Antwort
Es ist stets wichtig und gesegnet für den Bibelleser, die Briefanfänge im Neuen Testament, besonders die der paulinischen Briefe, mit einander zu vergleichen; eigenartige Verschiedenheiten finden sich da, und stets stehen die Ausdrücke zu dem ganzen Brief irgendwie in Beziehung. Es finden sich auch oft ganz einzigartige Ausdrücke, die sonst nicht wieder vorkommen. Dazu gehört beispielsweise das kostbare Wort in 1. Tim. 1,1, demzufolge Christus Jesus „unsere Hoffnung” genannt wird, und ebenfalls der obige in der Frage. Wohl nennt sich Paulus öfter „Knecht”, und das bedeutet nach dem Grundtext „Sklave”, Jesu Christi, aber nie sonst „Knecht” = „Sklave Gottes” wie hier. Und das ist sehr bemerkenswert und steht, wie oben gesagt, ebenfalls mit dem ganzen Brief in Zusammenhang. Wir werden gleich sehen, in welcher Weise.
Zunächst ein paar Worte über den Titusbrief!
Dieser kurze, im ganzen leicht verständliche Brief zeigt uns in sehr übersichtlicher Einteilung die praktische Ordnung (1,5) des Hauses Gottes, der Gemeinde, und zwar wie sich jeder einzelne zu benehmen habe, um „die gesunde Lehre” unseres Heilandgottes auszuleben (kurz gesagt); jeder einzelne habe sich so und so in seinem Christentum zu bewähren. Dazu hätten die Ältesten, die Titus anstellen sollte, durch ihre eigene Treue in ihrem Aufseherdienst (Kap. 1) mitzuhelfen, und nicht nur sie, sondern auch Titus selbst, der sich „in allem als Vorbild guter Werke darstellen” solle (2,7). Damit nun jeder das sein könne, was Gott wohlgefällig sei, z. B. auch die christlichen Knechte, d. h. die Sklaven in ihrem besonderen Stande - woraus wir alle viel lernen können -, dazu sei „die Gnade Gottes erschienen” (2,11), und die wünsche uns zu erziehen, dass wir uns als „unseres großen Gottes und Heilandes Jesu Christi Eigentumsvolk” beweisen „in dem jetzigen Zeitlauf” (2,11-14). Zu diesem Volke gehören wir alle, die wir durch Jesus Christus „losgekauft sind von aller Gesetzlosigkeit”, nicht um unter Gesetz zu kommen, sondern unter die Gnade!
Als Gottes Eigentum gehören wir Ihm sozusagen als Leibeigene, als Sklaven! Wir sind der Gesetzlosigkeit (das ist nach 1. Joh. 3,4 „die Sünde”) abgekauft, um nun Sein Eigen zu sein und Ihm zu gehorchen und zu dienen; so wie Er es wünscht, „eifrig zu sein in guten Werken”, die Er „gut” nennt, wenn der „jetzige Zeitlauf” sie auch mißachtet. Der ganze Brief (auch Kap. 3!) zeigt uns gleichsam unsere Sklavenverpflichtungen Ihm gegenüber, jedoch nicht als drückende Lasten, sondern als Frucht der erziehenden, belehrenden, unterweisenden Gnade Gottes. (Vgl. Gal. 5 „die Frucht des Geistes”, organisch werdend in uns, die wir nicht unter Gesetz sind.)
In solchem Zusammenhang nennt sich Paulus „Knecht Gottes”, „Sklave Gottes”. Er stellt sich damit auf eine Stufe mit den gläubigen Kretern, und das muss diesen sehr zu denken gegeben haben, waren doch die Kreter von Natur wenig geneigt, unterwürfig zu sein (vgl. die häufigen diesbezüglichen Erwähnungen, u. a. Kap. 1,10-13; 2,5.9.15; 3,1.10.11 u. a.). Der Apostel selbst stellte sich auf diese niedrige Stufe - mochten sie zunächst denken, denn von Statur waren sie und die meisten Menschen heute nicht gern Knechte, und erst recht nicht Sklaven! Aber wie hoch und erhaben ist doch diese nur scheinbar niedrige Stufe: „Knecht, Sklave Gottes”! Gott braucht uns als Knechte, als Sklaven, als Leibeigene, als Eigentum - welche Würde! Jeder Christ ist grundsätzlich ein seinem vorigen Gebieter, dem Satan, der Sünde abgekaufter, durch Christi Hingabe losgekaufter, bluterkaufter Sklave Gottes! Diese Würde zeigt uns Paulus in seinen Eingangsworten zu diesem ganz und gar praktischen Brief, dessen praktische Ermahnungen aber ausschließlich auf der „gesunden Lehre” beruhen. Sind wir uns dieser Würde bewußt? Bedeutet sie uns etwas? Schätzen wir sie? Sind wir gerne Gottes Knechte, ja Gottes Sklaven, an uns selbst rechtlos, nicht mehr für uns da, in nichts mehr uns dienend, sondern in allem Sein Eigentum? Ist uns dies groß, so groß, dass wir uns hierin gerne an die Seite des Paulus und seines „echten Kindes” Titus stellen „gemäß auch unseres mit ihm gemeinschaftlichen Glaubens” (1,4)? Oder wollen wir „Herren” sein, wie heute, wo der Geist der Unabhängigkeit sogar manche Gläubige beherrscht, keiner mehr Knecht sein und heißen will?! Wehe uns, wenn dieser böse Geist dieses Zeitlaufs, dieser praktische Unglaube, d. i. Ungehorsam, sich auch unserer bemächtigt - wofür das Eindringen z. B. des „Bubikopfes” auch in christliche Kreise leider ein schlimmes Anzeichen ist! lasst uns Gnade haben - „sie ist erschienen und erzieht uns!” -, in gottwohlgefälliger Unterwürfigkeit unter Sein ganzes Wort ats „Sklaven Gottes” zu wandeln, gewürdigt dieser Seiner hohen Berufung! Einst gibt's Lohn für unsere Treue nach Off. 22,3-6: „Seine Sklaven werden Ihm dienen, und sie werden Sein Angesicht sehen, und Sein Name wird an ihren Stirnen sein!” Gepriesen sei Er ewiglich!
Dass hiernach, nachdem Paulus sich als „Sklave Gottes” vorgestellt hat, was wir auch sein können, dürfen und sollen, er fortfahrt mit „aber Apostel Jesu Christi”, wird nunmehr leicht einleuchtend sein und keine weitere Erklärung nötig machen. Was wir auch mit Paulus gemeinsam haben - seine Apostelschaff ist einzigartig und uns verschlossen. Apostel gibt es nicht mehr, aber ihren Dienst haben wir in ihrem, d. h. in Gottes ihnen „eingehauchtem” Wort (2. Tim. 3,16)! Preis sei Gott: solange Seine Knechte, Seine Sklaven, ja: Sein Eigentum auf der Erde wandelt, solange dürfen sie den Dienst dessen genießen, der da einst hienieden war: „Paulus, Sklave Gottes, aber Apostel Jesu Christi”! Wie kostbar ist dieses!
F. K.