. 14,6 heißt es: „... denn er danksagt Gott.” 1. Kor. 10,21b.26 ist es der HERR, dessen Tisches wir teilhaftig sind und dessen „die Erde ist und ihre Fülle”. In 1. Tim. 4,3-5 ist in Verbindung mit den Speisen immer von Gott die Rede. Jak. 1,17 sagt uns: „Jede gute Gabe und jedes vollkommene Geschenk kommt von oben herab, von dem Vater der Lichter ...”, also von Gott, wie der folgende Vers (V. 18) uns zeigt. - Wir sehen, dass diese Stellen unsere Frage nicht unmittelbar beantworten, aber doch helfen sie uns, denn mit Ausnahme von 1. Kor. 10,21b.26 stellen sie uns Gott als den Geber dar, und wenn wir auch wissen, dass auch der Herr Jesus „Gott” ist (Joh. 1,1; Röm. 9,5; Tit. 2,13; Hebr. 1,8; 1. Joh. 5,20c), so weist uns doch im übrigen der Name „Gott” im Neuen Testament immer auf den „Vater” hin, wie Paulus 1. Kor. 8,6 feststellt: „... so ist doch für uns ein Gott, der Vater, von welchem alle Dinge sind, und wir für Ihn, und ein HERR, Jesus Christus, durch welchen alle Dinge sind, und wir durch Ihn.” Da nun der Dank für eine Sache immer dem Geber gebührt, und Gott, der Vater, der Geber ist („von welchem alle Dinge sind” und von welchem „jede gute Gabe und jedes vollkommene Geschenk” herabkommt!), würde es also richtig sein, bei Tische Gott, dem Vater, für die Gaben zu danken. - Wie ist es aber mit 1. Kor. 10,21b.26 - steht diese Stelle nicht dem entgegen? Nein; denn es handelt sich in dieser Stelle nicht um das Empfangen von Gaben und darum auch nicht um die Frage, wem als Geber zu danken ist, sondern um die Verwirklichung der Gemeinschaft, in die wir als Erlöste gebracht sind, im täglichen Leben, in sorgfältigem Daraufachten, woran wir teilhaben, und damit zugleich um die Anerkennung des HERRN als unseres Herrn und als des HERRN über alles (denn Sein Tod ist die Grundlage für diese Gemeinschaft - Er hat uns so teuer erkauft! und nicht uns allein!); - bei allem, woran wir uns erfreuen und bei allem, was wir genießen, steht Er als der HERR vor uns; darum ist es „des HERRN Kelch”, den wir trinken, „des HERRN Tisch”, dessen wir teilhaftig sind, und darum heißt es Vers 26: „Die Erde ist des HERRN und ihre Fülle.” Das entspricht ganz dem Psalm 24, aus dessen ersten Vers die erwähnten Worte angeführt sind. („Jehova” - „der König der Herrlichkeit!” Wir wissen, dass dieses sich auf den HERRN bezieht, durch den und für den alles geschaffen ist - welcher der Erbe aller Dinge ist und einst als „König der Herrlichkeit” über alles herrschen wird!)
Einen weiteren Fingerzeig können wir im Evangelium Johannes in folgendem finden: Solange es sich um die Errettung des verlorenen Sünders handelt, ist es der Herr Jesus, der Sohn, welcher gibt - das, was der Sünder bedarf: „lebendiges Wasser” (4,10-14; 7,37), „ewiges Leben” (10,28; 17,2), die „Worte” des Vaters (17,8); dann aber, nachdem sie dies empfangen haben und die Stellung als Kinder Gottes einnehmen, sehen wir den Vater als den, welcher gibt (14,16; 15,16; 16,23b), und den Sohn als den, welcher tut, was zu tun ist (14,13.14; 15,26 - „senden”, nicht „geben”! - 16,7). Als Geber erscheint der Sohn 14,27a, aber da handelt es sich um Seinen eigenen Frieden, den natürlich nur Er Selbst, nicht der Vater, geben kann, und 17,22, wo es sich um die Herrlichkeit handelt, die der Vater Ihm gegeben hat und Er an die Seinen weitergegeben hat bzw. -gibt. Das steht ganz im Einklang mit dem oben schon angeführten Vers aus 1. Kor. 8 (V. 6), wo gesagt ist, dass alles von dem Vater und alles durch den Sohn ist. Gott, der Vater, ist der Geber.
Nach all dem sind wir überzeugt, dass nach der Schrift Gott, der Vater, der Geber der Gaben ist, die wir für unseres Leibes Bedürfnisse empfangen, und wir daher unser Dankgebet an Ihn richten sollten. Wir sind auch überzeugt, dass es Ihm wohlgefällig ist, wenn wir dieses verstehen und es so tun. Es sollte uns am Herzen liegen, in allen Dingen Klarheit zu bekommen durch das kostbare Wort Gottes, um in allem - sei es in unseren Gebeten, unserem Reden oder unserem Tun - zu Seinem Wohlgefallen zu sein. Aber wenn es etwa nur Erkenntnis und nicht Sache des Herzens wäre, würde es freilich vor Gott keinen Wert haben, denn Er sieht das Herz an! Das gilt auch betreffs des Dankgebets bei Tische, und sicherlich ist ein an den Herrn Jesus gerichtetes Dankgebet, welches aus einem wirklich dankbaren Herzen kommt, Ihm wohlgefälliger als ein schriftgemäßes und formrichtiges Dankgebet, welches nur die Lippen sprechen. - Zum Schluß möchten wir noch auf etwas aufmerksam machen, was vielleicht dem einen oder anderen der Leser dieser Zeilen dienen kann: Das Gebet bei Tische vor Beginn des Essens sollte der Gelegenheit entsprechen, also ein Dank sein für die Gaben, aber nicht ein langes Gebet, in welchem alles mögliche vorgebracht wird, was mit diesen Gaben gar nichts zu tun hat, mit dem eigentlichen Dank nur als nebensächlichem Anhängsel. Ein kurzer, herzlicher Dank für die Gaben und, je nachdem das Herz voll ist, ein Lobpreis Seiner großen Güte sollte der Inhalt des Tischgebets sein, vielleicht mit einem kurzen, fürbittenden Gedenken an unsere Mitmenschen, besonders an solche Kinder Gottes, die Mangel haben. - Möchten wir lernen, auch hierin uns mehr und mehr vom Geiste Gottes leiten zu lassen! -
Th. K.
Antwort des Schriftleiters
Der letzte Absatz dieser, wenn auch kurzen, so doch tiefgründigen, schönen Antwort ist sehr beachtenswert. Wie oft schon mögen Hausfrauen um die Güte und das Warmbleiben ihres Essens gezittert haben, zumal bei Anwesenheit fremder Gäste, wenn der Hausherr gar kein Ende finden konnte mit seinem „Tisch”-gebet, das besser ein Gebet im Kämmerlein gewesen wäre als ein solches vor Tisch - oder es wäre besser nach Tisch am Platze gewesen. Denn wenn nicht alle gläubigen Tischgenossen aus vollem Herzen mitbeten, sondern anderen Gedanken Raum geben (müssen!), dann ist der Segen und die Erhörlichkeit des Gebetes sehr in Frage gestellt. Oder sollte dieses etwa gar eine „Predigt” sein? Wie ungeziemend und segenraubend wäre es dann erst! - Bedenken wir doch, was auch Antwort A im zweitletzten Absatz betont: „Der HERR sieht das Herz an!” Das gilt sicher auch mit am meisten bezüglich unseres Gebetslebens.
Was die Antwort selber anbelangt, so brauche ich wohl nicht zu sagen, dass sie mein vollstes Einverständnis hat und auch gewiß das der meisten Leser, sonderlich derer, die „durch Gewohnheit geübte Sinne haben zur Unterscheidung”. (Hebr. 5,14) Mit einigen Bemerkungen möchte ich die Ausführungen unseres lieben Mitarbeiters noch unterstreichen und erweitern. Zunächst verweise ich eindringlichst auf die kostbare Antwort unseres einstigen teuren Mitarbeiters K. O. St. (†) auf die Frage: „Zu wem und wie soll man beten usw.?” in Jahrb. 16, Frg. 4 (Seite 39ff.), die auch bezüglich vorliegender Sache Licht gibt.
Wörtliche Tischgebete haben wir ja in der Schrift nicht und auch in ihr nur selten Gelegenheiten des Betens vor dem Essen, so dass wir nicht unbedingt sagen dürften, es sei geradezu schriftwidrig, zum Herrn Jesus zu beten vor Empfang der leiblichen Gaben. Wenn daher Gläubige, die aus geistlicher Unkenntnis gewöhnt sind zu beten: „Komm, Herr Jesu, und sei unser Gast und segne uns, und was Du uns aus Gnaden bescheret hast!”, uns fragen würden, ob denn dies Gebet „schriftwidrig” wäre, so würde ich nicht sagen: „ja, das ist es!”, sondern ich würde ihnen zu zeigen versuchen - wie auch obige Antwort anstrebt -, dass wir Gläubigen von heute größere Vorrechte genießen (ganz abgesehen davon, dass obiges Tischgebet auch von sehr vielen Unbekehrten, auch von Kindern, gesprochen und somit oft nur geplappert wird!), dass wir durch Christum zum Vater gekommen sind, wie der HERR Selber nach Seiner Auferstehung den Seinen Joh. 20,17 sagen läßt: „Ich fahre auf zu Meinem Vater und zu eurem Vater, zu Meinem Gott und zu eurem Gott!” (wie kostbar!). Und ist es nicht so, wie unser Mitarbeiter dem Sinne nach schreibt, daß, wenn die Apostel (besonders Johannes) von der Errettung des Sünders reden, dann der Herr Jesus als der Geber genannt wird, sobald es sich aber um Kindesrechte handelt, von unserem Gott und Vater?! Das lässt sich nicht nur im Johannesevangelium verfolgen.
Unser Mitarbeiter betont, daß, wenn bei den Gebeten in den Schriftstellen der Frage von Gott die Rede ist, dann unser Vater gemeint sei nach 1. Kor. 8,6, und ich möchte dazu noch einige Stellen nennen, aus denen für mich unzweideutig hervorgeht, dass wir zu unserem Gott und Vater beten sollten, sobald es sich um Bedürfnisse unseres Lebens handelt: Phil. 4,6.19.20 in einem Zusammenhang, der mehr von äußeren irdischen Dingen als von himmlischen spricht; ebenso 1. Petr. 5,6.7! Und man lese den Abschnitt 2. Kor. 9,7-15, und man wird finden, wem die Danksagungen gebühren in äußeren, leiblichen (dass ich nicht auch sage, in „pekuniären”) Dingen (vgl. V. 10.11!). Und noch eine Stelle: 1. Tim. 6,17ff. Und damit sind die Stellen nicht erschöpft! Aber nun noch ein Hinweis! Wir wissen, dass das sogenannte „Vaterunser” nicht für Gläubige jetziger Berufung gegeben ist; in Jahrbuch 6, Frage 7, und besonders auch in obiger Frage 4 aus Jahrbuch 16 (K. O. St. †), Seite 41, ist eingehend über die Bedeutung und Bestimmung des „Vaterunsers” geschrieben, als gegeben besonders fürs Tausendjährige Reich! - aber ich frage: Wenn schon die Jünger von damals durch den HERRN belehrt wurden, dass sie also beten sollten: „Unser Vater ... unser nötiges Brot gib uns heute!” (Mt. 6,11; Lk. 11,5 „täglich”) - wieviel mehr Ursache und Grund haben wir, die wir zu Gott geführt sind (1. Petr. 3,18), und die wir Ihn anreden dürfen „Abba, Vater!” (Röm. 8,15), Ihm, unserem Gott und Vater täglich zu danken aus der Tiefe unserer erneuerten Herzen für das tägliche Brot, das Er in Seiner Gnade uns tatsächlich darreicht! Nicht dass wir beim Tischgebet notwendigerweise Ihn um Segen für die Speisen bitten müßten - manche Brüder tun dies nicht, und es ist ja auch so: was Er uns darreicht, das ist ja an sich schon gesegnet, eben, weil es von Ihm kommt (nach Jak. 1,17) - aber aus vollstem Herzen Ihn zu preisen, Ihm zu danken, Ihn anzubeten für Seine Vatergüte, die so liebevoll an uns denkt, das ist doch nicht mehr als geziemend für uns, Seine geliebten Kinder!
Aber ob der Herr Jesus dabei nicht zu kurz kommt? Nein, niemals, denn einmal ist Er es doch, durch den wir in die köstliche Kindesstellung versetzt sind und in dem wir Zugang zum Vater haben (Joh. 1,11-13 und Röm. 8; Eph. 2,18 usw.), und dann ist Er doch auch ständig bemüht gewesen und ist es durch den Heiligen Geist noch jetzt, den Seinen die Kostbarkeit der Vaterliebe, des Vaterherzens, des Vaterhauses und des Vaternamens kundzutun (Joh. 14-17), und so können wir ganz sicher sein, dass keiner sich mehr freut als Er, wenn wir den Vater ehren, und durch nichts wird Er, der Sohn, unser herrlicher HERR, mehr verherrlicht als dadurch, dass wir die Liebe „Seines Vaters und unseres Vaters, Seines Gottes und unseres Gottes” dankend und preisend genießen und darin leben. Ebenso wie der Vater wacht über die Ehre des Sohnes und Seines Werkes für uns und in uns, so der Sohn über die des Vaters. (Joh. 5,23; 8,49.50.54!) Außerdem aber beten wir doch zu Gott, unserem Vater, auch gemeinhin „im Namen des Herrn Jesus”, was ganz biblisch ist! So ehren wir stets beide!
Noch eine kurze Bemerkung: Die Stelle Apg. 27,35 ist mir bezüglich unseres Gegenstandes in mehr als einer Hinsicht wichtig! Sie stützt natürlich die Belehrung (vgl. Antw. A!), dass wir zu Gott (unserem Vater) vor dem Essen beten sollen, aber sie zeigt daneben, dass wir auch in Gegenwart Unbekehrter offen und frei vor den Mahlzeiten beten sollten (und gläubige Männer im Freien unbedeckten Hauptes! 1. Kor. 11,4,7!); es ist ja auch ein Zeugnis vor der Welt! Dazu aber belehrt sie uns auch, scheint mir, an wen wir, wenn Ungläubige dabei sind, unser Gebet richten sollen: an Gott! Mit anderen Worten: vor Ungläubige gehört im Gebet vor dem Essen nicht die Anrede „Vater” (und natürlich auch nicht „Herr Jesus”), sondern Gott, denn „Er ist auch der Nationen Gott”! (Röm. 3,29) Man vergleiche dazu auch die Ansprache des Paulus im gleichen Kap. 27,21-26 u. a.! - Zusammenfassend also noch einmal: Vor den Ohren der Ungläubigen danken wir im Tischgebet vornehmlich Gott als dem Geber aller Gaben, während wir im Kreise der Familie Gottes, im Kreise von Kindern Gottes, schriftgemäß belehrt, „unserem Gott und Vater” oder „Gott, unserem Vater” u. ähnl. danken für alle Seine Güte, Seine Gaben und Wohltaten.
Er, unser Gott, dem wir täglich danken für Seine unaussprechliche Gabe (Christus!) (2. Kor. 9,15), gebe uns auch in diesen Dingen mehr Licht aus Seinem Wort!
F. K.