Sind Brüder die ein Wort bringen Prediger?

Haben wir das Recht, auf Grund von 1. Tim. 2,7 Brüdern, die das Wort predigen, als Standesbezeichnung den Titel „Prediger“ beizulegen?

Antwort A

Diese Stelle wird gern von Brüdern herangezogen, um die Predigerstellung zu rechtfertigen. Die Schrift gebraucht dieses Wort nur als Bezeichnung für die Tätigkeit der Verkündigung des Zeugnisses des HERRN; nie aber braucht die Schrift dieses Wort als eine Standesbezeichnung. Gewiß wird niemand etwas dagegen haben, wenn das Wort im Sinne der Schrift als Tätigkeitsbezeichnung gebraucht wird, aber als Standesbezeichnung muss es abgelehnt werden. Dass das Wort aber heute zu einer Standesbezeichnung geworden ist, geht klar daraus hervor, dass man nicht alle Brüder, die das Wort das HERRN predigen, „Prediger” nennt. In einer Gemeinde üben vielleicht drei oder auch mehr Brüder den Dienst am Worte aus, warum spricht man von dem einen als „Prediger X” und von dem anderen als „Bruder Y”? Zeigt dieses nicht, dass aus der Tätigkeit ein Stand gemacht worden ist? In der Welt ist das, was wir tun, auch oft unser Stand und wird uns zum Titel. Der lehrt, ist der „Herr Lehrer”, der dirigiert, der „Herr Direktor”. So ist es aber nicht in der Gemeinde Gottes. Der HERR hat Seiner Gemeinde (nicht der Welt) Evangelisten, Hirten (Pastoren) und Lehrer (aber nicht „Prediger”) gegeben, dieses sind Gaben vom HERRN, die in der Gemeinde ihre Ausübung finden. Der Empfang einer Gabe gibt uns aber kein Recht, diese zu einem Stand oder Titel zu machen.

Es sind gewiß Tausende von Brüdern, die im schriftgemäßen Sinne vom HERRN begnadigte Prediger des Wortes sind, die sich gleich Paulus vom HERRN berufen wissen, als Prediger und Lehrer des Wortes zu predigen zur gelegenen und zur ungelegenen Zeit (2. Tim. 4,2), die aber die unbiblische „Standesaufrichtung” ablehnen und nicht daran denken, sich als „Prediger” anreden zu lassen.

Wie diese völlig unbiblische Predigerstellung unter den Gläubigen Fuß gefaßt hat, sehen wir an der „Predigerwahl”, „Predigeranstellung”, „Predigerversorgung”, „Predigervorsitz”, den „Predigerkonferenzen” usw. usw. Alle diese Dinge kennt die Schrift nicht. Es gab keinen Bruder, der der Prediger von Ephesus, von Philippi oder Kolossä war; aber es gab Brüder, die vom HERRN die Gabe eines Evangelisten, Hirten oder Lehrers empfangen hatten und der ihnen anvertrauten Gabe gemäß das Wort predigten.
v. d. K.

Anmerkung des Herausgebers

Wenn die großen Religionsgemeinschaften dieses Zeitlaufs ihren Beamten, Dienern und Vertretern Titel geben, die vor den Menschen mit Autorität umkleidet sind, so ist das ihr gutes Recht, zeigt aber, wie sehr sich Religion und Welt ähneln. Wenn aber Christen, die fertig zu sein bekennen mit der Religion des alten Menschen, des Fleisches und der menschlichen Vernunft, sich im Rahmen ihrer christlichen Berufstätigkeiten Titel und Anreden beilegen oder beanspruchen, die die Heilige Schrift nicht kennt, so ist das ein trauriger Beweis daf ür, wie sehr sowohl die Weltförmigkeit wie die geistliche Unwissenheit auch in die christliche Gemeinde Eingang gefunden hat. Zu diesen christlichen Berufstätigkeiten gehört das „Predigen des Wortes” (2.Tim. 4,2; vgl. das vom Heiligen Geist inspirierte Buch des Predigers, des Königs Salomo; will man übrigens etwa aus jenem Buch und jenem inspirierten Ausdruck die Berechtigung eines christlichen Titels „Prediger” ableiten? Das wäre doch eine ernste Verirrung!); aber mehr: auch das „Apostelamt” in der ersten Gemeinde, auch die Ältestenschaft, auch die Diakonie u. a. gehören dazu. Fragen wir uns nun doch einmal, ob in der Schrift stehen könnte: „Morgen wird Herr Apostel Paulus in Troas das Wort verkünden” oder „In Philippi war Herr Apostel Paulus von seinem Gehilfen Herrn Prediger Silas begleitet”. Ja, es klingt lächerlich - aber nur das? Zeigt es uns nicht, dass wir Christen uns heute zu schämen haben wegen unserer unchristlichen christlichen Titelsucht? „Herr Gemeindeältester”, „Herr Sendbote”, „Herr Evangelist”! Beinahe klingt's wie „Herr Superintendent” und „Herr Subdiakonus” (schrecklich!) oder gar „Herr Amtsbruder” - aber wie oben gesagt, das sind Ausdrücke des Weltkirchen-Systems. Was aber haben wir damit zu tun? Wie sagt der Herr Jesus: „Ihr aber, lasst ihr euch nicht Rabbi nennen, denn einer ist euer Lehrer, ihr alle aber seid Brüder!” (Mt. 23,8). Wohl ist nichts dagegen zu sagen, wenn „Prediger” angegeben wird, sobald es sich um irdische Standesamts- und ähnliche Fragen handelt, wie es übrigens auch in der Ordnung ist, dass ein Christ oder eine Christin außerhalb der Gemeinde mit ihren irdischen Titeln oder Ämtern geehrt und angeredet werden (Röm. 13,7 Schluß), aber innerhalb der Gemeinde sind wir Brüder und Schwestern, und eine Standesbezeichnung ist da nicht am Platze, wo wir als „neue Schöpfung” beisamen sind; ganz besonders aber ist weder in der Gemeinde noch außerhalb ein Titel berechtigt, der aus der größten Gnade, die uns armen Menschen zuteil werden kann - Sein Wort verkünden zu dürfen-, eine menschlich-irdische Bevorzugung macht. Was sagt der von sich, den der Herr Jesus unter allen bis dahin Gekommenen den Größten nennt, als er von ungläubigen Menschen gefragt wird, was er sei? „Ich bin die Stimme eines Rufenden” (Joh. 1,23). Bruder - möchtest du mehr sein? und als mehr geehrt werden? geehrt werden von Menschen, denen dienen zu dürfen eine solche unendliche Gnade ist, aber auch eine so tiefe Verantwortung in sich schließt, dass wir uns in tiefster Demut darunter beugen sollten!? O dass wir heutigen Christen uns selbst und unsere christliche Titelsucht recht hassen lernten, dass alle, die es angeht, sich verbäten, mit „Herr Prediger” über die bluterkaufte Gemeinde, Seine Gemeinde erhoben zu werden! Möchte uns dieser innere Gegensatz, der in den Worten „Herr” und „Prediger” liegt, einmal so gründlich zum Bewußtsein kommen, dass wir in dieser letzten ernsten Zeit vor dem baldigen, täglich zu erwartenden Kommen des HERRN einmal mit geistlichem Mut aufräumten mit solchen und anderen Entlehnungen aus einer religiösen, dem Verderben geweihten Welt und in hingebender Treue außerhalb des Lagers pilgerten, bis Er kommt!
Er gebe uns Seine Gnade dazu!


Beantwortet von: Team Handreichungen
Quelle: Handreichungen - Band 8 (1921/22)