Die Frage könnte man auch anders stellen: Leben wir heute unter dem alttestamentlichen Gesetz bzw. dem Zeichen Gottes für Israel oder unter der Gnade Jesu Christi? Damit ist – so meine ich – Ihre Frage eigentlich bereits beantwortet, denn Sie und Ihre Bekannten bezeugen ja, Gotteskinder zu sein. Dass der Sabbat als Zeichen für Israel eingesetzt wurde, geht aus 2. Mose 31,13-17 wiederholt und unmissverständlich hervor: «Sage den Israeliten: Haltet meinen Sabbat; denn er ist ein Zeichen zwischen mir und euch von Geschlecht zu Geschlecht, damit ihr erkennt, dass ich der Herr bin, der euch heiligt. Darum haltet meinen Sabbat, denn er soll euch heilig sein. Wer ihn entheiligt, der soll des Todes sterben. Denn wer eine Arbeit am Sabbat tut, der soll ausgerottet werden aus seinem Volk. Sechs Tage soll man arbeiten, aber am siebenten Tag ist Sabbat, völlige Ruhe, heilig dem Herrn. Wer eine Arbeit tut am Sabbattag, soll des Todes sterben. Darum sollen die Israeliten den Sabbat halten, dass sie ihn auch bei ihren Nachkommen halten als ewigen Bund. Er ist ein ewiges Zeichen zwischen mir und den Israeliten. Denn in sechs Tagen machte der Herr Himmel und Erde, aber am siebenten Tage ruhte er und erquickte sich.»
Die Frage, ob der an Jesus Christus Gläubige den Sabbat halten muss, war in der ersten Gemeinde, die ja vornehmlich aus Juden bestand, ohne Zweifel hochaktuell. Denn schließlich mussten sie sich ja mit ihrem bisherigen Glauben und ihrer Glaubenstradition auseinander setzen. Trotzdem ist der Sabbat im Neuen Testament überhaupt kein Thema! Der Herr Jesus selbst räumt dem Sabbat nicht den Stellenwert ein wie die Geistlichen Seiner Zeit (Joh 5,8ff.; Joh 7,23; Joh 9,14ff.). Und in den Lehrbriefen des Neuen Testaments wird kein einziges Mal gesagt oder auch nur angedeutet, dass wir den Sabbat halten sollen. Stattdessen nimmt der erste Tag der jüdischen Woche, also der Sonntag, eine wichtige Stellung ein.
So ist zum Beispiel Jesus am ersten Tag der Woche auferstanden, und das war der Tag, an dem sich dann die ersten Gemeinden versammelten. «Als aber der Sabbat vorüber war und der erste Tag der Woche anbrach, kamen Maria von Magdala und die andere Maria, um nach dem Grab zu sehen» (Mt 28,1). Das Grab aber war leer! Mit der Auferstehung Jesu hatte etwas ganz Neues begonnen.
«Am Abend aber dieses ersten Tages der Woche, als die Jünger versammelt und die Türen verschlossen waren aus Furcht vor den Juden, kam Jesus und trat mitten unter sie und spricht zu ihnen: Friede sei mit euch!» (Joh 20,19). «Am ersten Tag der Woche aber, als wir versammelt waren, das Brot zu brechen, predigte ihnen Paulus …» (Apg 20,7).
Den Korinthern gab Paulus die ausdrückliche Anweisung, was sie an diesem ersten Tag der Woche auch tun sollten: «An jedem ersten Tag der Woche lege ein jeder von euch bei sich etwas zurück und sammle an, so viel ihm möglich ist, damit die Sammlung nicht erst dann geschieht, wenn ich komme» (1.Kor 16,2).
Als Paulus und Barnabas von ihrer Missionsreise berichteten, traten einige Pharisäer auf, die an den Herrn Jesus gläubig geworden waren. Sie hielten noch an der Tradition fest und meinten, auch die Heiden müssten sich beschneiden lassen und das Gesetz Mose halten. So kam es an diesem ersten Apostelkonzil zu einer Grundsatzdebatte (Apg 15,7) mit folgendem Resultat: «… dass man denen von den Heiden, die sich zu Gott bekehren, nicht Unruhe mache, sondern ihnen vorschreibe, dass sie sich enthalten sollen von Befleckung durch Götzen und von Unzucht und vom Erstickten und vom Blut» (Apg 15,19-20). Kein Wort also vom Sabbat!
Wer glaubt, den Sabbat halten zu müssen, studiere bitte den Galaterbrief, insbesondere Kapitel 4,10-11 und 5,3. Möglicherweise hängt ein Verfechten des Sabbats auch damit zusammen, dass man – vielleicht unbewusst – dem vollkommenen Erlösungswerk Jesu Christi noch eigene Leistung beifügen möchte. Das wäre tragisch, denn es heißt weiter: «Ihr habt Christus verloren, die ihr durch das Gesetz gerecht werden wollt, und seid aus der Gnade gefallen» (Gal 5,4). Übrigens wird im Neuen Testament zwar auf neun der Zehn Gebote Gottes Bezug genommen, nicht aber auf das Gebot der Sabbatheiligung! Es gibt also im Neuen Testament keine einzige Stelle, wonach die Glieder der Gemeinde Jesu aus den Heiden den Sabbat halten sollen. Adventisten mögen einwenden: «Aber es steht doch in den Zehn Geboten, dass der Sabbat geheiligt werden soll!» Stimmt! Aber in Matthäus 12,8 steht ausdrücklich geschrieben: «Der Menschensohn ist ein Herr über den Sabbat.»
Darum: «So lasst euch nun von niemandem ein schlechtes Gewissen machen wegen Speise und Trank oder wegen eines bestimmten Feiertages, Neumondes oder Sabbats. Das alles ist nur ein Schatten des Zukünftigen; leibhaftig aber ist es in Christus» (Kol 2,16-17).