Antwort A
Durch die Fürsorge des HERRN durfte Paulus als Gebundener aus dem Gefängnis heraus die Kolosser einführen in das Geheimnis des Christus und durfte ihnen die ganze Errettung und die Offenbarwerdung in Herrlichkeit zeigen. Diese Stellung war wie jede Stellung in Christo auch mit allerlei Kampf verbunden, durch den die Kolosser gehen mußten. Aber auch nach dieser Seite hin sollte ihnen der Ertrag des Werkes Christi voll und ganz zugute kommen, denn hier an dieser Stelle setzt die Gnade ein, um einen Triumph zu feiern und den völligen Sieg, den Christus auf dem Kreuze errungen hat, den Gläubigen zu schenken. Nachdem Er, der Sohn Gottes, Frieden gemacht hat durch das Blut Seines Kreuzes (Kol. 1,20) und durch Seinen Tod und Auferstehung eine neue Ordnung hergestellt hatte, war die entgegenstehende Handschrift (Schuldbrief) ausgetilgt, Satzungen und alles, was mit Religion verbunden war, hatten ein Ende genommen. Das Haupt, der Christus, hatte alles vollbracht, so dass Schatten oder Vorbilder und Satzungen, wie sie im Alten Bunde vorhanden waren, vollständig beiseite gesetzt waren und in Ihm die Erfüllung gefunden hatten. Der neue Boden, den die Kolosser betreten hatten, war nicht nur Leben, sondern auch Freiheit und Herrlichkeit. Sie hatten Christus den HERRN empfangen und sollten nun mit Ihm wandeln und in Ihm gewurzelt sein. Ihr Grund war die Festigkeit des Glaubens an Christus (Kol. 2,5). In dieser herrlichen Stellung ist der Blick weggerichtet von dem, was Menschen aufrichten, ob der Schein auch heilig oder religiös sein mag. Der Gläubige sinnet in dieser Stellung auf das, was droben ist, und erwartet das Offenbarwerden in Herrlichkeit (Kol. 3,1-4). Hier ist nun die Stelle, wo der Betrug des Feindes und das Aufrichten von Satzungen und eine neue Bindung durch Formen und Gesetze einsetzt. Durch gesetzliche Speiseverbote und durch Halten von Dingen, welche mit Christus hinweggetan waren, wollten etliche, die als Scheinfromme auftraten, aber Verführer waren, die anderen betören, dass sie dadurch eine größere Heiligkeit erlangen würden. Ähnlich wie schon 1. Mose 3,5 die Stimme des Feindes lautet: „Ihr werdet sein wie Gott,” so geht der Betrug des Feindes zu allen Zeiten seinen Weg, um die Gläubigen um den Ertrag des Werkes Christi zu betrügen und ihnen ihre herrliche Stellung streitig zu machen. Es ist dies der zu Eingang erwähnte Kampf. Ein Kampf zwischen Licht und Finsternis, zwischen Fleisch und Geist. Merken wir auf, dann werden wir finden, dass diese Gefahr, vor der Paulus die Kolosser warnt, gerade in unseren Tagen im Vordergrund steht und mit ein Kennzeichen der toten Form unter der bekennenden Christenheit ist. An Stelle des Werkes Christi für uns hat sich der Mensch eine zur toten Form gewordene Religion gemacht. Mt. 15,9.17.18 zieht der HERR hierfür schon eine scharfe Scheidegrenze, und Gal. 4,9 muss Paulus vor der gleichen Gefahr warnen, ebenso gibt der Apostel seinem Timotheus in dieser Beziehung eine klare Weisung 1. Tim. 4,1-8. Also will uns diese Schriftstelle sagen, dass wir mit keinerlei Satzungen und Systemen, mögen sie noch so fromm und religiös erscheinen und dem Fleisch angenehm sein, irgend etwas gemein haben sollen. Vielmehr sollen wir uns unserer herzlichen Stellung bewußt sein: Auferweckt mit Christo und sinnend auf das, was droben ist. Gleichzeitig nach oben und nach unten blicken bezeichnet man im gewöhnlichen Leben mit Schielen, und Schielen ist Unnatur. Deshalb die ernste Mahnung des Paulus: „Wenn ihr mit Christo von den Elementen der Welt weggestorben seid, was lasst ihr euch Satzungen auflegen, als lebtet ihr noch in der Welt?” (V. 20.) Unsere Stellung ist klar bezeichnet in den Worten: „Daher, wenn jemand m Christo ist, dann ist eine neue Schöpfung, das Alte ist vergangen, siehe, alles ist neu geworden” (2. Kor. 5,17).
Ph. W.
Antwort B
Der Kolosserbrief betrachtet die Gläubigen als in der Welt stehend, aber von derselben getrennt durch den Tod Christi. Nicht die herrliche Tatsache, dass sie „in Christo” sind, ist hier der Gegenstand, sondern die ebenso herrliche Tatsache, dass Christus in ihnen ist (Kap. 1,27). Er ist die Quelle, der Ausgangspunkt, die bestimmende und wirkende Kraft ihres Lebens hienieden - Er, der gestorben und auferstanden ist, sitzend zur Rechten Gottes; daher sind auch sie in dieser Welt Gestorbene, deren Leben verborgen ist mit dem Christus in Gott (3,3) und deren Herz und Glaubensblick dorthin gerichtet ist, wo Er ist. (3,1.2). Dieses praktisch zu verwirklichen ist die Ermahnung, die sich durch den Brief hindurchzieht und auch in den in der Frage angegebenen Versen sich an uns richtet.
„Welt” ist ein verschiedenseitiger Begriff. Im Kolosserbriefe ist es nicht die Welt im Sinne von Joh. 1,9.10; 3,16.17 usw., auch nicht eigentlich im Sinne von 1. Joh. 2,15-17, obwohl wir selbstverständlich auch der „Welt und ihrer Lust” gegenüber unser Gestorbensein verwirklichen sollen, sondern es sind hier die „Elemente der Welt”, um die es sich handelt - menschliche Weisheit und menschlicher Wille, und zwar in bezug auf Gott und göttliche Dinge (2,8.18), und die Frucht von beiden: Überlieferung von Menschen; Gebote und Lehren der Menschen (2,20-23).
Der Mensch ist so sehr geneigt, in äußeren Dingen, dem Sichtbaren und Greifbaren, etwas zu suchen. Solches bot das Judentum in reichstem Maße. Daher kam es, dass sehr bald jüdische Einrichtungen in das Christentum Aufnahme fanden, sowohl auf dem Gebiete des sogenannten „Gottesdienstes” in seinem äußerlichen Gepränge und gewissen Formen wie auch in bezug auf Speisen und dergleichen. Diese Einrichtungen waren zum Teil im Gesetz Moses für das Volk Israel (nicht für uns) angeordnet, zum Teil aber auch nur „Überlieferung von Menschen”, „Gebote und Lehren der Menschen” (2,8.22), die sie nach ihrer eigenen Weisheit und ihrem eigenen Willen den göttlichen Vorschriften hinzugefügt hatten (siehe Mk. 7,1-7). Da sie sich in derselben Richtung bewegten wie die göttlichen Vorschriften, hatten sie „einen Schein von Weisheit” (2,23), in Wahrheit aber gingen sie völlig irre, denn die Dinge, deren Berührung, Genuß und Gebrauch sie verboten, waren „zur Zerstörung” bestimmt „durch den Gebrauch”, also von Gott gegeben, um ihrer Bestimmung gemäß verwendet zu werden. Der Nichtgebrauch dieser Dinge - sogar unter Nichtbeachtung berechtigter Ansprüche des Leibes - war deshalb nicht Weisheit, sondern Torheit und Eigenwille, und was Demut zu sein schien, war nur eitles Aufgeblasensein von dem Sinne des Fleisches (siehe V. 18.23).
Das alles sah der Apostel bereits in seinen Anfängen, und er sah die schlimme Weiterentwickelung kommen, denn in 1.Tim. 4,1-3 schreibt er: „Der Geist sagt ausdrücklich, dass in den letzten Zeiten etliche von dem Glauben abfallen werden, achtend auf betrügerische Geister und Lehren der Dämonen, die in Heuchelei Lügen reden und betreffs des eigenen Gewissens wie mit einem Brenneisen gehärtet sind, verbieten zu heiraten, und gebieten, sich von Speisen zu enthalten ...” Was der Apostel sah - mit großem Schmerze, wie wir aus Gal. 4,9-20 erkennen können -, ist in vollem Maße eingetreten und besonders in einer der verschiedenen christlichen „Kirchen” in ausgeprägtester Form vorhanden.
Alle jene Dinge dienen nur „zur Befriedigung des Fleisches” (Kol. 2,23, Schluß). Es ist eben nur das „Fleisch”, das es mit denselben zu tun hat - der „alte Mensch” (Röm. 6,6), der „in der Welt lebt”. Mit dem Tode hört jede Beziehung zu denselben auf. Der Tod trennt und befreit davon für immer. Deshalb heißt es an die Gläubigen, für die ja der Tod Christi als Tod ihres „alten Menschen” gilt und die infolgedessen ihrem „alten Menschen” nach nicht mehr in der Welt leben: „Wenn ihr mit Christo den Elementen der Welt gestorben seid, was unterwerfet ihr euch Satzungen, als lebtet ihr noch in der Welt?” Wir sollen dieses Mitgestorbensein verwirklichen und nicht mehr in Dingen uns bewegen, in denen der Mensch im Fleische Gott zu gefallen sucht. Das gilt nicht nur in bezug auf das Fasten zu gewissen Zeiten und Meiden gewisser Speisen, sondern auch in bezug auf alle anderen Dinge, die „nach der Überlieferung der Menschen, nach den Elementen der Welt und nicht nach Christo” sind (2,8).
Hierbei konnte die Frage auftauchen, ob an und für sich ein Kind Gottes alles essen darf. Diese Frage ist im Worte Gottes klar bejaht. Das finden wir gleich in Kol. 2. Da heißt es in Vers 16: „So richte euch nun niemand über Speise oder Trank,” und die Verse 20-23 behandeln ja gerade diesen Gegenstand von dem Standpunkte aus, dass wir als mit Christo Gestorbene nichts mehr zu tun haben mit Verboten betreffs Speisen und dergleichen. Ferner bitte hierzu zu lesen: Röm. 14,14 und 20b; 1. Kor. 10,25.26; 1. Tim. 4,3.4; auch Mk. 7,15.18.19 (vergl. Frage 36, Band l [1913]! Der Herausgeber.). Etwas ganz anderes ist es selbstverständlich, dass wir enthaltsam sein sollen - mäßig in allem und unnötigen Genuß meidend (siehe 1. Kor. 9,25 - 10,22!), sowie ferner auch, dass wir auch auf das, was wir mit gutem Gewissen genießen dürfen, dann verzichten, wenn ein anderer an dem Genusse Anstoß nimmt, wie uns Röm. 14 (siehe besonders V. 13.21); 1. Kor. 8,8-13 und 10,27-29 belehrt und ans Herz legt. - Keineswegs aber soll Vorstehendes ein Kind Gottes veranlassen, gegen seine Überzeugung zu handeln, denn dann würde es sündigen (siehe Röm. 14,23!). „Speise empfiehlt uns Gott nicht” (1. Kor. 8,8). „Es ist gut, dass das Herz durch Gnade befestigt werde, nicht durch Speisen, von welchen keinen Nutzen hatten, die darin wandelten” (Hebr. 13,9). „Das Reich Gottes ist nicht Essen und Trinken, sondern Gerechtigkeit und Friede und Freude im Heiligen Geiste” (Röm. 14,17).
Th. K.
Antwort C
Das „Wenn” ihr mit Christo gestorben (V. 20) und „wenn” ihr mit Christo auferstanden seid usw. (Kap. 3,1) sind keine fragenden, zweifelnden „wenn” in dem Sinne, ob sie es seien, sondern es sind folgernde, bestätigende „wenn”.
Der Apostel zeigt ihnen in den vorhergehenden Versen die großen Tatsachen: 1. Dass der Leib des Fleisches am Kreuze ausgezogen (V. 11), dass sie am Kreuze „mit Christo gestorben” (V. 20), und so als Menschen im Fleische vor Gott ihr Ende gefunden hatten. Und mehr, dass sie 2. „mit Ihm begraben”, auch das ganze Gebiet der Elemente der Welt - des Lebens des Fleisches - verlassen hatten, und dass sie 3. mitauferweckt durch den Glauben ... als Auferstandene diese Welt wieder betreten als solche, die 4. „mitlebendig” gemacht mit Ihm, ein Leben mit Ihm besitzen, welches jetzt ihrem Leben den Charakter - die Eigenart - gibt.
Von diesen feststehenden Tatsachen ausgehend fragt er: Wenn sie nun so mit Christo gestorben, begraben, auferweckt und lebend waren, wie konnten sie dann diesen Wirklichkeiten gegenüber so inkonsequent (widersprechend) sein und sich noch Satzungen und Dogmen beugen? Manche Gläubige meinen, dass sie das, was doch gut und fromm aussieht, mitmachen können. Sie sind so an Überlieferungen und Dinge nach väterlicher Weise gewöhnt, dass sie diese nicht fahren lassen möchten und sehen nicht, wie gänzlich unwahr sie dadurch zu jenen großen göttlichen Tatsachen stehen.
Wir lernen hier, wie unvereinbar diese Dinge mit dem Werke und der Person Christi sind. Der Apostel zeigt: Solche Dinge mögen einen Schein von Weisheit und auch Demut haben. Man will mit solchem gesetzlichen Entsagungswesen und Menschenlehren Gott etwas darbringen. Das Fleisch will Gott damit verehren. Es ist ein „Gottesdienst”, wie der Apostel zeigt, in dem sich der Eigenwille, die Aufgeblasenheit des Fleisches und die Selbstbefriedigung versteckt. Gott hat nichts darin. Es ist nicht nur eine Verleugnung des Kreuzes Christi und des Hauptes, sondern auch eine Anerkennung, dass Fleisch Gott dienen könne.
Die ernste Warnung in diesem Kapitel gilt der Einmischung und der Anerkennung des Fleisches. So wenig wie Christus mit der Welt und ihren Elementen zu tun hat, so wenig auch wir. Sein Tod hat jedes Band gelöst. Alles, was den Elementen der Welt angehört, die religiösen Systeme - auch das, was Gott einst in Israel dem Menschen im Fleische gab, alles hat im Kreuze Christi sein Ende gefunden. Ich habe damit so wenig zu tun wie das Haupt, dessen Leib ich angehöre. An diesen Dingen festhalten heißt „das Haupt nicht festhalten” (V. 19). Der Leib (die Gemeinde) empfängt kein Wachstum von diesen Dingen. Das „Wachstum Gottes” empfängt der Leib nur vom Haupte aus - aber nicht von den Elementen der Welt.
v. d. K.
Anmerkung des Herausgebers
Wenn diese klaren Antworten nur bei ein paar der geliebten Leser derselben, sofern sie noch in irgendwelchen Systemen dieser Welt innerlich oder auch nur äußerlich gebunden sind, die Folge zeitigten, dass sie sich lösen ließen von den Überlieferungen der Menschen, sie nicht mehr mitmachten (vergl. Frage 28!), so hätte dieses Heft einen wichtigen Dienst getan. Warum soviel Hängenbleiben an diesen von Gott längst gerichteten Dingen? Es gibt viele Scheingründe dafür, die oft ihren tiefsten Grund haben in Menschenfurcht und falscher Menschenliebe (vgl. Frage 28!), wobei die Liebe zu Gott weinen geht! Bruder, Schwester, es gibt vor Gott keinen stichhaltigen Grund für Ungehorsam der Gläubigen gegenüber dem geoffenbarten (und darum für jeden Gläubigen erkennbaren) Willen Gottes! Darum laß, was Ihn nicht ehrt, tue, was Ihn verherrlicht, wenn es auch gilt, dadurch mit Gebräuchen, die man vordem liebte, zu brechen! Dadurch beweisen wir Ihm unsere Liebe (Joh. 14,21ff.; vergl. Röm. 12,1.2 u. a.!). Dadurch helfen wir auch Seinen gegenwärtigen Verwaltungplan (Eph. 3!) praktisch zu verwirklichen: Die Gemeinde, den Leib Christi aufzuerbauen gemäß dem Wachstum Gottes (V. 19). Was gibt es wohl Köstlicheres in unserem Wirken hienieden, als in Übereinstimmung mit Ihm zu stehen, wie Er in Übereinstimmung mit dem Vater steht (Joh. 5,17; 10,30 u. a.)! Wie wirken wir?
Wie klein, niedrig ist die Religion des Fleisches, von der wir hier in Vers 21 und 22 eine Probe haben: Sich beherrschen lassen von Dingen, die durch den Gebrauch ohnehin der Zerstörung anheimfallen! Aber das sind Kennzeichen der Religion des Fleisches: Dinge, die Gott nicht geboten, deren Unwert im Blick auf die Wahrheit, die Ewigkeit Er dargetan hat im Kreuz Christi, aufrichten, sich darunter beugen, sich davon beherrschen lassen, und das, was Ihn verherrlicht, was Er liebt, worin Er Seine Freude hat (z. B. das Zusammenkommen der Gläubigen zum Gedächtnismahl des HERRN oder das praktische Warten aus Sein Kommen nach Off. 22,20, oder die Ordnungen Seines Hauses nach den Timotheusbriefen usw.), vernachlässigen oder als „unnötig zur Seligkeit” abtun! Prüfen wir uns in dieser ernsten gegenwärtigen Zeit, wieviel Er und Sein Wort uns wert geworden sind und ob wir bereit sind, soviel an uns ist, durch Gnade praktisch zu verwirklichen, dass wir, wie Antwort C zeigt, mit Christo gestorben, begraben, auferweckt und mitlebend sind in einem neuen Leben, in Seinem Leben! „Suchet, was droben ist, wo der Christus ist!” (3,1ff.!)