Antwort A
Titus war von Paulus in Kreta gelassen worden, um noch allerlei in Ordnung zu bringen und Älteste anzustellen. Zu diesem Zweck gibt ihm Paulus Belehrung, insbesondere, wie in vielen seiner Briefe, über die Aufrechterhaltung der Ordnung in der Versammlung. In großen Linien zeigt er die Grenzlinien des Christentums. Im dritten Kapitel finden wir das Verhalten der Christen der Welt und der Obrigkeit gegenüber gekennzeichnet, und ein besonders scharfes und klares Bild zwischen Einst und Jetzt wird uns vor die Augen gemalt. Wir bekommen das Bild des Menschen nach dem Fleische gezeichnet, das Bild des in jeder Beziehung durch die Sünde entarteten Menschen. (V. 3; vgl. Eph. 2,1-3!) In das Nachtdunkel der Sünde und dieses Zeitlaufs leuchtete die Freundlichkeit und Menschenliebe Gottes, die uns in Nacht und Grauen sitzen sah, hinein und brachte uns Heil. Wie der Herr Jesus bei Nikodemus (Joh. 3,5) dasÜbel bei der Wurzel anfasst und diesen auf die neue Geburt verweist, so wird uns auch hier gezeigt, dass unsere Errettung durch die neue Geburt bewirkt wurde. Er, der Sünde nicht sehen kann und uns in unserem Elend und Verderben helfen wollte, nimmt den Charakter eines Heilandes, eines Erretters an, um uns zu Hilfe zu kommen. Wir sehen hier den Grundzug der Barmherzigkeit unseres Gottes, wodurch eine ganze Erlösung und eine völlige Errettung zustande gebracht wird. Aber noch mehr: nicht nur gerettet, sondern auch gereinigt ist der Gläubige, und um in der Kraft des neuen Lebens dazustehen, wird der Heilige Geist reichlich über ihn ausgegossen. So steht das Werk Christi in seiner Vollkommenheit da, es ist nichts hinzuzufügen. Wir sehen, wie Gott in dem Reichtum Seiner Gnade und nach den Gedanken Seines Herzens gegen uns gehandelt hat. Eine neue Schöpfung, bewirkt durch Gottes Erbarmen, ist Sein vollbrachtes Werk. Welch ein Triumph! (Vgl. Röm. 8!)
Ph. W.
Antwort B
In Kap. 3 zeigt der Apostel, dass Kinder Gottes auch den obrigkeitlichen Gewalten gegenüber sich ganz anders verhalten als die Kinder der Welt. Die Bevölkerung von Kreta, wo Titus wirkte, hat wohl von jeher einen aufrührerischen Charakter gezeigt. Wahres Christentum dagegen verwandelt die Menschen in stille, unterwürfige Untertanen, welche gerade in den Zeiten sozialer und politischer Kämpfe sich bewähren als Menschen, die nicht von dieser Welt sind. Sie müssen ihre Glaubensabhängigkeit vom HERRN festhalten und dürfen sich nicht auf den Boden und in die Anschauungen der von Gott gelösten Welt hinüberziehen lassen, sonst verleugnen sie den Glauben.
Hieraus nimmt der Apostel nun Veranlassung, den gewaltigen Unterschied zwischen einst und jetzt im Leben des Gläubigen zu zeigen. V. 3 zeigt er das Einst. Welch ein trauriger Rückblick in ein für die Welt gelebtes Leben! Paulus schließt sich mit ein. Das Bild des natürlichen Menschen ist nicht schmeichelhaft, aber durchaus ähnlich. Wer seine Vergangenheit im Lichte Gottes betrachtet, der weiß, wieviel Selbstsucht, Bosheit, Neid da oft im Herzen war. Was für Lüsten und Eitelkeiten jagte man nach!
Die Kinder der Welt sind ein Spielball in der Hand Satans, des Verderbers, der nur kommt, dass er schlachte und verderbe (Joh. 10,10). Es ist Satans Lust, zu verderben! Darum die Ströme vergossenen Blutes, der Haß und Streit der Menschen untereinander. Sie zerfleischen einander ums Irdische - auch heute - und, soviel sie auch erringen mögen, sie sind doch hoffnungslos und unglücklich; aber Satan freut sich seines Werkes.
„Als aber die Güte und Menschenliebe unseres Heiland-Gottes”, Jesu Christi, erschien, was wollte, brachte und tat Er? Er kam als der Retter. Alles, was die Menschen glückselig macht, ist in Jesu zu finden. Er ist in allem das völligste Gegenteil vom Satan. Dieser brachte den Menschen Tod, Elend, Jammer, Feindschaft, Tränen, ja die Hölle. Aber Jesus bringt das Leben, den Frieden, die Fürsorge des Vaters, die Hoffnung der Herrlichkeit. Das ist keine tote Lehre, keine bloße Theorie, sondern es ist die Erfahrung jedes wahren Christen. Er hat es erlebt. Das: Ich war verloren - ich bin errettet! bildet das Fundament des neuen Lebens. Dieses Wunder der Gnade ist ein Werk Gottes, nicht des Menschen. Unsere Werte, mochten sie menschlich noch so edel und gut sein, konnten nichts dazu beitragen, sie konnten das Werk Gottes nur aufhalten und hindern. Aber Gottes Barmherzigkeit hat es zustande gebracht. - Worin besteht dieses Werk unserer Errettung? Es hat zwei Seiten. Der Apostel nennt zuerst „die Waschung der Wiedergeburt”. Dieser Ausdruck wird vielfach mißverstanden. Zunächst die Frage: Ist hier von der Taufe die Rede? Manche sagen: Die „Waschung der Wiedergeburt” hat mit der Taufe nichts zu tun. Sie kann nur durch das Blut des Lammes geschehen (vergl. Hebr. 9,13.14). Wie lautet der Lobgesang der Erlösten? „Dem, der uns liebt und uns von unseren Sünden gewaschen hat in Seinem Blut” (Off. 1,5).
Gewiß, die Wiedergeburt besteht zunächst in dieser Waschung durch das Blut Christi, das uns von allen Sünden reinigt und unsere ganze Vergangenheit in Ordnung bringt. Aber dafür, dass dies geschehen ist, haben wir in der Taufe ein öffentliches Zeugnis abgelegt, und diese ist ein Abbild jener Waschung. Sie gehört zusammen mit der Wiedergeburt, denn jeder Wiedergeborene lässt sich taufen. Die Abwaschung geschieht also nicht erst bei der Taufe oder durch sie, sondern durch den Glauben, aber im Neuen Testament wird öfters das Symbol der Abwaschung, die Taufe, mit dem Akt der Abwaschung identifiziert (gleichgesetzt).
So Apg. 2,38.39. Ohne Zweifel wollte Petrus nicht sagen, erst durch die Untertauchung in der Taufe würden ihre Sünden abgewaschen, das würde dem Evangelium widersprechen, sondern er setzte voraus, dass der Heilige Geist durch die Heilsbotschaft den Glauben in ihnen geweckt hatte. Zum Zeugnis ihres Glaubens aber sollten sie sich taufen lassen. Damit wurde die Abwaschung der Sünden gewissermaßen erst zum Abschluß gebracht. Ebenso Apg. 22,16. So hat auch in Mk. 16,16 der HERR Glauben und Taufe miteinander verbunden.
Der Apostel will also sagen: Unsere Rettung geschah in der Wiedergeburt durch den Glauben an Jesum, den Gekreuzigten und Auferstandenen, durch Dessen Blut alle unsere Sünden abgewaschen wurden, wie wir es ja selbst in der Taufe bezeugt haben.
Ganz irrig und im Widerspruch mit der „gesunden Lehre” des Evangeliums ist die Lehre der lutherischen Kirche, die Wiedergeburt geschehe durch die Taufe. Diese Lehre wird gerade auf Tit. 3,5 gegründet. Man sagt, hier stehe es deutlich, dass die Taufe unsere Rettung sei, hier werde nicht einmal die Bedingung des Glaubens gestellt. Aber der ganze Zusammenhang zeigt („nicht aus Werken ... sondern nach Seiner Barmherzigkeit ... gerechtfertigt durch Seine Gnade”), dass der Glaube vorausgesetzt wird. Der Taufe die Wirkung zuzuschreiben, die allein dem Glauben zukommt, ist eine Verirrung.
In der Wiedergeburt erlebten wir aber zweitens auch eine Lebenserneuerung durch den Heiligen Geist. Das ist, sozusagen, die positive Seite unserer Errettung. Wir empfingen das neue, göttliche Leben in Christo durch die Mitteilung des Heiligen Geistes, welcher der Geist des Lebens ist. Wir wurden eine neue Schöpfung (2. Kor. 5,17), aus Gott geborene (Joh. 1,13) Kinder Gottes. Wir wissen das durch das Zeugnis dieses in uns wohnenden Geistes (Röm. 8,9.16).
Und diese herrliche, in der Wiedergeburt geschehene Errettung ist nicht nur eine gegenwärtige, sondern sie schließt auch unser zukünftiges, ewiges Erbteil mit ein. Wir sind zu einer lebendigen Hoffnung wiedergeboren (1. Petr. 1,3), deren Siegel und Unterpfand der Heilige Geist ist (Eph. 1,13.14; 2. Kor. 1,22). Darum lasst uns, „die Gottlosigkeit und die weltlichen Lüste verleugnend, besonnen und gerecht und gottselig leben in dem jetzigen Zeitlauf, erwartend die glückselige Hoffnung und Erscheinung der Herrlichkeit unseres großen Gottes und Heilandes Jesu Christi” (Tit. 2,12.13).
Chr. K.