Diese Frage ist schon oft gestellt und besprochen worden. Wenn es sich um eine Angelegenheit zwischen Brüdern handelt, so gibt das 6. Kapitel des ersten Korintherbriefes eine entscheidende Antwort. Ist es aber eine Sache zwischen einem Christen und einem Menschen dieser Welt, so mag die Frage schwieriger erscheinen. Indes wird ein einfältiges, aufrichtiges Herz, dass sich durch Gottes Wort leiten lässt, den richtigen Weg wohl herausfinden. Und ein Christ, der doch durch das lebendige und bleibende Wort Gottes wiedergezeugt ist, sollte niemals anders handeln, als in Übereinstimmung mit diesem Wort. Ansonsten tritt er doch in einen Widerspruch mit sich selbst, seiner neuen Natur ein.
Das ganze Neue Testament bezeugt, dass der Gläubige völlig auf dem Boden der Gnade steht und nur von Gnade lebt. Das Wort sagt ihm auch, dass er „aus Gott geboren,“ ein Kind Gottes sei, und ermahnt: „Seid nun Nachahmer Gottes, als geliebte Kinder“ (Eph 5,1). Er weiß und bekennt es, dass Gott in Seiner Gnade ihm seine ganze Schuld, „zehntausend Talente,“ die er nie hätte bezahlen können, geschenkt hat (nach Mt 18,23-35). Würde er nun ein „Nachahmer Gottes“ sein, nach Gnade handeln, wenn er seinen Mitmenschen um irgend einer Sache willen vor Gericht ziehen wollte? Und wären seine Rechtsansprüche auch noch so begründet, und die Verschuldung des Anderen noch so bedeutend, so bezeichnet das Wort diese dennoch als eine Schuld von nur „hundert Denaren,“ eine Summe, die in gar keinem Verhältnis steht zu den „zehntausend Talenten,“ welche ihm erlassen worden sind.
Gott hat sich in Seinem Sohn, der als Mensch unter Menschen lebte, sichtbar offenbart, so dass wir wissen, was Er ist und was Seiner Natur entspricht. In diesem Vollkommenen Menschen und in Seinem Verhalten besitzt ein Christ, der ja durch die Wiedergeburt die Natur Gottes erhalten hat und als „Mensch Gottes vollkommen, zu jedem guten Werk völlig geschickt“ sein soll (2. Tim 3,16.17) für alle nur denkbaren Lagen ein sichtbares Vorbild für sein eigenes Verhalten. Er braucht nur das Leben Jesus zu betrachten und sich die Frage vorzulegen, wie Er, unser Herr, sich in dem gerade vorliegenden Fall verhalten würde, um sich über seine Angelegenheit, klar zu werden. Hinsichtlich der Frage, ob ein Christ sein Recht suchen soll, erinnert Petrus die Gläubigen an das Beispiel des Herrn, „der gescholten, nicht wiederschalt, leidend, nicht drohte, sondern sich dem übergab, der gerecht richtet“ (1. Pet 2,19-24); und er sagt ihnen zugleich durch den Heiligen Geist, dass sie „seinen Fußstapfen nachfolgen“ sollten. Und weil der Herr durchaus das war, was Er auch redete (Joh 8,25), das heißt, in Seinem Leben das darstellte, was Er sprach, so haben wir in Seinen Worten in Matthäus 5,38-48 ein deutliches Vorbild für einen Wandel in Seinen Fußstapfen, besonders hinsichtlich unseres Verhaltens in Rechtssachen. Wenn es uns nun Ernst ist mit unserem Bekenntnis, Jünger Jesu zu sein, so werden wir, in Beherzigung solcher Worte, nicht mehr daran denken, unser Recht vor den Gerichten zu suchen.
Gewiss erhebt sich bei manchen Gläubigen, besonders wenn sie Geschäftsleute sind und selbst Verpflichtungen gegen Andere haben, die Frage, was dann aus ihnen werden solle, wenn sie, ohne den Schutz der weltlichen Gerichte anzurufen, den Ungerechtigkeiten der Menschen preisgegeben seien. Sie vergessen dann aber, dass sie unter dem unmittelbaren, viel mächtigeren Schutz ihres himmlischen Vaters stehen, ohne welchen es überhaupt nicht möglich sein würde, auch nur einen Tag in einer Welt zu leben, die Satan, ihren Widersacher, zum Fürsten hat. Unter dem Schutz Gottes aber haben sie gewiss keinen Grund, sich zu fürchten vor irgend welchen Folgen eines treuen Wandels in den Fußstapfen Jesu. Und wenn sie auch, aus Gehorsam gegen Sein Wort, empfindlichen Verlust erleiden müssten, falls Gott in Seiner Weisheit dies erlauben würde, so würden sie doch die Erfahrung machen, dass Sein Reichtum groß genug ist, alle ihre Bedürfnisse zu erfüllen, ja, sie für ihre Verluste reichlich zu entschädigen, wenn dies letztere gut für sie sein sollte.
Es gibt Beispiele genug, dass gläubige Geschäftsleute, die nach den oben besprochenen göttlichen Grundsätzen, als Seine Haushalte, ihre Geschäfte betreiben, viel besser durch alle Schwierigkeiten hindurch kommen, als solche, die glauben, sich selbst helfen zu müssen. Andererseits lehrt die Erfahrung, dass Gläubige, die ihr Recht vor weltlichen Gerichten suchen, nur zu oft sehen müssen, dass Gott es ihnen auf diesem Weg nicht gelingen lässt. Wie friedevoll ist der Weg eines Christen, der mit allem, was er ist und hat, sich vertrauensvoll in die Arme seines himmlischen Vaters legt und von Ihm allein seine Hilfe erwartet, gegenüber der steten Unruhe eines Herzens, das seine Stützen in weltlichen Einrichtungen sucht! Wichtiger aber noch als das ist die Verherrlichung des Herrn durch einen treuen Wandeln in Seinen Fußstapfen