Antwort A
Den Zeitpunkt unseres Offenbarwerdens vor dem Richterstuhl des Christus gibt Gottes Wort uns nicht an. Der Wortlaut des betreffenden Verses (2. Kor. 5,10) ergibt nur dieses unmißverständlich, dass es sich um etwas handelt, was erst nach unserem Erdenleben geschehen wird („auf dass ein jeder empfange, was er in dem Leibe getan, nach dem er gehandelt hat ...” - eine Abrechnung über etwas Dahintenliegendes!). Daher müssen wir versuchen, aus der Sache selbst einen Anhalt dafür zu finden, wann dieses Offenbarwerden sein wird.
Was bedeutet das: „Vor dem Richterstuhl des Christus offenbar werden?” Das durch diese Worte vor unser geistiges Auge gestellte Bild ist so: Wir vor dem Richterstuhl, auf welchem Christus sitzt. Sollen wir dort gerichtet werden? Nein! Wohl ist der, welcher auf dem Richterstuhl sitzt, Der, dem der Vater „Gewalt gegeben hat, auch Gericht zu halten, weil Er des Menschen Sohn ist” (Joh. 5,27), „der von Gott verordnete Richter der Lebendigen und der Toten” (Apg. 10,42), der von Gott bestimmte „Mann”, durch welchen Er „den Erdkreis richten wird in Gerechtigkeit” (Apg. 17,31) und von dem wir 2. Tim. 4,1 nochmals lesen, dass Er „richten wird Lebendige und Tote”, und gewiß wird Er demgemäß einst alle richten, die nicht geglaubt haben; Er ist aber auch zugleich Der, welcher einst am Kreuze für uns (die wir glauben und Sein sind) im Gericht war und die Strafe, die uns hätte treffen müssen, an unserer Statt erduldete und der gesagt hat: „Wahrlich, wahrlich, Ich sage euch: Wer Mein Wort hört und glaubt Dem, der Mich gesandt hat, hat ewiges Leben und kommt nicht ins Gericht, sondern er ist aus dem Tode in das Leben übergegangen.” (Joh. 5,24) Demnach kann es sich nicht darum handeln, dass wir vor Seinem Richterstuhl erscheinen, um gerichtet zu werden. Wie könnte das auch sein? Denn das, was dort einst erscheinen wird, ist die neue Schöpfung! Wir werden dort sein in unserer „Behausung, die aus dem Himmel ist” (2. Kor. 5,1.2), in dem Leibe, welcher „gleichförmig sein wird Seinem Leibe der Herrlichkeit” (Phil. 3,21), und wir werden „Ihm gleich sein, denn wir werden Ihn sehen, wie Er ist”. (1. Joh. 3,2b) Wie könnten wir da gerichtet werden? Was wäre da zu richten? Und das Wort sagt auch nicht, dass wir gerichtet werden, sondern dass wir „offenbar werden”. Das heißt: Das, was wir hier im Leibe sind, unser Leibesleben, wird dort offenbar gemacht, völlig aufgedeckt, in seiner Wirklichkeit vor Augen gestellt - so, wie es, vor Seinem Auge in Seinem Lichte gesehen, ist! Dann werden auch wir es so sehen, wie Er es sieht. Vor Ihm ist es jetzt schon offenbar; dann wird es auch uns offenbar sein. - Nach Überzeugung des Schreibers dieser Zeilen handelt es sich hierbei nicht auch um unser Leben vor unserer Bekehrung - für dieses werden wir nicht mehr verantwortlich gemacht, denn dieses hatten wir als Sünder und als Feinde Gottes gelebt in unserer Unwissenheit im Unglauben, und als solche sind wir vor Gott im Tode Christi am Kreuze zu Ende gekommen und hinweggetan -, sondern um unser Leben seit unserer Bekehrung als Kinder Gottes; als solche sind wir Gott verantwortlich für unser Tun. Dann wird jeder von uns seinen Glaubensweg im Lichte Gottes sehen - alles, was Gott durch uns tun konnte (möchte es vieles sein, durch Seine Gnade!), und auch alles, was vom Fleische war, all unser Irren und Fehlen! Und in Verbindung hiermit heißt es dann: „Auf dass ein jeder empfange, was er in dem Leibe getan, nach dem er gehandelt hat, es sei Gutes oder Böses.” Für ersteres werden wir Lohn empfangen (vgl. Mt. 5,12; Lk. 14,14; 1. Kor. 3,14; Gal. 6,9; 2 Tim. 4,8 u. a. m.), und für letzteres - wie ist es damit? Die Strafe dafür hat Er am Kreuze für uns erduldet - gepriesen sei Er! -, so dass solche für uns nicht mehr in Frage kommt; aber wir werden alles, was in unserem Leben als Kinder Gottes nicht gut war, vollkommen vom Standpunkte Gottes aus und in Seinem Lichte betrachten und be- und verurteilen! Welch eine wunderbare und unsagbar ernste Sache! Wohl sind wir auch jetzt schon unserer neuen Natur nach und durch den in uns wohnenden Heiligen Geist befähigt, die Dinge im Lichte Gottes zu erkennen und zu beurteilen und das Böse zu verurteilen, und sollten dieses tun; doch kann und wird dieses immer nur in Unvollkommenheit geschehen; dann aber werden wir es in Vollkommenheit tun.
Nun ist die Frage die, ob dieses Offenbarwerden sofort nach unserer Entrückung sein wird, oder etwa an einem späteren Zeitpunkte. Nach dem, was wir vorstehend als das Offenbarwerden uns vorstellen, erscheint die Verlegung auf einen späteren Zeitpunkt unseres Erachtens völlig unannehmbar. Wie wäre es möglich, dass wir in der Herrlichkeit sein könnten, vollendet, ohne dass wir auch unser Erdenleben diesem vollendeten Zustand gemäß erkennen und beurteilen könnten? Sah nicht sogar der reiche Mann, „in dem Hades seine Augen aufschlagend, als er in Qualen war” - also sofort nach seinem Abscheiden -, sein verlorenes Erdenleben in dem Lichte der Ewigkeit? (Lk. 16,23ff.) Und sagt uns nicht Gottes Wort, dass dann, „wenn das Vollkommene gekommen sein wird” (wenn wir beim HERRN sein werden), wir „erkennen werden, gleichwie auch wir erkannt worden sind”? (1. Kor. 13,9-12) Das heißt, wir werden dann vollkommen erkennen! Demnach kann es nicht anders sein, als dass wir mit dem Augenblick, in dem wir im Auferstehungsleibe in die Herrlichkeit eingehen - also unmittelbar an die Entrückung anschließend -, auch in die vollkommene Erkenntnis über das von uns als Kinder Gottes gelebte Erdenleben eintreten werden! Nicht erst später. Also folgt nach unserem Verständnis das offenbarwerden vor dem Richterstuhl des Christus sofort auf die Entrückung. - Auch im Blick auf die „Hochzeit” erscheint es uns als eine unerläßliche Voraussetzung, dass vorher das Offenbarwerden vor dem Richterstuhl des Christus geschieht, denn ehe eine Hochzeit gehalten wird, muss alles in Ordnung sein! Können wir, wenn wir es genau betrachten, es uns denken, dass erst die „Hochzeit” wäre, und erst später das Offenbarwerden? Nein! Das Offenbarwerden muss vorausgehen!
Nach all dem kann die Reihenfolge u. E. nur so sein, wie sie schon in der Frage angedeutet ist: Auf die Entrückung folgt unmittelbar das Offenbarwerden vor dem Richterstuhl des Christus und dann später die Hochzeit.
Was für wunderbare Dinge sind es doch, um die es sich hier handelt! Wie unbeschreiblich herrlich sind dieselben! Und wie ernst ist der Gegenstand, der uns beschäftigt hat - unser Offenbarwerden vor dem Richterstuhl des Christus! Im Lichte dieses Richterstuhles sollte unser Leben von uns gelebt werden! Darum sagt der Geist Gottes uns dieses! Der HERR schenke uns allen Gnade, es allezeit zu tun!
Th. K.
Antwort des Schriftleiters
Diese Antwort gibt durchaus das wieder, was auch ich auf diese Frage zu sagen hätte, vielleicht wird dem Frage-Einsender (in der Schweiz) diese Bestätigung nützen. Dennoch möchte ich noch auf besonders eine Stelle hinweisen, die mir außerordentlich beweiskräftig erscheint. Zuvor aber sei des kleinen Schriftchens gedacht, das Br. A. v. d. Kammer, der Mitschriftleiter der „Handr.”, vor Jahren als erweiterten Abdruck eines seiner größeren Aufsätze herausgegeben hat, das schon vielen in Hinsicht des Gegenstandes genutzt hat: „Der Richterstuhl Christi”, im „Handr.”-Verlag (30 Seiten, 20 Rpf.).
Es könnte sich eine noch ganz andere Frage erheben als die oben gestellten: Wäre es nicht ganz gut denkbar, daß, wie Hebr. 9,27 sagt, es sei dem Menschen gesetzt, einmal zu sterben, danach aber das Gericht, so auch für uns Gläubige der Richterstuhl Christi sofort nach unserem leiblichen Entschlafensein in Kraft träte, dass er also gleichsam eine ständige Einrichtung sei, deren Tatsächlichkeit wir sofort nach unserem Heimgange erfahren würden? - Nun, „ganz gut denkbar” möchte dies vielleicht sein - besonders weil wir törichten Menschen uns überhaupt alles dieses der Zukunft Angehörende gar nicht gut anders vorstellen können, wie wenn es Dinge der Erde wären! Nein, wenn wir über diese Vorgänge nicht ebenso wie über unsere Errettung klare Offenbarungen Gottes, nämlich in Seinem Worte, hätten, so würden wir hier wie überall genau in dem gleichen Dunkel tappen wie alle Weltweisen unserer und früherer Zeiten, sofern sie das Buch Gottes abzulehnen für besser halten (nach dem Welt-Grundsatz: „Was ich nicht weiß, macht mich nicht heiß!”). Ja, „ganz gut denkbar” für den natürlichen Menschen ist ja alles mögliche, aber wo ist da Gewißheit?! Gewißheit gibt uns nur das Wort, und wo dieses schweigt, schweigen auch wir, sonst phantasieren, spekulieren und - irren wir! „Ihr irret, weil ihr die Schriften nicht kennet!” (Mk. 12,23-27)
Aus der Stelle 2. Kor. 5,10 (ebenso wie aus der ähnlichen Röm. 15,10) geht freilich, wie unser Mitarbeiter sehr richtig sagt, der genaue Zeitpunkt nicht hervor, darum solche Fragen, wie die gestellten, wohl möglich sind. Aber handelt es sich bei unserem Offenbarwerden vor dem Richterstuhle Christi nicht um Lohn bzw. Beschämung (Verlust, Schadenleiden, 1. Kor. 3,10-15)? Ja! Also dürfen oder müssen wir doch wohl jene Stelle heranziehen, die von dem Kommen des HERRN in ganz besonderer diesbezüglicher Hinsicht handelt: Off. 22,12, die da heißt: „Siehe, Ich komme bald, und Mein Lohn mit mir, um einem jeden zu geben, wie sein Werk sein wird!” Diese Stelle zeigt uns, dass ein Lohnempfang auf unsere Werke hin gleich nach dem Entschlafen nicht in Frage kommen kann - ganz abgesehen von anderen Erwägungen und Schriftstellen, z B. 1. Kor. 4,5: „bis der HERR kommt” u. a. -, sie zeigt uns aber ebenso, dass die Hochzeit des Lammes nicht vorher sein kann, ehe die Lohnfrage nicht erledigt sei, wird doch wohl auch erst durch diese die Sitzordnung bei Tische bestimmt! (Wir reden menschlich, vgl. Lk. 14,7-11!) Wenn der HERR kommt -und Er kommt bald, „Maranatha!” -, dann will Er Lohn austeilen! Ist das nicht deutlich genug? Er kommt zur Entrückung der Seinen. Er gibt ihnen ihren Lohn (oder lässt sie Verlust erleiden), Er setzt sich mit ihnen zu Tische, zur Hochzeit, nachdem, wie unser Mitarbeiter so schön ausführt, alles in Ordnung gebracht ist, denn wahrlich: Ehe Hochzeit gehalten wird, muss (auf der Erde wenigstens!) manches geordnet sein! Und Er hat uns viel zu lieb, als dass Er uns in einer traurigen Ungewißheit lassen könnte, die doch sozusagen unsere Hochzeitsfreude beeinträchtigen könnte.
Ich glaube also, auch auf Grund der angegebenen Stelle zu dem gleichen Ergebnis zu kommen wie unser lieber Mitarbeiter!
Mit einigen ernsten Gedanken will ich schließen: Meine Brüder, meine Schwestern - was auch alles für wunderbare und herrliche Gedanken mit unserem Offenbarwerden vor dem Richterstuhle Christi zusammenhängen mögen - wie z. B. (einige Ausleger sagen so!) das Sehen aller der Wunderwege, welche die Gnade hienieden mit uns gegangen ist -, eines ist absolut sicher, „auf dass ein jeder empfange, nach dem er gehandelt hat in dem Leibe, es sei Gutes oder Böses”! Ja, auch „Böses”! Alle müssen wir offenbar werden! Aus diesem Worte schließe ich - wenn auch andere anders denken -, dass wir voneinander Kenntnis haben werden, dass also nicht jeder für sich beurteilt wird! Das könnte ein bequemerer Gedanke sein, und manchem wäre es vielleicht recht angenehm, sich sagen zu dürfen: dann weiß der andere, an dem ich mich versündigt habe (natürlich als Gläubiger!), wenigstens nichts davon! Meine Brüder, ich halte diese Ausflucht für töricht, denn einmal denken wir drüben über uns so, wie Gott denkt (da wir in verherrlichtem Leibe sind, vgl. Antw. A!), und dann kann doch das Böse, was wir im Leibe getan, erst dann richtig von uns gesehen, angesehen, zugegeben, gerichtet werden, wenn der oder die anderen dabei sind! (Vgl. übrigens 1. Tim. 5,20!) lasst uns nicht denken: Wie schön wäre das, wenn jeder ganz allein für sich offenbar würde! Denn solcher Gedanke wäre nur eine haltlose Entschuldigung verkehrter Handlungen hienieden gegen andere! lasst uns auch bedenken, dass böse (auch - Gott sei Lob! - gute) Handlungen aus dem Gedankenleben hervorkommen, und über dieses spricht die schon genannte Stelle 1. Kor. 4,1-5 in ernstester Weise! Aus allen diesen wichtigen Erwägungen heraus, die ich noch einmal zusammenfasse in „... auf dass ein jeder empfange, nach dem er gehandelt hat im Leibe ...!”, folge für uns eines, was uns in unserem ganzen Leibesleben begleiten möge: dass wir mehr, treuer, entschiedener, bewußter, verantwortungsvoller, auch freudiger und glücklicher, in jedem Falle aber tatsächlich wandeln möchten im Lichte des Richterstuhls! Tun wir es, oder vorsichtiger gesagt: täten wir es mehr, wir alle, wir Gläubigen untereinander, vor dem HERRN, auch in der Welt, vor allem auch in der Gemeinde, dann würde es, dann müßte es naturgemäß, dann könnte es, was so schwer scheint, wirklich gottgemäßer unter uns aussehen „in Wort und Werk und allem Wesen”! Ließen wir stets und überall uns leiten von dem Gedanken an den Richterstuhl des Christus, dann würden wir mehr wandeln im Gehorsam gegen Sein ganzes Wort, in hingebenderer praktischer Liebe zu den Geschwistern im HERRN, in überredenderer Liebe zur Welt. (2. Kor. 5,11.14) Und dann: Wie köstlich ist es doch auch zu wissen, dort kommt alles zurecht, was sich hier auf Erden nicht zurechtbringen ließ, und dort werden alle Rätsel gelöst, auch die, welche wir in uns selbst trugen, mit denen wir hienieden nicht fertig wurden! - Und noch Größeres als „nur” der Richterstuhl Christi darf vor uns stehen und unsere Wege beleuchten, das ist Er Selbst, der uns entgegenkommt und den wir sehen werden, wie Er ist, und bei dem wir sein werden allezeit. (1. Joh. 3,2; 1. Thess. 4,17) Das ist doch das Herrlichste, das unseren Wandel am tiefsten und köstlichsten zu beeinflussen imstande ist, nicht wahr?! Darum: „So ermuntert nun einander mit diesen Worten!” (V. 18)
Der HERR aber sei gepriesen für diese herrliche Hoffnung! „Amen, komm, Herr Jesus!” (Off. 22,20)
F. K.