Antwort
Finden wir je einmal in der Schrift, dass Satan sich den Menschen, die er verführen will, vorstellt als das, was er ist, nämlich als „Widersacher” (Bedeutung des Wortes „Satan”: 1. Sam. 29,4; 2. Sam. 19,22; 1. Kön. 11,14.23.25; Psalm 109,6; 4. Mose 22,23.32)? Da würde er sich von vornherein unmöglich machen. Also bleibt ihm nur übrig, sich anderer Wesen zu bedienen, in denselben, durch dieselben, als dieselben handelnd aufzutreten. Er ist dann auch in diesem Stück „der Lügner von Anfang”, der vortäuscht, was nicht ist: Er und das betreffende Wesen sind dann eins: er und die Schlange; er und Judas, in den er fuhr, Joh. 13,27. Zwei Wesen waren eins auch in den Besessenen, von denen wir in den Evangelien lesen. Die Dämonen, Satans Hilfstruppen, waren zwar zu unterscheiden in dem Menschen, von dem sie Besitz ergriffen hatten, nicht aber von ihm zu trennen in seinen Reden und Handlungen.
Dass der von seinem Schöpfer-Gott durch Selbsterhebung abgefallene Geisterfürst gleich zu Anfang in die Schöpfung, in diese unsere Welt, eintreten und nach seinen finsteren Absichten sich mit einem der Geschöpfe dieser Welt einsmachen und in demselben, durch dasselbe, als dasselbe sich an den Menschen heranmachen durfte, ist der gewollten Zulassung Gottes zuzuschreiben. Wir dürfen von den ersten Zeilen der Schrift an, wenn wir selbige lesen, nicht aus dem Auge verlieren: Gottes Plan in bezug auf das Gesamt Seines Ratschlusses ist von Ewigkeit her gefaßt. Wir müssen das festhalten, ohne es begreifen zu können. Einbezogen in den Plan ist die Erschaffung eines vollkommenen herrlichen Geistwesens in Herrscherstellung sowie dessen Abfall, der ihn zum Widersacher macht samt seiner Gefolgschaft aus der Welt seiner Mit-Geister; einbezogen ist die diesen Abgefallenen unter der Kontrolle Gottes gestattete Bewegungsfreiheit zum Bösestun und zum Verführen des Menschen; wie auch einbezogen ist des Menschen Erlösung aus dem Verführt- und Im-Tode-sein. Das Ganze: Nicht nur ein göttliches, sondern geradezu das göttliche Drama innerhalb von Zeit und Ewigkeit. Die „Zeit” ist ja nichts anderes als eine Insel im Ozean der Ewigkeit, der zurückliegenden wie der auf die Zeit folgenden Unendlichkeit. Auch etwas Unfaßbares für uns endliche, weil geschaffene Wesen. Das Tun Gottes, wie und durch wen und vermittelst welches Geschehens Er die Erlösung herbeiführt, ist im Endresultat - Seine Selbstverherrlichung.
Indem Satan, der Geist, in der Schlange und durch dieselbe redete, gab der Augenschein an die Hand: Es ist die Schlange. Und nach dem Augenschein verfährt Gott mit den drei Schuldigen. - Wußten der Mensch und sein Weib etwas von Geistern? Dass die Schlange redete, musste nicht notwendigerweise Überraschung oder Erstaunen bei dem Weibe hervorrufen. Man übersehe nicht, dass es sich nur um sie handelt bei der Verführung. Adam war allein, noch ohne seine Gehilfin gewesen, als Gott das Getier des Feldes und das Gevögel des Himmels zu ihm brachte, damit er ihnen Namen gebe. Was konnte die erst nachher bereitete Gehilfin für Einsicht in das Wesen der Tiere haben? Nicht einmal von Bileam hören wir, dass er erstaunt gewesen sei über das Reden seiner Eselin! Es ist auch nicht angebracht, von einer längeren oder langen Zeit zu reden, die bis zum Sündenfall verflossen sei. Die Erzählung bietet keinen Anhaltspunkt dafür. Es leuchtet vielmehr ein, dass Satan auf den „ersten besten” Augenblick lauerte, um sein Vorhaben auszuführen. Ebenso einleuchtend ist, dass er sich des Tieres bediente, das alle anderen an Intelligenz, wenn man dies Wort gebrauchen will, überragte. Das hier und anderswo (z. B. Hiob 5,12; 15,5! Der Schriftl. F. K.) mit „listig” übersetzte Wort wird auch mit „klug” wiedergegeben: Sprüche 1,4; 8,5.12; 12,16.23; 13,16. Der HERR Selber sagt: „Klug wie die Schlangen”, Mt. 10,16. Es handelt sich um die Fähigkeit, welche veranlaßt, mit soviel Umsicht als möglich zu erwägen, welche Mittel und Wege zu dem gesteckten Ziele führen, den gewollten Zweck erreichen lassen. Im üblen Sinn heißen wir das „listig”, im guten „klug”.
Es ist zu bedenken, dass der Geist Gottes erst durch Mose feststellt, die Schlange habe diese Fähigkeit gehabt. Wir hören ja daraus heraus, dass Satan gemeint ist. Die Schlange war so „gut” wie jedes andere Wesen bei seiner Erschaffung. Sie konnte als Tier diese Fähigkeit nicht haben; die kann nur einem geistigen Wesen oder einem Wesen mit Geist, dem Menschen, eigen sein. Weil aber Satan sie sich zur Verkörperung erwählt hatte, blieb sie als dessen Verkörperung die getreue Darstellung seines Charakters und wurde zugleich das getreue Abbild dessen, was er war vor seinem Fall und dessen, was er nach demselben wurde. Zuvor war er „der Weisheit und Schönheit Vollendung”, nachher ein der tiefsten Erniedrigung Anheimgefallener: „zu Asche gemacht auf der Erde” (bildlich aufzufassen), Hes. 28,11.18; in kurzem wird er sogar „unter unsere Füße zertreten werden”, Röm. 16,20, vergl. Lk. 10,19 (ebenfalls bildlich zu nehmen). Der Analogie nach darf doch wohl geschlossen werden, dass die Schlange ursprünglich eine Vollendung an Körperform und Grazie war; und was wurde sie durch den Fluch! Es ist Gedankenlosigkeit, die Szene der Verführung so darzustellen, wie es auf Bildern zu sehen ist: eine Schlange in den Ästen des Baumes und in der Nähe desselben Eva, aufblickend zur Schlange, die zu ihr zu reden scheint. Ein Reptil wurde sie doch erst durch den Fluch Gottes!
Die Einsmachung geht so weit, dass „Schlange”, die durch Adam gegebene Benennung des Tieres, als Attribut Satans dient, oder besser: dass sein Wesen und sein Charakter, nämlich Lügner, Verleumder, Widersacher sein, der Schlange als Attribut zugeschrieben wird: „die alte Schlange, welche ‚Teufel‘ (Verleumder) und ,der Satan' (der Widersacher) genannt wird”, Off. 12,9 und 20,2. Die Schlange, so wie sie jetzt ist, erregt lebhaftesten Schauder. „... ein Tier, das einem verkörperten Blitzstrahl gleicht; bunt, wie im Feuer gemalt, oder schwarz und düster, wie die Nacht; die Augen wie Funken; die gespaltene schwarze Zunge eine Flamme; der Rachen ein Abgrund; die Zähne Giftquellen; der Laut ein Zischen; dazu die wundersame Bewegung, immer strebend, wie ein Blitz zu zucken oder wie ein Pfeil zu fliegen, wenn nicht die Verkörperung es hinderte ...”
Ist das nicht die treffendste Kennzeichnung teuflischen Wesens? Es könnte die Frage erhoben werden: Was konnte die Schlange dafür, dass das böse Geistwesen in sie fuhr und sich mit ihr einsmachte? Warum bestraft Gott sie dafür, indem er sie von einem aufrecht gehenden Tier, dessen Wesen in seiner Verzerrung selbst, wie eben beschrieben, auf ursprüngliche hervorragende Schönheit schließen läßt, zu einem auf dem Bauche sich fortbewegenden erniedrigt, zu einem außerordentlichen Fluch macht, nicht nur der allgemeinen Verfluchung anheimfallen läßt?
Die Antwort liegt darin, dass wir uns der Unumschränktheit Gottes über Sein Eigentum erinnern: „Hat der Töpfer nicht Macht über den Ton, aus derselben Masse ein Gefäß zur Ehre und ein anderes zur Unehre zu machen? Wenn aber Gott willens, Seinen Zorn zu erzeigen und Seine Macht kundzutun ...” (Röm. 9,20-24). Was konnte der Feigenbaum dafür, dass er keine Feigen hatte, dieweil es eben nicht „die Zeit der Feigen war”? Und doch verflucht ihn Jesus! Hatte Er nicht Freiheit und Macht, es zu tun, weil im Grunde die fruchtleere jüdische Nation mit dieser sinnbildlichen Handlung gemeint sein sollte?
Es erscheint sogar als ganz folgerichtig und gerecht, dass Gott genau nach dem Augenschein handelte. Das Geistwesen, der Verführer, war Schlange geworden, also musste er Schlange bleiben und sinnfällig in diesem nichtgeistigen, nur seelischen Geschöpf fortan die schimpflichste Erniedrigung tragen. Die eine Art der Erniedrigung, nur auf dem Bauche sich fortbewegen zu können, zog die andere nach sich, dass sie Nahrung nicht anders als mit Erde, Staub vermischt zu sich nehmen kann, weil Greifwerkzeuge fehlen. Und wie die Natur gewisser anderer Tiere zur Raubtiernatur verwandelt wurde, so geschah es mit ihr. Kraut des Feldes, das anfänglich allen Tieren und Vögeln als Speise zugeteilt war (1. Mose 1,30), hätte sie sonst auch weiterhin zu sich nehmen können, ohne es in Berührung mit dem Erdboden zu bringen. „Staub fressen” bedeutet nicht, sich davon nähren, sondern die Nahrung, den Raub, nicht hinunterwürgen können, ohne sie vor sich auf dem Erdenstaub liegen zu haben, wodurch sie unweigerlich mehr oder weniger mit demselben überzogen wird. Man muss nur mit der bildlichen Ausdrucksweise der Schrift vertraut sein, um den einfachen Sinn ihrer Ausdrücke zu erfassen. Psalm 72,9; Jes. 49,23 und gar Micha 7,17 zeigen deutlich, wie's gemeint ist, nämlich als tiefste, beschämendste Erniedrigung. „Alle Tage deines Lebens” weist auf Unabänderlichkeit hin, so daß, wenn je eine Änderung in bezug auf den über die Schöpfung verhängten Fluch eintreten und die Tiere hinsichtlich ihrer Lebensbedürfnisse und -bedingungen wieder von der mit ihrem Wesen vorgegangenen Veränderung zurückkommen würden, dies bei der Schlange nicht eintreten würde: die beiden Brandmale, auf dem Bauche kriechend und Staub fressen, würden an ihr haften bleiben. Leicht verständlich! Wenn „die Schöpfung freigemacht werden wird zur Freiheit der Herrlichkeit der Kinder Gottes”, ist die alte Schlange, der Satan, im Abgrund eingesperrt, ein vorlaufendes Gericht des endgültigen: Wie könnte da seine Verkörperung auf der Erde, die Schlange, vom Fluche befreit sein? Im Gegenteil! Die Schilderung jener glückseligen Zeit, Jes. 11,6-9 und 65,(17-)25, betont, unterstreicht als Gegensatz in bezug auf die Schlange das in 1. Mose 3 verhängte Urteil! In Kap. 11 wird zwar erwähnt, dass die Schlange (Natter, Basilisk) so gut wie Wolf, Pardel, Löwe, Bär den Übeltuninstinkt verlieren wird, wobei der Vorteil freilich nur auf seiten des Menschen ist, nicht auf seiten der Schlange, dass aber, Kap. 65,25, ihre Speise nach wie vor Staub ist. Der Charakter des Verflucht- und Erniedrigtseins bleibt ihr, da ihr die ursprüngliche Körperform nicht zurückgegeben wird.
Aus dem Gesamt des bis jetzt Vorgetragenen ist unschwer herzuleiten, was es um das Feindschaftsetzen zwischen der Schlange und dem Weibe ist sowie um das Nebeneinandersetzen des Weibes und ihres Samens. Gott spricht vom Samen nach Seinem Vor aussehen in die Zukunft, die für Ihn Gegenwart ist. Weder das Weib noch die Schlange, d. i. also Satan, brauchten den eigentlichen Sinn und die Tragweite der Worte zu erfassen. Was Gott sagte, sollte später (durch Mose) als „Schrift” für immer stereotypiert, unabänderlich festgelegt werden. Mit der Zeit würde es von Späteren schon verstanden werden. Wir dürfen nicht denken, dass Satan allwissend sei. Bleiben wir genau bei dem Wortlaut, d. h. beachten wir, dass die Feindschaft bestehen soll nicht direkt zwischen dem Menschen, dem Manne, sondern zwischen der Männin”, der Gehilfin des Mannes, der Verführten, und der Schlange. Umschreibung: „Die Männin, die du verführt hast, ist bestimmt, als aus ihrem Schoße Nachkommen Hervorbringende, dich in steter Unruhe und Eifersucht zu erhalten, ob bald, ob nach längerer Zeit, wann?, der aus ihr hervorkommt, der deinen vorderhand gelungenen Plan zunichte macht.” - Das Weib und ihr Same, obwohl zwei, bilden sozusagen einen Begriff. - „Du wolltest sie, die aus dem Menschen Genommene, anfänglich Nichtdagewesene, Leichtgläubige, leichter als der Mensch, Adam, zu Verführende, als Vertraute für deinen Zweck gewinnen, worin du zunächst Erfolg gehabt hast: Ich vereitle das Vertrauensverhältnis. Durch das, was Ich durch eben die Männm herbeiführen werde - dass sie Nachkommen haben wird - sollst du in steter eifersüchtiger Angst leben müssen: Jetzt kommt ein Rächer und Zerstörer meines gelungenen Planes!” Darum sehen wir Satan immer als Feind, als Aufwiegler, als Verderber auftreten, hinter und in Werkzeugen versteckt, wie er's mit der Schlange gemacht hatte, sobald ein besonderer Weibessame geboren war: ein Abel, der durch sein Opfer zeigte, dass er in die Gedanken Gottes einging; ein Volk Israel als Ganzes, in Ägypten erwählt, der Segensträger für die Nationen und die gesamte Menschheit zu werden; ein Mose, zum Führer des erwählten Volkes bestimmt; ein David, ein Salomo: beide, jeder in seiner Art, den großen Kommenden deutlich abschattend; und erst der Herr Jesus Selber! Als letzte Illustration der Feindschaft zwischen Schlange-Satan und der Gebärerin zeigt uns die Schrift das Weib von Off. 12: Israel in seiner gottgegebenen Vorrechts- und Hoheitsstellung, den Messias gebärend, und den Drachen, der den Geborenen verschlingen möchte; und nach Vereitelung dieser Absicht die Verfolgung des Weibes durch den Drachen. Die Betätigung der von Gott gesetzten Feindschaft geht immer von der Schlange aus, wie der Wortlaut es besagt: „Zwischen dir und dem Weibe”, nicht „zwischen dem Weibe und dir”. Und wo wäre die Einheit des Begriffes „zwischen dir und dem Weibe und zwischen deinem Samen”, d. h. deines Geschlechts Seienden, und ihrem Samen auffälliger hervorgetreten als bei der Gefangennahme, Verurteilung und Tötung Jesu, dem geschichtlichen Geschehen dessen, was in Off. 12 „des Weibes Kind verschlingen” heißt?
Es ist erschütternd, zu sehen, dass der Same des Weibes, d. i. ihre Nachkommenschaft, sich in den zwei ersten Sprößlingen spaltete in einen Samen der Schlange und in einen, der in seiner Art die Linie ansetzte, die in ihrer Fortsetzung in den einmündete, der als der Zermalmer des Kopfes der Schlange ins Auge gefaßt war. „Kain war aus dem Bösen”, sagt uns die Schrift buchstäblich, 1. Joh. 3,12; er war also „Same der Schlange”. - Merkwürdig! Nach der Einmündung der Linie derer, die von der Art des Schlangenüberwinders sind, und nach ihrem Wiederhervortreten aus Ihm sind sie Sein Same! Jes. 53,10: „Wenn seine Seele das Schuldopfer gestellt hat, wird er Samen sehen.” Ps. 22,30: „Ein Same wird Ihm dienen; er wird dem Herrn als ein Geschlecht zugerechnet werden.” Jes. 59,20.21: „Ein Erlöser wird kommen ... mein Geist, ... meine Worte ... werden nicht aus deinem Munde weichen, noch aus dem Munde deiner Nachkommen (deines Samens, buchst.), noch aus dem Munde der Nachkommen deiner Nachkommen ...”
Der letztmalige Feindschaftsausbruch „des” Drachen, der alten Schlange, welche der Teufel und der Satan ist, Off. 20,2, findet nach der herrlichen Friedens- und Segenszeit des Reiches statt, kaum dass er aus dem Gefängnis heraus ist (Off. 20,7-10). Wie im Anfang bei Kain und Abel ein äußerer Anlass den bis dahin verborgenen Zustand der Herzen offenbarte und das bis dahin friedliche Zusammenleben beider in Todesfeindschaft von der einen Seite her verwandelte, so geschieht es am Ende: Das bis dahin friedliche Zusammenleben während der 1000 Jahre des Reiches macht der Offenbarung der bis dahin verborgenen Herzenszustände Platz und damit einer Todesfeindschaft von der einen Seite aus, die aber diesmal sich selber endgültiges Verderben zuzieht. Das große Drama hat mit dem Siege Gottes und des Weibessamens seinen ewigen Abschluß gefunden!
F. Kpp.