Antwort
Der Fragesteller bemerkt richtig, dass die Stelle in Jerem. 31 eine Prophezeiung ist, die sich auf das Volk Israel bezieht. Im Alten Testament ist nie von der Versammlung die Rede, denn diese war ein Geheimnis, das verborgen war in Gott (Ephes. 3,9), und gehört zu den ewigen Dingen, die nicht im Alten Testament, sondern nur im Neuen Testament enthüllt sind. Die Dinge im Alten Testament sind irdisch und zeitlich, die Dinge im Neuen Testament himmlisch und ewig; im Alten Testament finden wir die Abbilder und Schatten, im Neuen Testament das Wesen. Das Alte Testament beschäftigt sich mit dem Menschen in Verbindung mit dieser Erde, die einmal aufgelöst werden wird (2. Petr. 3,10-12), und geht über diesen Rahmen selbst dann nicht hinaus, wenn es die Dinge als „ewig” bezeichnet (z. B. 1. Mo. 9,12.16; 2. Sam. 7,13.16; Jes. 9,7; Dan. 2,44; 7,27, außer vielen anderen Stellen) und von einem „neuen Himmel” und einer „neuen Erde” spricht (Jes. 65,17). Darum ist der Gegenstand im Alten Testament niemals die Versammlung, die himmlischer Berufung ist, d. h. deren Platz die himmlische Herrlichkeit ist und deren Segnungen himmlischer Natur sind, sondern immer das Volk Israel, Sein auserwähltes irdisches Volk, das einmal noch unter der Friedensherrschaft seines Messias sich aller irdischen Segnungen erfreuen wird. Mit diesem Volk hat Er, nachdem Er es aus dem Lande Ägypten herausgeführt hatte, am Berge Sinai einen Bund gemacht, der Seine Beziehungen zu diesem Volke feststellte und ihnen Segen zusagte, wenn sie gehorsam waren, und sie mit dem Fluche bedrohte, wenn sie nicht gehorchten - dieses war der „erste Bund” -, und nur mit diesem Volke wird Er auch den Neuen Bund machen, von dem in Jerem. 31,31-34 gesprochen wird. Das sagt der ganze Wortlaut dieser Stelle und ganz besonders V. 31 u. 33 ganz klar. Warum einen Neuen Bund? Weil Er Sein Volk liebt mit ewiger Liebe und darum ihm hat fortdauern lassen Seine Güte! (V. 3). Israel hat den ersten Bund gebrochen (V. 32) und ist dadurch nicht nur des Segens verlustig gegangen, sondern unter den Fluch gekommen. Dadurch war die Unfähigkeit des Menschen erwiesen, den Ansprüchen Gottes zu entsprechen und auf der Grundlage seiner Verantwortlichkeit den Segen zu erlangen. Damit hatte aber auch der erste Bund seinen Zweck erfüllt und war unbrauchbar geworden für die Erreichung des Zieles Gottes, Seinem Volke die verheißenen Segnungen zu schenken. Was nun? Sollte dadurch der Plan Gottes vereitelt werden, die gegebenen Verheißungen unerfüllt bleiben? Nein! „Denn die Gnadengaben und die Berufung Gottes sind unbereubar”
(Röm. 11,29). Deshalb redet Er von einem Neuen Bunde; aber nicht wie der Bund, den Er mit ihren Vätern gemacht hatte und den sie gebrochen haben (Jerem. 31,32) - dieser war in Buchstaben niedergeschrieben und stellte Ansprüche, die zu erfüllen sie unfähig waren -, sondern ganz anderer, neuer Art: durch Seinen Geist, geschrieben nicht auf steinerne Tafeln oder Papier, sondern in ihre Herzen; gegründet nicht auf ihre Tüchtigkeit, sondern auf Seine Gnade, indem Er alles gibt und wirkt, sie in das richtige, Seinem Herzen entsprechende Verhältnis zu Ihm bringt, ihre Missetat vergibt und ihrer Sünde nicht mehr gedenkt (V. 33.34). Diesen Bund wird Er mit dem dann wiederhergestellten Israel machen „am Ende der Tage”, wenn sie durch die große Drangsal hindurchgegangen sein werden und Er „die Gefangenschaft der Zelte Jakobs wenden und seiner Wohnungen Sich erbarmen” und sie in ihr Land zurückbringen, retten und segnen wird (Jerem. 30 und 31). Das Alte Testament ist voll von Verheißungen auf jene noch zukünftige Zeit, wenn Er kommen wird für Sein irdisches Voll als „die Sonne der Gerechtigkeit mit Heilung in ihren Flügeln” (Mal. 4,2) und damit die herrliche Zeit des Friedens und Segens unter Seiner Herrschaft für sie anbricht.
Wir haben gesehen, dass der Neue Bund noch künftig ist und nicht mit uns gemacht wird. Wie könnte er auch? Sind wir doch Kinder Gottes, und mit seinen Kindern macht doch ein Vater keinen Bund! Wie kommt es aber dann, dass dennoch im Neuen Testament der „Neue Bund” wiederholt erwähnt ist? Der HERR sagt in Mt. 26,28: „Denn dieses ist Mein Blut, das des Neuen Bundes”; Paulus schreibt 1. Kor. 11,25, als vom HERRN empfangen: „Dieser Kelch ist der Neue Bund in Meinem Blute”, und in 2. Kor. 3,6: „... der uns auch tüchtig gemacht hat zu Dienern des Neuen Bundes ...”, und der Schreiber des Briefes an die Hebräer erwähnt den Neuen Bund zu wiederholten Malen (7,22; 8,6-13; 12,24). Die Erklärung ist einfach. Der Neue Bund, der im Alten Testament angekündigt wird und mit dem alle die herrlichen Verheißungen des Alten Testamentes untrennbar verbunden sind, erfordert eine Grundlage, die der Heiligkeit und Gerechtigkeit Gottes in bezug auf diejenigen, mit denen Er den Neuen Bund macht, vorkommen Genüge leistet. Diese Grundlage konnte nur auf dem Wege einer vollgültigen Sühnung durch ein angemessenes Opfer geschaffen werden. Schon beim ersten Bunde wurde dieses vorgebildet durch die Besprengung des Volkes, der Hütte und aller Gefäße des Dienstes mit dem Blute von Kälbern und Böcken als dem „Blute des Bundes”. Damit wurde damals alles gereinigt (Hebr. 9,19-21). Da aber der Neue Bund ein „besserer Bund” ist mit „besseren Verheißungen” (Hebr. 8,6), muss auch die Sühnung eine „bessere” sein: es muss eine solche sein, die den Ansprüchen Gottes wirklich vollkommen genügt, und das vermag nichts anderes als das kostbare Blut Christi. Auf Grund dieses kostbaren Blutes allein kann Gott vergeben und dem Menschen in Gnade begegnen; auf dieser Grundlage allein kann Gott einst den „Neuen Bund” mit Seinem irdischen Volk machen. Deshalb ist Sein Blut „das des Neuen Bundes” (Mt. 26,28). Alle, die in den Neuen Bund eintreten, müssen mit diesem kostbaren Blute besprengt werden, wie einst beim ersten Bunde das ganze Volk mit dem „Blut des Bundes” besprengt wurde. Jene Blutbesprengung geschah nur mit Blut von Tieren und geschah äußerlich; die Blutbesprengung bei dem Neuen Bunde aber geschieht mit dem kostbaren Blute Christi im Herzen durch Glauben an dieses kostbare Blut, wie es Hebr. 10,22 heißt: „... so lasst uns hinzutreten mit wahrhaftigem Herzen, in voller Gewißheit des Glaubens, die Herzen besprengt und also gereinigt vom bösen Gewissen ...”
Das ist es auch, was Petrus meint mit der „Blutbesprengung Jesu Christi” (1. Petr. 1,2). Sonach ist der Genuß der Segnungen des Neuen Bundes von dieser Blutbesprengung abhängig und damit verknüpft, und jeder, der unter diese Blutbesprengung kommt - durch den Glauben an Sein Blut -, tritt damit in diese Segnungen ein. Das wird einst an dem Volke Israel wahr werden, wenn die Zeit dafür gekommen sein wird. Aber dieses kostbare Blut ist nicht nur für Israel geflossen, mit dem der Neue Bund gemacht werden wird, sondern der HERR sagte: „... welches für viele vergossen wird zur Vergebung der Sünden” (Mt. 26,28); es floß für jeden, der an Ihn glaubt! Und jeder, der an Ihn glaubt, hat durch den Glauben das kostbare Blut Christi auf sich angewendet, an ihm ist die Besprengung mit dem „Blute des Neuen Bundes” geschehen, und er erfährt die Wirkung dieses kostbaren Blutes: die Segnungen des Neuen Bundes, wiewohl in der Form, die der gegenwärtigen Zeit entspricht, welche die Zeit des Geistes, die Zeit des Glaubens und nicht des Schauens ist - also nicht in äußeren Dingen und irdischen Zuständen, wie es dann sein wird, wenn der Neue Bund mit Israel gemacht sein wird, jetzt aber inmitten einer gottlosen Welt voll Sünde ganz unmöglich ist, sondern in geistlichen Dingen, die der natürliche Mensch nicht sieht, deren aber das gläubige Herz sich erfreut. Darum ist der Kelch für uns „der Kelch der Segnung, den wir segnen” (1. Kor. 10,16), und „der Neue Bund in Seinem Blute” (1. Kor. 11,25), eben weil wir durch Sein Blut alles dessen teilhaftig sind, im voraus und geistlicherweise, was mit dem Neuen Bunde verbunden ist. Aber nicht nur das, sondern wir dürfen auch einer armen Welt um uns her die Botschaft von diesem kostbaren Blute und den damit verbundenen Segnungen bringen, eine Botschaft, deren Gegenstand nicht eine Sache des toten Buchstabens, sondern des Herzens ist, durch den Geist, wie es einst der Neue Bund sein wird, und dürfen in diesem Sinne „Diener des Neuen Bundes” sein (2. Kor. 3,6). Paulus konnte das von sich sagen; der vollkommene Diener des Neuen Bundes” aber ist der HERR Selbst. Das zeigt uns in besonderer, herrlicher Weise der Brief an die Hebräer, seiner Eigenart gemäß. Dieser Brief richtet sich offensichtlich an Personen, die früher dem Bundesvolk Jehovas, Israel, angehört hatten, aber an den Herrn Jesus gläubig geworden waren bezw. sich zu Ihm bekannten. Sie hatten wegen ihrer Stellungnahme zu dem von der Welt und vor allem von ihrem eigenen Volke verachteten und verworfenen Jesus „viel Kampf der Leiden erduldet” (10,32) und standen in der Gefahr, unter diesen schweren Umständen zu „ermüden, indem sie in ihren Seelen ermatteten” (12,3). Sie bedurften deshalb ganz besonders der Ermunterung und der Ermahnung zum Ausharren. Zu diesem Zwecke bemüht sich der Heilige Geist in diesem Briefe, ihnen zu zeigen, was sie im Herrn Jesus und durch Ihn besaßen - dass Er unendlich größer und herrlicher ist als die Engel und als alle die großen Männer, auf die sie mit Ehrfurcht blickten - Mose, Josua, Aaron, Abraham, Melchisedek -, und dass Er das wahre Wesen aller Dinge ist, jene Männer und Dinge aber nur Vorbilder und Schatten waren, die auf Ihn hinwiesen, und dass daher alles, was sie nunmehr besaßen, dementsprechend „besser” war als das, was sie vorher im Judentum gehabt hatten, ja, dass Er der Erfüller aller Verheißungen ist und daher gerade sie, weil sie Ihn hatten, die Berufenen waren, welche die Verheißungen empfingen. Es ist also nicht die Gemeinde, die wir hier vor uns haben - wiewohl die Angeredeten, soweit sie wirklich wiedergeboren waren, ein Teil der Gemeinde waren -, sondern der gläubige Überrest des Volkes Israel, der den gekreuzigten und auferstandenen HERRN als seinen Messias im Glauben anerkennt, Ihn jetzt in der himmlischen Herrlichkeit weiß und Sein Wiedererscheinen „zur Seligkeit” erwartet (9,28). In diesem Zusammenhang sind die Belehrungen in diesem Briefe zu verstehen, wenngleich sie auch für jedes Kind Gottes von größter Wichtigkeit und Kostbarkeit sind. Hier allein finden wir den HERRN als den Hohenpriester, der Er geworden ist „in Ewigkeit nach der Ordnung Melchisedeks” nach Ps. 110,4, und werden eingeweiht in Seinen wunderbaren Dienst als solchen. Dieser Dienst ist nicht der des Alten Bundes, denn unter diesem waren andere zu Priestern bestellt - von den Söhnen Levis, „Menschen, die Schwachheit haben und durch den Tod verhindert waren, zu bleiben” -, sondern ein soviel höherer, als Er höher ist, als sie waren: Er ist „eines besseren Bundes Bürge geworden” (7,22); Er ist „ein Diener des Heiligtums und der wahrhaftigen Hütte, welche der HERR errichtet hat, nicht der Mensch” (8,2); Er hat „einen vortrefflicheren Dienst erlangt, insofern Er auch Mittler ist eines besseren Bundes, der auf Grund besserer Verheißungen gestiftet ist” (8,6); Er ist „gekommen als Hoherpriester der zukünftigen Güter, in Verbindung mit der größeren und vollkommeneren Hütte, die nicht mit Händen gemacht (d. h. nicht von dieser Schöpfung ist), auch nicht mit Blut von Böcken und Kälbern, sondern mit Seinem eigenen Blute”, und ist „ein für allemal in das Heiligtum eingegangen, als Er eine ewige Erlösung erfunden hatte” (9,11.12), und darum ist Er „Mittler eines Neuen Bundes, damit, da der Tod stattgefunden hat zur Erlösung von den Übertretungen unter dem ersten Bunde, die Berufenen die Verheißung des ewigen Erbes empfingen” (9,15). Er ist, wie schon gesagt, der vollkommene Diener des Neuen Bundes! So sollten die Empfänger des Briefes Ihn erkennen und schätzen lernen, damit ihre Herzen die wunderbare Tatsache erfassen und genießen möchten, dass sie dieses Dienstes und der Segnungen desselben durch Glauben bereits teilhaftig waren, wenn auch die sichtbare Erfüllung der Verheißungen noch in der Zukunft lag und sie hier durch Kampf und Leiden zu gehen hatten. Die letzteren sollten ja nur zu ihrer Erziehung dienen; daher sollten sie mit neuer Kraft ihren Lauf fortsetzen und „dem Frieden nachjagen mit allen und der Heiligkeit”, ihrer Hoffnung gemäß, den HERRN zu schauen. Dazu bedurften sie der Gnade Gottes und zugleich des Bewußtseins ihrer Verantwortlichkeit dieser Gnade gemäß. Diese Gnade war aber nicht mit dem ersten Bunde verbunden, der am Berge Sinai gemacht wurde und dessen Mittler Mose war, sondern kennzeichnete den Neuen Bund, den Er vom Berge Zion aus machen wird (2. Kön. 19,31; Ps. 14,7; 128,5 u. a. m.) und dessen Mittler der HERR Selbst sein wird. Durch den Glauben an Ihn, der der Mittler ist, und an Sein Blut, welches das des Neuen Bundes ist, war für sie diese Gnade schon erschlossen, und sie brauchten nur darauf zu achten, dass sie keinen Mangel an dieser Gnade hatten und sorgfältig auf Seine Stimme hörten, die zu ihnen vom Himmel her ertönte, wo Er jetzt ist. Deshalb heißt es in Kap. 12: „Denn ihr seid nicht gekommen zu dem Berge, der betastet werden konnte” usw., „sondern ihr seid gekommen zu dem Berge Zion” usw. „und zu Jesu, dem Mittler eines Neuen Bundes; und zu dem Blute der Besprengung, das besser redet als Abel” usw. (V. 18-29).
Also wo irgend im Neuen Testament der „Neue Bund” erwähnt wird, wird damit nie gesagt, dass der Neue Bund mit der Gemeinde gemacht sei oder werde, sondern nur, dass wir geistlich die künftigen Segnungen des Neuen Bundes im voraus genießen, wie in vorstehendem darzulegen versucht worden ist.
Th. K.