Antwort A
Die angeführten Schriftstellen zeigen uns die kostbare Stellung, in die wir als Gläubige gebracht sind. Wir sollen die uneingeschränkte Güte unseres Gottes und Vaters auf dem Weg durch diese Wüste genießen, und nach den Ratschlüssen Seiner Liebe will Er uns in Seiner innigsten Nähe haben. Dieser Vorsatz Gottes, der uns in Gnaden mit Christus verbindet, kennzeichnet unsere Stellung. Wenn wir nun als einzelne stille stehen und Rückschau halten, ergibt sich für uns die Frage: Wo fand Er uns, als Er uns in diese herrliche Stellung bringen wollte? Tot in Vergehungen und Sünden! Wenn wir aber nunmehr in Christo unsere Stellung nach den Ratschlüssen Gottes sehen, dann werden wir finden, wie Er nach dem Reichtum Seiner Gnade mit uns gehandelt hat. Wir sehen also die wunderbare Tatsache unverhüllt vor uns liegen: zunächst, dass der Sohn Gottes auf diesen Schauplatz kam und uns Heil und Rettung gebracht hat, ferner dass der HERR, nachdem Er das Werk der Erlösung hinausgeführt hatte, wieder zu Seinem Vater ging und uns für diese Zeit Seiner Abwesenheit den Heiligen Geist als Führer und Sachwalter zurückließ, und dass Er uns weiter die Zusage gab, „Ich komme wieder”. Wenn nun Der, welcher uns in eine so gesegnete und auch gesicherte Stelle gebracht hat, unserem Auge fern ist, wird unser Verlangen doch immer nach Ihm sein. Die gegenseitige Zuneigung ist immer die gleiche. Er sehnt sich nach den Seinen und die Seinen nach Ihm. Die beste Erläuterung zu unserer Frage gibt uns das Gleichnis vom treuen und bösen Knecht Mt. 24,43-51. Der treue Knecht handelt und wartet und wacht. Der ungetreue sagt: „Mein Herr verzieht zu kommen” (V. 49) und schändet das Zeugnis seines Herrn. Wenn wir nun Off. 22,20 lesen: „Der diese Dinge bezeugt, spricht: Ja, Ich komme bald” (schnell, eilends), so müssen wir darauf achten, dass es sich um das Zeugnis von dem Herrn Jesus Selbst handelt. Off. 22,16 sagt Er uns: „Ich, Jesus, habe Meinen Engel gesandt, euch diese Dinge zu bezeugen in den Versammlungen,” und in V. 17 hören wir das Echo: Geist und Braut rufen vereint „Komm!”. Es ist ein gemeinsames Sehnen. Der Geist sehnt sich von diesem Schauplatz hinweg, und jeder, der hinzugefügt ist zur Gemeinde oder zur Braut des HERRN, wird das gleiche Verlangen tragen, Den zu sehen, der ihn geliebt und gewaschen hat. So stehen wir wohl inmitten einer gottfeindlichen Welt auf dem unerschütterlichen Boden unseres Heils und erfreuen uns einer vollkommenen Errettung. Aber gerade, weil es sich um etwas Vollkommenes und Bestimmtes handelt, sehnen wir uns, wenn die Verbindung mit dem HERRN rechter Art ist, danach, nicht nur grundsätzlich, sondern auch praktisch mit dem HERRN in die himmlischen Örter versetzt zu werden. So kommt unser Rufen: „Komm, Herr Jesu!” aus einem sehnsuchtsvollen Herzen, denn die Schätze und Freuden dieser Welt, auch wenn es sich um edle handelt, sind uns nichtig geworden. Möchten wir alle, die wir als wahre Gläubige Verbindung mit dem Haupte haben, Gott in Treue dienen und wie die Thessalonicher den Herrn Jesum aus den Himmeln erwarten (1. Thess. 1,9.10). Denn keine Wahrheit der Schrift gibt uns mehr Spannkraft und Ermunterung zu treuem Wandel und zum Ausharren als das stete treue Warten auf Ihn, der uns gesagt hat: „Ja, Ich komme bald.” Nicht die Lehre von Seinem Kommen und auch nicht die Ereignisse, die mit Seinem Kommen in Verbindung stehen, sondern die Vereinigung mit Seiner hochgelobten Person soll unser Herz erfüllen, und zwar zu allen Zeiten, dann rufen wir freudig aus sehnsuchtsvollem Herzen: „Komme bald, Herr Jesu!”
Ph. W.
Antwort B
Zunächst die 2. Unterfrage: „Geben Stellen wie Röm. 5,9.10; 8,30; Eph.1,14 nicht schon genügende Sicherheit für unsere zukünftige Rettung?” Sicherlich! Die Schrift spricht klar in Apg. 16,31: „Glaube an den Herrn Jesum, und du wirst errettet werden,” errettet vor dem kommenden Zorn (Röm. 5,9.10; 1. Thess. 1,10), errettet vor dem Gerichte (Joh. 3,17; 5,24). In Christo haben wir aber nicht nur die Errettung, sondern einen unausforschlichen Reichtum der Herrlichkeit (Eph. 3,8.16). Möchten wir uns nun nicht lässig zeigen, das in Besitz zu nehmen, was Gott in Seiner Gnade und Liebe uns zugedacht hat wie einst Israel (Joh. 13,1), da es doch die herrlichsten Verheißungen hatte (Joh. 1,3ff.). Auch in diesem Zusammenhange gilt das in Band III, 1915, Frage 27, Antwort F über den Wandspruch „Nur selig” Gesagte. Damit komme ich zu Unterfrage 1: „Ist für einen Menschen ‚in Christo’ das praktische Warten auf das Kommen des HERRN Notwendigkeit?”
Ist für eine Braut die Liebe zu ihrem Bräutigam Notwendigkeit? Ist es für eine Braut Notwendigkeit, auf den Tag der Heimkehr ihres Bräutigams, der Vereinigung mit ihm, die Hochzeit zu warten?
O, dass unsere Herzen so die erste Liebe verlassen haben, dass unsere Herzen so wenig von Liebe zum Heilande brennen! Denn hier handelt es sich um eine Herzenssache, und wie könnte man da von „Notwendigkeit” sprechen!
Einst brauchte ein alter Bruder zur Erklärung von Off. 2,4 etwa folgendes Bild, das auch für die vorliegende Frage Licht geben kann: Ein Ehepaar ist jung verheiratet. Der Mann geht des Morgens zur Arbeit. Er geht nicht, ohne mit einem Kuß von seiner Frau Abschied genommen zu haben, ohne von ihr bis zur Tür begleitet zu werden, und ohne dass sie ihm noch nachschaut. Nun ist er fort. Sie begleitet ihn in Gedanken und denkt darüber nach, wie sie alles für ihn schön zurechtmachen kann, wenn er müde von der Arbeit nach Hause kommt. So werden für ihn die Betten gemacht, die Stuben gesäubert, das Essen gekocht, der Tisch gedeckt usw. Nun naht die Stunde, wann er nach Hause kommen muß. Es ist alles bereit. Sie wartet schon auf ihn, um ihm die Tür zu öffnen und von ihm mit einem Kuß in die Arme geschlossen zu werden. - Jahre sind vergangen. Äußerlich bietet das Haus noch denselben Eindruck. Die Betten sind sauber und glatt, die Zimmer rein, das Essen gut. Aber das Verhalten der Eheleute zueinander ist, wenn man genau aufpaßt, ein anderes geworden. Es kommt vor, dass der Mann zur Arbeit geht, ohne von seiner Frau Abschied zu nehmen. Man begrübt sich beim Wiedersehen nicht mehr mit einem Kuß. Die Herzen sind kühl gegeneinander geworden. Äußerlich scheint alles dasselbe geblieben zu sein; aber der Hauch der Liebe, der über dem Hause lag, ist dahin!
Mag in einer irdischen Ehe die Schuld des Erkaltens der Liebe vielleicht auf beiden Seiten liegen, so verdient es kaum erwähnt zu werden, dass in unserem Falle die Schuld des Verlassens der ersten Liebe zum HERRN stets bei uns liegt. Die Liebe des HERRN ist unveränderlich! (1. Kor. 13,8; Hohel. 8,7a; Joh. 13,1.) lasst uns gedenken, wovon wir gefallen sind, Buße tun und den HERRN bitten, durch den Heiligen Geist wieder das Feuer der ersten Liebe anzufachen, dass unsere Herzen wirklich mit Ihm erfüllt sind, dass Er von neuem der Mittelpunkt unseres Lebens, Denkens und Hoffens sei. lasst uns irdische Gesinnung, Beschäftigung mit dem lieben Ich, jede Bürde und die leicht umstrickende Sünde, welche unsere Herzen aufhalten wollen, ablegen und hinfort nur auf Ihn sehen, Seine selige Nähe, Liebe in Gemeinschaft suchen, damit nicht auch wir schläfrig werden oder gar einschlafen! (Mt. 25,5.)
3. Unterfrage: „Wie haben wir uns das Warten zu denken?”
Wie wartet die Braut auf den Bräutigam? Auch darauf kann nur die Liebe Antwort erteilen, und es ist nicht möglich, Anweisungen zu geben. - Andererseits tritt, wenn die Schrift über das Warten spricht (Mt.24,42 bis 25,30; Mk. 13,33-37; Lk. 12,34-48; 21,34-36; 1.Thess. 5,4-11) weniger unser Verhältnis als das der Braut zum Bräutigam als vielmehr das des Knechtes zum Herrn in den Vordergrund; der Knecht hat dem Herrn Rechenschaft abzulegen und findet bei ihm Lohn.
4. Unterfrage: „Es müßte uns hier unten wohl eigentlich recht schlecht gehen, bis wir wahrhaft von ganzem Herzen ausrufen: ‚Komm, Herr Jesu!'?”
Wie die Braut die Wiederkehr des Bräutigams und den Tag der Hochzeit aus Liebe herbeisehnt, so soll auch in unserem Herzen die Liebe zum HERRN den Ruf: „Komm, Herr Jesu!” wecken. - lasst uns das nahe Verh ältnis, in das wir durch Gottes Gnade als Glieder der Brautgemeinde Jesu Christi getreten sind, genießen! Lies in diesem Zusammenhange das Hohelied!
O. v. Br.
Antwort C
Stellen wie Röm. 5,9.10 bezeugen klar, dass die an Jesum Glaubenden errettet sind mittelst des Glaubens an das durch Jesum vollbrachte Werk am Kreuze. Errettet von dem zukünftigen Zorn, wobei wir sehr wohl an Offenbarung 6,16.17 zu denken haben. Eph. 1,14 bezeugt, dass die Glaubenden durch den Heiligen Geist versiegelt und versichert sind betr. der Sicherheit ihrer ewigen Errettung; ja, noch manch andere Stellen der Heiligen Schrift bezeugen dem wahrhaft Glaubenden seine ewige Errettung in Christo. Was ist nun praktisches Warten auf den HERRN? 1. Thess. 1,9.10 sagt uns etwas davon: diese Thessalonicher hatten sich auf Grund der Verkündigung des Evangeliums durch den Apostel Paulus zu Gott bekehrt - um dem lebendigen Gott zu dienen - und Seinen Sohn aus den Himmeln zu erwarten. Drei unzertrennliche Tatsachen: Bekehrung zu Gott, und die noch übrige Zeit nicht mehr den Lüsten der Menschen, sondern dem Willen Gottes zu leben (nach 1. Petr. 4,2-4 und anderen Stellen) und Seinen Sohn zu erwarten - das ist praktisches Warten. Eine Notwendigkeit, auf das Kommen des HERRN zu warten, besteht nicht! Die Liebe Gottes ist ausgegossen in unsere Herzen durch den Heiligen Geist; in der Bekehrung und durch dieselbe haben wir im Herzen erlebt und erfahren die unergründliche Liebe, das unermeßliche Erbarmen Gottes über uns in der Dahingabe Seines geliebten Sohnes, unseres Heilandes; wir sahen Ihn am Kreuze für uns gestorben, und wer dies persönlich erlebt hat, dessen Herz und dessen Verlangen ist seitdem nur eines: diesen geliebten HERRN bald zu sehen, um ewig bei Ihm sein zu dürfen. Von Notwendigkeit, auf den teuren HERRN zu warten, kann keine Rede sein, es ist vielmehr der durch den Heiligen Geist ins Herz gegebene Drang der Liebe zum HERRN. Wenn von Notwendigkeit geredet wird, so käme dies ja dahin, dass das Kommen des HERRN von Menschen bezw. dem Gläubigen abhängig wäre, wie ja auch leider unter Gläubigen die Meinung vorkommt, dass der HERR nicht kommen könne, solange die Gläubigen in so viele Gemeinschaften, Meinungen und Sekten zerstreut seien; das Kommen des HERRN ist nicht abhängig von dem jeweiligen Zustand einzelner oder vieler Gläubigen. So sehr es gewiß den HERRN und den Heiligen Geist betrüben muß, dass es so steht, das praktische Warten auf den HERRN ist ein Werk des Glaubens und eine Bemühung der Liebe im praktischen Leben und Wandel und des Ausharrens der Hoffnung auf unseren Herrn Jesum Christum (1. Thess. 1,3). Der Herr Jesus Selbst harrt aus droben, nach dem Willen Seines Vaters, und wir haben auszuharren (2. Thess. 3,5); es ist Seine Geduld und Langmut, die so gerne alle retten möchte (2. Petr. 3,9).
Die Meinung, als ob es einem recht schlecht hier unten ergehen müsse, bis man wahrhaft von ganzem Herzen ausrufen könne: „Komm, Herr Jesu!”, ist sehr irrig, und es findet sich im Worte Gottes auch nicht der mindeste Anhaltspunkt dafür. Keine zeitlichen und irdischen Umstände der Gläubigen: Not, Elend, Armut, Krankheit, Bedrückung, Verfolgung und was in den Bereich der Leiden gehört, werden den HERRN bestimmen, zu kommen, und kein Gläubiger, in dessen Herz die Liebe Gottes durch den Heiligen Geist ausgegossen ist und der Gemeinschaft hat mit dem Vater und dem Sohn (1. Joh. 1,3), wird um irgendwelcher Umstände willen rufen: „Komm, Herr Jesu!” Lesen wir die Berichte des Apostels im Römer- und Korintherbrief betr. seiner Leiden, seines Ergehens in dieser Welt! (Röm. 8,37.) Er sagt: „Aber in diesem allem sind wir mehr als Überwinder durch Den, der uns geliebt hat.”
Endlich möchte ich bemerken, dass Off. 22,17 steht: Und der Geist und die Braut sagen „komm!” Der Heilige Geist, den Gott gesandt an Christi Statt, um die Braut, die wahre Gemeinde Gottes, aus der Welt zu sammeln und zu werben, ruft: „Komm!” Der Heilige Geist sehnt Sich Selbst, die Braut, die Er in der Welt geworben hat, dem Bräutigam bald zuführen zu können.
Wir haben ein so schönes Vorbild in dem Knecht Abrahams, dem Elieser: 1. Mose 24,56. Nachdem er die Braut für dessen Sohn Isaak gefunden hatte, will er sich nicht länger aufhalten lassen, er spricht: „Haltet mich nicht auf usw.” Der Heilige Geist sehnt Sich sehr, die Braut heimzuführen und diese Erde, wo Er soviel betrübt worden ist, zu verlassen. Wir dürfen sicher sein: das Sehnen und Verlangen des Herrn Jesu nach Seinen Erlösten und durch Sein Blut Erkauften ist unendlich größer als das Sehnen der Braut selbst (Joh. 14,2.3; 17,24). Und die Braut ruft: „Komm!” Sobald die Braut des Bräutigams Stimme hört: „Ich bin der glänzende Morgenstern”, ruft sie hocherfreut „Komm!” Denn sie weiß, dass Er dann kommt, ja, dass Er sehr nahe ist.
Möchten wir alle, die den Herrn Jesum kennen und liebhaben, beherzigen 1. Thess. 5,4-11!
F. B.
Antwort D
Wenn ich die Frage recht verstehe, geht der erste Teil derselben dahin, ob unsere zukünftige Errettung davon abhängig ist, dass wir tatsächlich auf das Kommen des HERRN warten. Mit „zukünftige Errettung” ist wohl unsere ewige Errettung gemeint. Insoweit ist die Frage entschieden zu verneinen, denn das Wort Gottes macht unsere ewige Errettung von nichts anderem auf unserer Seite abhängig als nur von unserem Glauben an den Herrn Jesum Christum, den Sohn Gottes, unseren Heiland. Er ist der Fels, auf den unser Heil gegründet ist. Das bezeugt das Wort Gottes an vielen Stellen, wie Joh.3,16; 6,47; 10,27-29 u.a.m.
Die mitangezogene Stelle Röm. 5,9 spricht m. E. von einer anderen Errettung - der Errettung durch unseren HERRN vom „Zorn”, der in den im Worte Gottes angekündigten Gerichten einst über diese Welt kommen wird und daher in 1. Thess. 1,10 der „kommende Zorn” genannt wird. Aber auch von dieser Errettung gilt das oben Gesagte.
Wie haben wir uns dieses Warten zu denken? Denken wir uns eine Braut, deren Bräutigam abwesend ist. Er konnte ihr bei seinem Abschiede nicht sagen, wann er wiederkommen würde, sondern nur, dass er sicher wiederkommen werde, um sie dann heimzuführen, und dass sie seines Kommens jederzeit gewärtig sein könne. Nun wartet sie auf ihn jeden Tag, jede Stunde, immer bereit für ihn; ihr Herz ist mit ihm beschäftigt, weilt bei ihm, er füllt es aus, nach ihm ist ihr Sehnen, alles andere hat keinen oder nur untergeordneten Wert für sie. So ist es mit einem Herzen, das auf den HERRN wartet. Das ist die „erste Liebe”, von der der HERR spricht, als Er in dem Sendschreiben an Ephesus sagt: „Aber Ich habe wider dich, dass du deine erste Liebe verlassen hast” (Off. 2,4).
Er füllte nicht mehr ihr Herz ganz aus, sie warteten nicht mehr, wie zuerst, mit Sehnsucht auf Ihn. - Ein liebliches Bild finden wir im Hohenliede. Dort sagt die Braut in 2,16 voll Liebe: „Mein Geliebter ist mein, und ich bin sein.” In 6,3 sagt sie im seligen Genusse seiner Liebe: „Ich bin meines Geliebten, und mein Geliebter ist mein.” In 7,10 aber sagt sie voll tiefsten Sehnens, das im Empfinden seines Sehnens nach ihr Ausdruck findet: „Ich bin meines Geliebten, und nach mir ist sein Verlangen.” O wie kostbar! Muß es uns da erst „recht schlecht” gehen, um uns dahin zu bringen, von ganzem Herzen auszurufen: „Komm, Herr Jesu!”? Wenn es uns „schlecht” geht, ist dies wohl geeignet, uns nach Ihm ausschauen zu lassen, weil wir wissen, dass Sein Kommen uns allem Leid entrücken wird. Aber wenn dieses erst uns veranlaßt, Sein Kommen zu wünschen, dann ist Er noch wenig für unser Herz, und kennen wir noch wenig die Liebe Seines Herzens für uns! Dann wissen wir nichts von der „ersten Liebe”, und der HERR muss eben Drangsal kommen lassen, um uns zurechtzuhelfen (wie das Sendschreiben an Smyrna zeigt, Off. 2,9.10), und Dank sei dem HERRN, dass Er es tut, und wohl uns, wenn Er Sein Ziel erreicht! Das ist aber nicht der Seinen Gedanken entsprechende Zustand, sondern Er möchte, dass wir ohne solche Trübsalswege uns nach Ihm sehnen, indem Er der Schatz ist, bei dem unsere Herz weilt und der es anzieht! „Denn wo euer Schatz ist, da wird auch euer Herz sein,” hören wir aus Seinem Munde in Lk. 12,34. Das ist eine kostbare und ernste Tatsache. Wie steht es mit uns? Warten wir tatsächlich auf unseren teuren HERRN? lasst uns offen gestehen: Nein! - wenigstens ich muss dies bekennen, denn welch herrliche Wirkung muss ein tatsächliches Warten auf Sein Kommen doch auf unser Leben ausüben! Mochte nicht die Braut von dem geliebten Bräutigam bei seinem Kommen so betroffen werden, wie es ihm zur Freude ist? Sicherlich! Darum wird sie, wenn sie in der Erwartung seines Kommens lebt, beständig dafür besorgt sein, von sich alles fernzuhalten, was ihm mißfallen könnte, vielmehr aber so gefunden zu werden, wie es ihm wohlgefällt und ihn beglückt. Und sie kennt ihn und weiß sehr wohl, was ihm mißfallen würde und was ihm wohlgefällt und ihn beglückt. Ist es nicht genau so mit uns und unserem Warten auf unseren HERRN? Er kann jeden Augenblick kommen! Muß nicht diese Erwartung das tiefste Verlangen in meinem Herzen hervorrufen und wach erhalten, auch jeden Augenblick so erfunden zu werden, wie es Ihm wohlgefällt? Muß da nicht jede Sünde und Unreinheit - alles, dessen ich mich vor Ihm schämen müßte - aus meinem Leben verschwinden, Seinem Lichte, Seiner Heiligkeit gemäß, und mein Wandel ein heiliger sein? Muß nicht mein Leben beständig Ihm dargelegt, Ihm geweiht sein? Muß nicht Seine Liebe mein Herz erfüllen und Sein Geist mich leiten? Muß nicht die Welt in Wahrheit eine Wüste und alles, was sie zu bieten vermag, gänzlich ohne Wert für mich und ohne Einfluß auf mich sein? Ganz gewiß! Wie steht es hierin mit uns? In Lk. 12,35.36 sagt der HERR: „Es seien eure Lenden umgürtet und die Lampen brennend; und ihr, seid Menschen gleich, die auf ihren Herrn warten, wann irgend er aufbrechen mag von der Hochzeit ...” Der Apostel Paulus konnte im 2. Kor. 5,9 im Blick auf das Vereintwerden mit dem HERRN sagen: „Deshalb beeifern wir uns auch, ... Ihm wohlgefällig zu sein,” und im ersten Johannesbriefe lesen wir in Kap. 3,3 in Verbindung mit der Hoffnung auf das Kommen des HERRN: „Und jeder, der diese Hoffnung zu Ihm hat, reinigt sich selbst, gleichwie Er rein ist.” Das ist wirkliches Warten auf das Kommen des HERRN.
Solches Warten auf Sein Kommen übt also auf unser Leben hienieden einen mächtigen und gesegneten Einfluß aus. Dies erfahren wir in dem Maße, wie wir tatsächlich auf Ihn warten. Ein bloßes Besitzen und Festhalten der Lehre vom Kommen des HERRN ist ohne diesen Einfluß - es ist kein wirkliches Warten. Dis Fehlen dieses tatsächlichen Wartens ist also ganz gewiß ein großer Verlust für jedes Kind Gottes, wenn auch sein ewiges Heil dadurch nicht in Frage gestellt wird. Und wie muss es unseren teuren HERRN betrüben, wenn Seine Liebe so wenig Erwiderung findet! Möchte es darum dem Heiligen Geiste gelingen, Seine Liebe uns so kundzumachen und Seine Person uns so kostbar und lieblich vor unser Auge zu stellen, dass unsere Herzen sich wahrhaft nach Ihm sehnen und wir von ganzem Herzen rufen: „Komm, Herr Jesu!”
Th. K.
Anmerkung des Herausgebers
Mit dieser wichtigen Frage und den darauf eingelaufenen vier köstlichen Antworten, von denen Antwort B aus dem Felde kam, beschließen wir das erste Heft des neuen Jahrgangs. Möchte den geliebten Lesern, ja uns allen der Ruf und das Sehnen nach dem Kommen des Bräutigams von Anfang dieses Jahres an recht teuer werden, möchten wir immer inniger rufen: „Komm!”, daßviele, die noch nicht so zu rufen wagten, es hören und auch sprechen: „Komm!” (Off. 22,17.)
Nur noch ein paar Bemerkungen, die allerdings schon z. T. berührt sind! Die Entrückung (1. Thess. 4,13-18) ist keine Belohnung, die uns zuteil wird für treuen Wandel, sondern sie ist der Abschluß unserer Erlösung, und zwar die Erlösung unseres Leibes (Phil. 3,21), und darum ist sie das Teil aller, die mit dem kostbaren Blute Christi erlöst sind (1. Petr. 1,18), und für diese alle kommt der Herr Jesus, um sie dort einzuführen, wo Er ihnen die Stätte bereitet hat (Joh. 14,1-3). Es gibt aber immer noch viele liebe Kinder Gottes, die glauben, erst müsse und werde dies und jenes geschehen, gar noch erst der Antichrist kommen, ehe der Herr Jesus wiederkommen könne. Aber der HERR macht Sein Kommen nicht vom Antichrist abhängig, sondern die Schrift macht’s umgekehrt, wie der Vergleich von 2. Thessalonicher mit 1. Thessalonicher für den unvoreingenommenen Leser deutlich ergibt. Der HERR sagt in Joh. 14,2: „Ich gehe hin (euch eine Stätte zu bereiten)” - „Ich komme wieder!” Da sind keine Ereignisse auf der Erde nötig in der Zwischenzeit. Die antichristliche Zeit von Off. 6 (vergl. Band III, 1915, Fr. 23) kommt nach den Vorgängen von Kap. 4 und 5, wo die Gemeinde schon im Himmel gesehen wird. Kein Ereignis ist nötig, ehe der HERR kommt, und wenn Er kommt, wird unsere Erlösung praktisch vollendet. Darum, geliebte Geschwister, lasst uns Ihn erwarten! Wir sind erlöst, Ihn zu erwarten, und bei Seinem Kommen werden wir verwandelt und Ihn sehen, wie Er ist.
Wie sollten wir uns in heiligem Wandel und in der Liebe (und auch mit Worten) nach Ihm sehnen - schon um Seinetwillen, weil Er Sich nach uns sehnt! Ruft eine Braut auf Erden nur nach dem Bräutigam, wenn es ihr „recht schlecht” geht? Wäre das Liebe? Nein! Und so mit uns! Wohl kann die Erwartung des kommenden HERRN uns in den Kämpfen und Leiden dieser Zeit Trost gewähren und soll es auch (Röm. 8,18; 2. Thess. 2,16.17 u. a.), aber der Ansporn der Sehnsucht nach Ihm darf für das liebende Herz nur Er Selbst sein! (Vgl. z. B. auch 1. Mose 45,26-28!) Sagt der HERR etwa (Joh. 16,33): „In der Welt habt ihr Drangsal, aber seid gutes Muts: Ich komme bald!”? Nein, sondern: „Ich habe die Welt überwunden,” und wir in und mit Ihm (Röm. 8,30ff.; 1. Joh. 5,1ff.!). Also nicht die Trübsal zwingt uns den Ruf: „Komm!” von den Lippen ab, sondern - wenn wir recht stehen - die in unseren Herzen durch die Liebe des Bräutigams entzündete Liebe ruft in heißem Sehnen: „Komm, Herr Jesu!”