Sendschreiben an Philadelphia und Laodicäa

Stellen uns die beiden Sendschreiben an Philadelphia und Laodicäa (Offb. 3,7-22) die wahren Gotteskinder, beziehungsweise die Namenchristen der Endzeit dar? Wenn es so ist, so bitte ich um dieses kräftig bestätigende Bibelstellen sowie Ereignisse in der Christenheit oder auch in der Völkerwelt!

Antwort A

Eine beliebte Art der Auslegung der Weissagungen der inspirierten Propheten des Alten Testaments vor Jahren von alten Theologen war es, die herrlichen Zukunftsbilder über das Volk Israel zu vergeistlichen und dann alles in Anspruch für die christliche Kirche zu nehmen; wenn z. B. geweissagt wird, dass „die Wüste und das dürre Land sich freuen werden und die Steppe frohlocken und aufblühen wird wie eine Narzisse” (Jes. 35), so sei das der glückselige Zustand der Kirche Neuen Testaments! Die Warnungen, Züchtigungen und Gerichte seien für Israel und die Heiden bestimmt. Es scheint nun fast so, als ob der Fragesteller ein wenig von dieser Art der Auslegung beeinflußt oder angehaucht wäre, denn wenn man geneigt ist, zu denken, dass das Sendschreiben an Philadelphia die wahren Gotteskinder und das an Laodicäa die Namenchristen darstellt, so nimmt man für sich in Anspruch die Anerkennung und das Lob des HERRN; doch die tadelnden Worte und die ernsten Verweisungen des HERRN schiebt man kaltblütig anderen in die Schuhe, und wenn man das tut, so hat man keinen praktischen Gewinn von der Botschaft an Laodicäa, man kann sie nur gebrauchen als eine Rute für den Rücken anderer; gewiß kann man das Evangelium den Unbekehrten und den Namenchristen aus dem Sendschreiben an Laodicäa verkündigen, doch das ist ja nur eine erlaubte Anwendung des Sendschreibens und nicht die richtige Auslegung; denn siebenmal wird das das Gewissen erweckende Wort verwendet: „Wer ein Ohr hat, höre, was der Geist den Gemeinden sagt.” Sicher will das sagen, dass der Geist uns etwas Wichtiges in jedem Sendschreiben zu sagen hat und dass man von keinem Sendschreiben sagen darf, dass es eine Klasse Menschen darstellt, zu welcher man überhaupt nicht gehört, und darum gehe es uns gar nichts an.

Gewisse Kennzeichen und Charakterzüge findet man wohl in der göttlichen Beschreibung der Gemeinde zu Laodicäa, die man leicht auch unter den Namenchristen der Endzeit bemerken kann, aber man geht zu weit, wenn man lehrt, dass das Sendschreiben an Laodicäa insbesondere die Namenchristen darstelle. Ebensowenig darf man behaupten, dass das Sendschreiben an Philadelphia die wahren Gotteskinder der Endzeit im allgemeinen darstelle.

Sicher befinden wir uns schon in der Endzeit, d. h. in den letzten Tagen dieses gegenwärtigen bösen Zeitalters, so dass man mit sehnsuchtsvollem und nach der Morgenröte ausspähenden Augen dem Wächter zuruft: „Wie weit ist's in der Nacht? Wächter, wie weit in der Nacht?” (Jes. 21,11) So ist man geneigt, sich fast ausschließlich mit der prophetischen Auslegung der Sendschreiben zu beschäftigen und also die andere Seite zu vernachlässigen, nämlich, dass die sieben Sendschreiben in erster Linie an die sieben damaligen Versammlungen in Asien adressiert wurden, und zwar in einem Buch geschrieben, damit alle hören sollten, was für eine Botschaft jede andere Versammlung bekommen hatte. Also hatte jede Versammlung zu hören, was der Geist auch den anderen Versammlungen zu sagen habe, davon auch zu lernen und sich dadurch unterweisen oder warnen zu lassen. Wenn wir nun dies alles beherzigen, so ist es schwer zu denken, dass die göttliche Beschreibung einer in gutem Zustande sich befindenden Gemeinde des apostolischen Tages die wahren Gotteskinder der Endzeit habe darstellen wollen. Sind denn die Gotteskinder der Endzeit im allgemeinen so lobenswürdig und so treu? Oder könnte man meinen, dass der HERR den unbefriedigenden Zustand einer Versammlung der Heiligen in Asien gebrauchen würde als eine Darstellung der Namenchristen der Endzeit? Man darf in geistlichen Dingen nicht im Handumdrehen oder mit Verwendung einer Phrase oder einem Schlagwort eine tiefe Sache erledigen und abtun. Vielleicht würde jemand erwidern, dass das Sendschreiben an Philadelphia nur im großen und ganzen, d. h. in weiten Zügen, die wahren Gotteskinder der Endzeit darstellt und das an Laodicäa ebenso die Namenchristen; wenn nun dem so wäre und diese so benannten oder vermeintlichen Darstellungen nur einen nebelhaften Umriß der wahren Gotteskinder bzw. der Namenchristen der Endzeit geben, so kann man keine kräftig bestätigenden Bibelstellen dafür anführen, denn das Wort im anderen Teil bietet kein besonders günstiges Bild der Gläubigen der Endzeit im allgemeinen, wenigstens nichts, woraus man schließen könnte, dass die wahren Gotteskinder der Endzeit allesamt so sein werden wie die damalige Gemeinde zu Philadelphia.

Wir wissen auch von keinen Ereignissen in der Christenheit noch in der Völkerwelt, welche die Ansicht bekräftigen oder bestätigen würden, dass das Sendschreiben an Philadelphia die wahren Gotteskinder der Endzeit darstellt. Das Wort beschreibt wohl ziemlich genau die äußeren religiösen Verhältnisse der letzten Tage, doch scheint uns die Beschreibung etwas anders zu sein als das, was wir in dem Sendschreiben an Laodicäa haben, wenn auch nicht in jedem Punkte. Also, um zu erkennen, wie die Namenchristen in der Endzeit sein werden, wenden wir uns zu anderen Bibelstellen und nicht gerade zu der Botschaft des HERRN an Laodicäa.
Dürfen wir nun etwas darüber schreiben, was eigentlich der Geist den Gemeinden zu Philadelphia und Laodicäa sagen will, und zwar von der prophetischen Seite des zweiten und dritten Kapitels der Offenbarung aus beleuchtet? Der Fragesteller stimmt mit uns überein, dass die sieben Sendschreiben nicht nur an die damaligen Versammlungen in Asien gerichtet wurden zu ihrer und unserer Belehrung, sondern dass sie uns auch eine göttlich-prophetische Geschichte dieses Zeitalters geben, von der christlichen Seite im Lichte Gottes gesehen, wo besonders die inneren Gesinnungen an den Tag treten. Menschen schreiben Geschichten von den äußeren Begebenheiten mit Mutmaßungen über die inneren und unsichtbaren Beweggründe der Handlungen, aber der HERR gibt uns eine korrekte Beschreibung der Gesinnung des Herzens, denn „Er erforschet Herzen und Nieren”. Wohl denken wir gar nicht daran, selbst eine annähernd ausführliche prophetische Auslegung dieser zwei Sendschreiben zu geben, dazu haben wir weder die Fähigkeit noch die Zeit. Zunächst bemerken wir, dass diese prophetische Geschichte uns bis zur Ankunft des HERRN führt, und immer deutlicher vernehmen wir etwas darüber, bis endlich Er flüstert: „Siehe, Ich stehe an der Türe und klopfe an!” Dann ist Er endlich schon da. Wir dürfen nicht denken, daß, wenn die Periode in irgendeinem Sendschreiben beginnt, die frühere Gemeinde nicht mehr existiert. Besonders ist das der Fall in den letzten vier Sendschreiben; Thyatira zieht sich hin bis zu Seiner Ankunft, denn der HERR sagte: „Doch was ihr habt, haltet fest, bis Ich komme!” (Off. 2,25) Sardes geht aus Thyatira hervor und dauert bis zuletzt, denn das Wort der Ermahnung lautet: „Wenn du nicht wachen wirst, so werde Ich kommen wie ein Dieb.” Das, was das Sendschreiben an Philadelphia darstellt, offenbart sich, während Thyatira und Sardes noch bestehen, und ihr wird zugerufen: „Ich komme bald (eilends).” Sein Kommen ist viel nähergerückt. Die Botschaft für Laodicäa, wie oben bemerkt, ist: „Siehe, Ich stehe an der Türe!” Die Zeitperiode oder das, was die drei ersten Sendschreiben darstellen, ist vielleicht schon vorbei. Wenigstens das Wort an Smyrna lautet: „Sei getreu bis zum Tode”, also nicht „bis Er kommt”.
Was stellt nun das Sendschreiben an Philadelphia dar? Wir dürfen sagen, dass es die tiefen geistlichen Bewegungen unter solchen darstellt, die nicht mehr mit dem Zustand in Sardes zufrieden sind, sie wollen nicht mehr bloß den Namen haben, zu leben; sie leben ja, und das Leben geht neue Bahnen. Eine geöffnete Türe ist vor solche gesetzt, und zwar zu allererst in das Heiligtum Gottes als wahrhaftige Anbeter. Solche wollen nicht mehr von menschlich ordinierten Geistlichen abhängig sein, sie wollen selbst Priester sein und gehen mit Freimütigkeit mit ihren geistlichen Rauchpfannen in die Gegenwart Gottes durch den zerrissenen Vorhang. Eine Analogie haben wir im Alten Testament in Jehu und Jehiskia. Die Reformation Jehus war drastisch, aber trotz seines Eifers für Jehova war sie nicht besonders geistlich, sondern auch egoistisch und politisch, so wie es bei Sardes war, welches die Reformation und den Protestantismus darstellt. Jehiskia war anders, „denn im ersten Jahre seiner Regierung im ersten Monat öffnete er die Türen des Hauses Jehovas und besserte sie aus”. (2. Chr. 29,3) Nachher folgten herrliche geistliche Erweckungen. Philadelphia stellt also die geistlichen Erweckungen und Bewegungen dar, die auf dem Gebiete, wo Sardes herrscht, durch den Geist Gottes hervorgebracht werden, d. h. innerhalb des Namenprotestantismus, oft von demselben gehaßt, angefeindet, verleumdet und verfolgt. Dazu dürfen wir rechnen die Mennoniten-, Pietisten-, Methodistenbrüder und andere Bewegungen. Das Wort kam mehr zu seinem Recht, und soviel verlorene Wahrheit, verborgen unter einer Unmenge von Schutt der menschlichen Überlieferungen, wurde ans Licht gebracht, denn der HERR hat nicht die Werke von Sardes völlig erfunden vor Seinem Gott. Herzen frohlockten und jubelten über die wiedergefundenen himmlischen Schätze. Sie verbanden sich miteinander in wahrer Bruderliebe, wie das Wort „Philadelphia” bedeutet. Wenigstens begriffen sie, dass sie schon in Christo verbunden waren. Es ging durch Schwierigkeiten und Anfechtungen, denn nur eine kleine Kraft hatte man, die weltliche Macht der Christenheit war bei Thyatira und Sardes. Doch war die Wahrheit so köstlich, so erquickend und belebend für das Herz, dass man alles fahren ließ, um es zu erlangen, und gern nahm man den Platz „außerhalb des Lagers” ein. Wie herrlich war doch die Wahrheit Gottes, wie tief und innig die Freude dieser philadelphischen Seelen! Es war wie das Licht des Morgens, wenn die Sonne aufgeht, „ein Morgen ohne Wolken”: Von ihrem Glanze nach dem Regen sproßte das Grün aus der Erde. So öffnete sich die Türe in viele Richtungen, und die wunderbare Zeit der Missionstätigkeit bis an das Ende der Erde fing an. Trotzdem blieben viele Gotteskinder noch in Sardes und sicher auch in Thyatira. Also stellt das Sendschreiben an Philadelphia nicht die wahren Gotteskinder der Endzeit im allgemeinen dar, sondern die geistlichen Bewegungen, die immer noch von Sardes mit Verachtung betrachtet werden, aber vom Heiligen Geiste Gottes gewirkt werden.
Was kann denn das Sendschreiben an Laodicäa prophetisch darstellen? Sicher stellt es einen Zustand dar, der dem Wesen von Philadelphia entsprungen ist. Der Vergleich mit dem Alten Testament bestätigt das auch. Nach den Erweckungszeiten in den Regierungen von Jehiskia und Josia kommen die traurigen Verhältnisse unter Manasse und Zedekia, und das war das Ende. Diese beiden waren doch die Söhne und Nachfolger der göttlichen Erweckungsurheber. Die Botschaft an Laodicäa zeigt uns zwar Gotteskinder der Endzeit, sie sind weder kalt noch warm, nur lau! Weltkinder können nur kalt sein, und die Möglichkeit ist vorhanden, dass sie durch Gottes Gnade warm werden. Aber wahre Gotteskinder sollen warm sein. Also hier sind Gläubige geschildert, die schon alles haben, die von sich sagen, dass sie reich und reich geworden sind und nichts bedürfen. Das wollen wir ihnen nicht absprechen, aber woher haben sie diesen Reichtum? Sicher ist hier Reichtum auf dem geistlichen Gebiet gemeint. Sie haben ihn einfach ohne alle Mühe von ihren Vätern übernommen und ererbt. Alles, was die treuen Seelen in Philadelphia durch Kämpfe, Arbeit und Leid errungen haben, ist ihnen billig in die Hände gefallen, doch freuen sie sich nicht besonders darüber, sie erwärmen sich nicht dabei. Wohl halten sie sich für Gläubige ersten Ranges. Sie schauen auf andere Gotteskinder von ihrer vermeintlichen Höhe herab, die die Wahrheit nicht so gut kennen. Sie sind so an ihren geistlichen Reichtum gewöhnt, dass sie gleichgültig und lau darüber sind. Wohl halten sie ihn fest, doch freuen sie sich nicht mit Jauchzen in dem HERRN, und der religiöse Stolz offenbart sich bei ihnen. Käme ein einfältiger Bruder zu ihnen und wollte mit Wärme erzählen, wie er irgendeinen kostbaren Schatz im Worte gefunden hat, so würden sie mit mitleidiger Herablassung erwidern: „Das habe ich schon vor 30 Jahren gewußt.” Die Gefahr ist vorhanden, dass die Kinder und Enkel der geistlichen Bewegungen von Philadelphia entarten und degenerieren bis in den Zustand von Laodicäa. Das Feuer ist ausgelöscht, sie haben nicht gegraben und die köstlichen Schätze im Schweiße ihres Angesichts hervorgeholt. Sie haben nicht dafür gelitten, sie sind ja „außerhalb des Lagers” geboren worden, sie haben doch ihren ererbten Reichtum in ihren Lehrbüchern, sie wissen ganz gut, was „die Brüder”, „die Väter” usw. geschrieben haben. Alles ist ihnen anvertraut von Kindesbeinen an. Sie haben allezeit „geronnene Milch der Kühe und Milch der Schafe gegessen samt dem Fette der Mastschafe und Widder der Söhne Basans” usw. So wurden sie „fett und schlugen aus”. Sie sind „fett, dick und feist” geworden. Den geistlichen Reichtum aber, auf welchen sie so stolz sind, besitzen sie in Wirklichkeit nicht. Denn den muss jede Seele besonders für sich lebendig und warm vom HERRN bekommen durch die Wirkung des Heiligen Geistes, und dann frohlockt man darüber wie beim „Verteilen der Beute”. Man kann auf die Erkenntnis der Wahrheit stolz sein, aber wenn die Inbrunst des Geistes fehlt und kein wahrer Eifer vorhanden ist, oder vielleicht nur um Proselyten nach der Weise der Pharisäer zu machen, so befindet man sich in dem laodicäischen Zustande. Ein lauer Geist kann die erhabene Wahrheit Gottes nicht richtig verdauen; so kommt die Warnung von den Lippen des HERRN: „Sei nun eifrig und tue Buße!” Auf diese Gesinnung ist viel Gericht schon gefallen, denn vieles hat der HERR schon aus Seinem Munde gespien. Hier ist keine Irrlehre, denn in Laodicäa duldet man keine, die die Lehre der Nikolaiten oder der Balaams festhalten, auch kein sich eine Prophetin nennendes Weib.

Man könnte nun freilich fragen, warum ist die vom HERRN erteilte Rüge und Verweisung so streng und Sein Beurteilen des geistlichen Zustandes in Laodicäa so niederschmetternd? Sicher kommt das daher, weil die Erkenntnis der dortigen Gläubigen groß war, und dem entspricht der Tadel um der Verantwortung willen.
Ist das alles nicht eine ernste Warnung für uns Gläubige der Endzeit? So wollen wir das nicht abweisen mit einer anmutigen Geste, indem wir die Behauptung aufstellen, dass Laodicäa eine Darstellung der Namenchristen ist und dass wir in dem Sendschreiben an Philadelphia dargestellt werden. Wenn wir geneigt sind, so zu denken, so entpuppt sich schon bei uns die keimende Knospe der bitteren Frucht des religiösen Stolzes, den wir in Laodicäa verurteilen. Die Gemeinde zu Philadelphia wird nicht durch die von Laodicäa aufgehoben, sondern sie laufen nebeneinander her bis zur Ankunft Christi. Mögen nun unsere Herzen bewahrt werden, damit wir uns in einem philadelphischen Zustande befinden bis zu allerletzt! Doch nur in der Demut, Selbstlosigkeit und der wahren Gesinnung Christi Jesu ist das möglich. Dann kann der HERR uns „reich” nennen, da wir von Ihm alles kaufen, was wertvoll ist in den Augen Gottes. Der HERR sagt, dass die armen Gläubigen in Smyrna „reich” waren!
Also nach diesen Ausführungen müssen wir sagen, dass weder das Sendschreiben an Philadelphia die wahren Gotteskinder im allgemeinen, noch das an Laodicäa etwa nur die Namenchristen der Endzeit darstellen. Es lässt sich wohl viel mehr über dieses Thema sagen, doch haben wir bestimmt genug geschrieben. Der HERR wolle es in Gnaden benutzen zum Segen für alle Leser!
F. Btch.

Antwort B

In dem Schreiben an die sieben Gemeinden in Off. 2 u. 3 offenbart der HERR die Lage, die Umstände und Zustände dieser Gemeinden. Und diesen entsprechend stellt Er Sich jeder Gemeinde in einem besonderen Charakter vor, gibt Ermahnungen und den Überwindern Verheißungen. Diese Briefe an die sieben Gemeinden geben natürlich auch uns Unterweisungen genau so, wie wir sie in den anderen Briefen des Neuen Testamentes (Römer, Korinther usw.) empfangen. Diese sieben Briefe wurden jedoch nicht, wie die erwähnten anderen Briefe des Neuen Testamentes, an die einzelnen Gemeinden gesandt, sondern in das Buch der Offenbarung geschrieben und dieses Buch mit den darin enthaltenen sieben Schreiben an die sieben Gemeinden gesandt. Dies zu beachten ist wichtig, denn dieses Buch, welches die sieben Schreiben enthielt, wird von Anfang (Kap. 1,3) das Buch der Weissagung genannt und ebenso am Schluß. (Kap. 22,18) Damit wird uns gesagt, dass diese sieben Briefe (was auch immer sonst sie uns sagen mögen) als Weissagungen zu betrachten sind.

Die Auswahl dieser sieben Gemeinden, dann ihre bestimmte Aneinanderreihung (Ephesus als erste - Smyrna auf Ephesus folgend usw. - Laodicäa den Abschluß bildend), dann die auffallende Teilung durch die Unterscheidung der Verheißungen der drei ersten Gemeinden von den vier letzten u. a. m. lassen uns klar erkennen, dass hier ein Plan, eine Absicht Gottes vorliegt. Was Gott damit beabsichtigt, das erkennen wir klar durch die Mitteilung, dass diese sieben Schreiben „Worte der Weissagung” sind. Die Weissagungen des Buches der Offenbarung beginnen - wie wir schon oben andeuteten - nicht erst mit dem sechsten Kapitel, sondern das ganze Buch von Anfang bis zum Schluß enthält Worte der Weissagung - Weissagungen, die uns der in der Mitte Seiner Gemeinde Wandelnde prophetisch über Seine Gemeinde auf Erden usw. gibt.

Die Weissagungen geschehen nicht in Ankündigungen von Zeiten und Geschehnissen, sondern werden uns in Charakterschilderungen und Zuständen dieser sieben Gemeinden ihrer Reihenfolge nach gegeben. So wie die Zustände dieser sieben Gemeinden uns in einer festgesetzten Aufeinanderfolge enthüllt werden, so geben sie uns prophetisch das Bild von dem Lauf der Gemeinde, wie derselbe sich in geistlichen Bewegungen von den Tagen des Apostels Johannes bis zur Ankunft des HERRN entfalten wird, und es ist nicht schwer, die Entwicklung und Erfüllung der Weissagungen in dem Laufe der Zeit bis zur Gegenwart zu erkennen. Diese Entwicklung ist eine Geschichte des Abfalles. Sie beginnt mit Ephesus in dem Verlassen der „ersten Liebe” - dem Anfang des traurigen Endes von Laodicäa.
Wohl hat es zu allen Zeiten bis auf den heutigen Tag sowohl einzelne Gläubige als auch einzelne örtliche Gemeinden gegeben, die in einem der Zustände dieser sieben Gemeinden ihr Gegenbild finden können. Die prophetische Entwicklung aber als geschichtliche, geistliche Bewegung durch die Jahrhunderte bis zur Gegenwart ist eine andere Sache.

Philadelphia fand die Anerkennung des HERRN. Ihr wird gesagt, festzuhalten, was sie hätte. (3,11) Was sie hatte, war eine kleine Kraft, die Bewahrung Seines Wortes und die Nichtverleugnung Seines Namens. Es wäre Anmaßung, wenn ein Kreis von Gläubigen oder ein Kreis von Gemeinden Anspruch machen wollte, Philadelphia zu sein. Philadelphia bleibt nur solange Philadelphia, als sie festhält, was der HERR anerkennt. In der Ermahnung: „Halte fest!” wird die Gefahr angezeigt, das Wort des HERRN aufzugeben und Seinen Namen (in dem uns das geoffenbart wird, was Christus ist) zu verleugnen. Ein Nichtfesthalten führt hin zum Zustand von Laodicäa.
Die Frage für uns ist: Wie stehen wir zu der Person des HERRN und zu Seinem Wort? Wenn wir Sein Wort festhalten und Seinen Namen nicht verleugnen, so wird dies in unserer Stellungnahme in dieser Welt sichtbar sein, ebenso wie auch dann, wenn wir lau sind.
A. v. d. K.

Schlußbemerkung des Schriftleiters

Der Gegenstand ist in so umfassender und für manche Leser vielleicht auch in noch nicht oder kaum so gehörter besonderer Weise behandelt worden, dass ich mich auf wenige Worte beschränken kann.
Der Frageeinsender hat gleicherweise seine Bitte eingeleitet mit den Worten „wenn es so ist” - er wird nun aus den obigen klaren Ausführungen erkannt haben, dass es im wesentlichen nicht so ist und höchstens in der Anwendung so gedeutet werden darf. Ja, wieviel nimmt man doch den so eindringlichen Worten des HERRN, des Richters, der inmitten der sieben Leuchter - welche sind die sieben Gemeinden - wandelt (1,13.20), wenn man die Worte an Laodicäa ohne weiteres, statt auf die Gemeinde, auf die „Namenchristenheit” bezieht, und wie hoch schätzt man sich ein, wenn man sich selber zu Philadelphia rechnet, ohne zu sehen, dass diese Einschätzung schon den schlimmen Geist von Laodicäa atmet! Mögen wir uns bewahren lassen, und mögen wir jeder „ein Ohr haben, um zu hören, was der Geist den Gemeinden sagt”, - alles, ja, alles geht uns an, aus allem und jedem haben wir zu lernen. Sowohl handelt es sich um sieben damalige Gemeinden, die aus dem, was allen geschrieben wurde, lernen sollten, als auch bilden uns die sieben Sendschreiben die Entwicklung der Geschichte Seiner Gemeinde bis zu Seinem Kommen vor („das, was ist”, 1,19!), als auch haben die örtlichen Gemeinden von heute daraus zu erfahren, wie der HERR sie sieht, wie auch jeder einzelne, der „ein Ohr hat” - aber die „Namenchristenheit” ist nicht angeredet! Die Schrift redet überhaupt nicht von „Namenchristenheit” oder von „bloßem Bekenner(christen)tum”; solche Worte sind nur Notbehelfsausdrücke, die wir Gläubigen leider und zuviel anwenden, die Schrift redet von „Juden, Griechen - das sind Heiden (Nationen) - und der Gemeinde Gottes” in der bekannten Stelle 1. Kor. 10,32! Namenchristen sind Heiden! Oder sind es etwa Christen?? Aus den Antworten kristallisiert sich mit zwingender Notwendigkeit die Frage heraus: Wann trägt eine Gemeinde oder ein einzelner Philadelphia- und wann Laodicäa-Charakter?! Möchten wir alle streben nach ersterem und uns bewahren (lassen) vor letzterem!

Der Fragende möchte seinem Briefe zufolge auch wissen, ob Mt. 25,1-13 zu diesen beiden Sendschreiben in Beziehung zu setzen sei. Ich habe diesen Teil der Frage beiseite gelassen aus Raummangel. Wir müssen auch vorsichtig sein mit dem Suchen nach solchen Beziehungen, denn Mt. 25,1-13 ist ein Gleichnis, noch dazu vom Reich der Himmel, und die Sendschreiben sind an tatsächliche Gemeinden gerichtet!

Über Mt. 25,1-13, worüber so oft Fragen eingehen, lese man in den „Handr.” nach in Jahrb. 12, Frg. 21 (K. O. St. †) und 15/9 (Ders.)! Siehe auch nachstehende Frage 15! An „Sendschreiben-Fragen” war in den „Handr.” kein Mangel. Ich verweise hier nur auf folgende Fragen, bei deren Beantwortungen sich auch häufig unser teurer, in diesem Jahre entschlafener Mitarbeiter K. O. St. beteiligt hat: Jahrb. 4, Frg. 27; 5,1 u. 6 u. 9 u. 10; 10/15 (11, S. 77-82); 14/18! u. a.
Der HERR Selbst aber gebe uns Licht und Gnade, Weisheit und Kraft, Sein Wort zu verstehen und auf uns anzuwenden! (Ps. 119,105!)
F. K.


Beantwortet von: Team Handreichungen
Quelle: Handreichungen - Band 17 (1932)