In 2. Mose 11,10 steht tatsächlich: "Und der Herr verhärtete das Herz des Pharao, und er liess die Kinder Israel nicht aus seinem Lande ziehen." Wie ist das zu verstehen? Nun lesen wir in den Kapiteln 4 bis 11 des 2. Mosebuches wiederholt von "Verhärten des Herzens". Erstmals steht es in 4,21: "Und der Herr sprach zu Mose: Wenn du hinziehst, um nach Ägypten zurückzukehren, so sieh zu, dass du alle die Wunder, die ich in deine Hand gelegt habe, vor dem Pharao tuest. Und ich, ich will sein Herz verhärten, so dass er das Volk nicht ziehen lassen wird."
Heisst das nun, dass Gott den Pharao so verstockte, dass dieser gar nicht anders konnte als sich Gott zu widersetzen? Das ist gänzlich undenkbar. Nun lesen wir in 3,19, wie Gott zu Mose sagt: "Aber ich weiss wohl, dass der König von Ägypten euch nicht ziehen lassen wird, auch nicht durch eine starke Hand." Gott weiss vorher, wie Pharao auf sein Reden reagieren wird, er bestimmt es aber nicht vorher.
Das gilt auch für die Errettung. Da Gott der Allwissende ist, weiss er im voraus von einem jeden Menschen, ob er je an seinen Sohn glauben wird oder nicht, weshalb Petrus sagen kann, Gott habe die Glaubenden nach seiner Vorkenntnis auserwählt (1. Petrus 1,1+2).
Weil Gott nun bereits weiss, wie der Pharao sich verhalten wird, kann er dem Mose das Ergebnis von dessen hartnäckiger Weigerung, auf Gottes Gebot zu hören, bereits ankündigen, bevor Mose auch nur ein Wort mit diesem gewechselt hat, wie er es eben in 4,21 tut. In den Kapiteln 5 bis 11 wird nun die Auseinandersetzung ausführlich beschrieben. Wir lesen sechsmal, dass der Pharao sich selbst verstockte, selbst sein Herz verhärtete (7,13.22; 8,15.19.32; 9,7); erst danach heisst es, dass Gott sein Herz verhärtete (9,12). Daraus lernen wir, dass Gott in grosser Geduld zum Menschen redet, ihn wiederholt einlädt, an ihn zu glauben. Verschliesst sich der Mensch aber beharrlich allem Reden Gottes, kommt der Tag, da er nicht mehr glauben kann, da Gott selbst ihn verblendet.
Das wird eines Tages mit den einst christlichen Völkern geschehen, die das Evangelium gekannt haben, tausendfach Gelegenheit hatten, zu glauben und gerettet zu werden und dennoch die Lüge der Wahrheit vorgezogen haben (2. Timotheus 4,3 + 4). Am Ende der Tage wird Gott selbst "kräftige Irrtümer" senden, so dass diese Menschen die Wahrheit dann nicht mehr erkennen können (2. Thessalonicher 2,9-12).
Das widerspricht keineswegs der Tatsache, dass der Mensch einen freien Willen hat und vor Gott für seinen Glauben oder Unglauben verantwortlich ist. Im Gegenteil: Weil der Mensch ein sittlich verantwortliches Geschöpf ist, muss ihn Gott auf diese Weise dem Gericht übergeben. Weil er seine Fähigkeit zu glauben bewusst nicht genutzt und dem Un- und Aberglauben den Vorzug gegeben hat und das hat er selbst getan - entzieht ihm Gott am Ende die Fähigkeit zu glauben. Das Licht, das er nicht annehmen wollte, wird ihm zu Finsternis. Darum sagt der Sohn Gottes: "Glaubt an das Licht, während ihr das Licht habt, damit ihr Söhne des Lichts werdet" (Johannes 12,36), und: "Wenn nun das Licht, das in dir ist, Finsternis ist, wie gross ist dann die Finsternis!" (Matthäus 6,23).
Quelle: Aus dem Buch 3 x 100 Fragen zur Bibel (Schwengeler Verlag, 2003)