Parteisucht

Wie erkennt man die, welche aus Parteisucht etwas tun? Phil. 2,3. Wie können wir die Einheit des Geistes bewahren? Eph. 4,3.

Antwort

Es ist sicher nicht von ungefähr, sondern eine Wirkung des Heiligen Geistes. wenn in der heutigen Zeit wieder Fragen hin und her in den Kreisen der Kinder Gottes auftreten, die weniger Lehrpunkte zum Inhalt haben als die Gemeinschaft der Gläubigen untereinander. Wir leben eben in der Zeit der Geisterscheidung, und je frecher finsteres Heidentum wieder auflebt, um so heller sollten wir unser Licht leuchten lassen. Das aber lässt sich nur durch Gemeinschaft untereinander und mit dem HERRN verwirklichen. (Joh. 17,21)

In unserem Wort „Parteisucht” haben wir nun eins der großen Hindernisse für jede echte Gemeinschaft. Als zweites ist in der Stelle die „eitle Ehre” oder „falscher Ehrgeiz” genannt. Da der Apostel in diesem Kapitel die Philipper zu wahrer Gemeinschaft erziehen will, muss er auch die beiden größten Feinde derselben nennen.
Was ist nun „Parteisucht”? Das Wort im Urtext bedeutet zunächst Streitsucht. Wiese übersetzt an dieser Stelle Rechthaberei. Ich glaube, dass in diesen Worten eine Entwicklung zu sehen ist: von der Streitsucht zur Rechthaberei bis zur Parteisucht. Will man die Parteisüchtigen erkennen, so prüfe man die Geister auf diese Eigenschaften. Streitsucht ist oft etwas sehr Interessantes, zeugt von Interesse an der Schrift, an der reinen Lehre. Ist es aber nicht nur Liebe zum Wort, sondern eben eine Sucht, wird der Blick getrübt für das Wichtigste, resp. für das weniger Wichtige. Ich glaube, dass der HERR uns das besondere Licht geschenkt hat, was eben Sein Wille vor allem anderen ist, dass die Seinen Gemeinschaft miteinander haben. Lassen sie sich aber das Auge für diese Wahrheit (1. Petr. 1,22) trüben, dann ist es nicht mehr verwunderlich, wenn in ihren Streit ein Geist der Kritik, ja Unbrüderlichkeit kommt, den man Rechthaberei nennt. Auf diese Weise ist es Satan sogar gelungen, Lehren, die der HERR um der Gemeinschuft willen gegeben hat, durch die Rechthaberei der Menschen dazu zu benutzen, Geschwister voneinander zu trennen. Und wenn dann die Rechthaberei nicht nur eine zeitliche Verirrung war, die wie die Finsternis vor dem Licht verschwand, als man sich auf das neue Gebot, auf das Lebenselement der Kinder Gottes (die Liebe!) besann, dann ist die Rechthaberei zur Parteisucht entwickelt, die nicht mehr an den Bestand und Aufbau der ganzen Gemeinde des HERRN denkt, sondern eben nur noch an den Aufbau, an Ruhm und Bedeutung der eigenen Partei, der Gesinnungsgenossen, ja des eigenen „Ich”. Das ist bis heute noch immer der Ausgang jedes Lehrstreites gewesen, bei dem man die wichtigste Lehre des Neuen Testamentes in bezug auf die Gemeinde, ihre unbedingte Zusammengehörigkeit, vergaß! Schon zur Zeit der Apostel gab es sehr verschiedene Meinungen, aber mit welch heiliger Energie versucht vor allem der Apostel Paulus immer wieder, die Brücke zu schlagen. Ich erinnere an Röm. 14,1 oder an die Tatsache, dass er gerade den Korinthern, die in Parteien zu zerfallen in Gefahr waren, das Wort des HERRN vom Mahl überlieferte.

Und doch gibt es auch für den Apostel Grenzen, abgesehen von den selbstverständlichen, die uns z. B. in 2. Kor. 6,14ff. und 2. Joh. V. 7-10 genannt werden, die es ihm unmöglich machen, mit gewissen Menschen Gemeinschaft zu haben, ja, er muss über sie ein hartes Urteil fällen. Ich erinnere da an Phil. 3,2: „Hunde”, „schlechte Arbeiter” und „Zerschneidung” ist das umfassende Urteil, das diese Leute nach Art, Arbeitsmethode und Erfolg kennzeichnet.

Damit sind wir zum wichtigsten Kennzeichen streitsüchtiger, parteisüchtiger Menschen gekommen. „An ihren Früchten sollt ihr sie erkennen!” Ist die Frucht der Wirksamkeit oder gar Lehrtätigkeit eines Bruders Trennung inmitten treuer Kinder Gottes, so hat im besten Falle die Wichtigkeit irgendeiner Lehre seine Gedanken so gefangen genommen, dass er die wichtigste Lehre, die der unbedingten Zusammengehörigkeit der Gläubigen, vergessen hat. Wir wissen wohl, dass alle wahren Kinder Gottes den einen Glauben haben (Eph. 4,5), ebenso wahr ist aber auch, dass sie gerade in und durch die Gemeinschaft noch hingelangen sollen zu der Einheit des Glaubens oder der Glaubensüberzeugungen. (Eph. 4,13) Ja, die Unterschiede in den Glaubensüberzeugungen waren zur Zeit der Apostel z. T. bedeutend größer als heute. Ich er-innere nur an den Unterschied der Überzeugung der Juden- und Heidenchristen. Durch die geistliche Arbeit der Apostel wurde trotzdem eine Trennung vermieden. Und heute? Kleinigkeiten im Verhältnis zur wichtigsten Lehre der Zusammengehörigkeit genügen zum Bau dicker Mauern! Das ist niemals die Wirkung des Heiligen Geistes, der immer wahre Kinder Gottes zu einigen bemüht ist; nein, das ist ein Triumph Satans, der als „Engel des Lichtes” es verstanden hat, Streitsucht, Rechthaberei und Parteisucht mit heiligen Mäntelchen zu umhüllen, wie z. B.: „Liebe zum Wort” „Treue zur ganzen Wahrheit”, „deutlicher Ton der Posaune” usw. Man vergesse nicht, dass die Wahrheit die Zusammengehörigkeit der Gläubigen ist, die Wahrheit, der alle anderen Stücke dienen sollten.

Das Gefährliche bei dieser satanischen Beeinflussung ist, dass Satan sich nicht damit begnügt, Streit anzuzetteln, sondern sein Ziel ist, den Charakter solcher streit- und parteisüchtigen Brüder zu verderben, wie uns einige Beispiele im Neuen Testament beweisen. Ich nenne einige Stellen, in denen wir eine Steigerung wahrnehmen können: Phil. 1,17; Phil. 2,3; Jak. 3,16; 2. Kor. 12,20; Phil. 3,2; Röm. 2,8; 3. Joh. V. 9.10; 2. Tim. 2,16-18. Da besteht natürlich schließlich keine Möglichkeit der Gemeinschaft mehr um des Wohles des Ganzen willen. Da muss auch Trennung von einzelnen der Gemeinschaft aller dienen. Auch dafür einige Stellen: 2. Tim. 2,23-25.19.21; Röm. 16,17; 1. Kor. 5,2. Wie aber können wir nun die Einheit des Geistes bewahren, abgesehen von dem notwendigen Verhalten zu letztgenannten Entgleisten?

Mir scheint, dass der Text Eph. 4,1-3 geradezu eine erschöpfende Methode dazu uns an die Hand gibt. Wir haben es hier nicht mit irgendeiner moralischen Ermahnung zu einem würdigen moralischen Leben zu tun, sondern es liegt dem Apostel daran, dass die Gläubigen es lernen, der Berufung zu der einen Gemeinde, von der er geschrieben hatte, würdig zu wandeln, indem sie „die Einheit des Geistes” bewahren.
Und wie geschieht das? Wie ist das möglich?

1. In aller Demut! Sind wir uns schon einmal darüber tief innerlich klargeworden, dass nichts unsere Gemeinschaft untereinander so böse stört und schließlich zerstört wie Hochmut, Dünkel oder eitler Ehrgeiz? Umgekehrt gibt es außer der Liebe kein festeres Band als echte Demut, die den anderen höher achtet als sich selbst. (Phil. 2,3) Ist das überhaupt möglich? Nun, wenn wir uns selbst im Lichte des Wortes Gottes betrachten, werden wir immer bei uns mehr Tadelnswertes finden als beim anderen.

2. Mit Sanftmut: Diese Eigenschaft wächst ebensowenig wie Demut auf natürlichem Boden. Man kann sie nur lernen am Beispiel und in der Schule des HERRN. Aber wie notwendig ist sie, um die Ecken und Kanten, die sich nur zu leicht bei uns noch vorfinden, zu glätten und zu mildern. Statt dessen sind wir törichten Menschen oft stolz auf eine gewisse Forsche, mit der wir inmitten der Geschwister aufzutreten wagen, natürlich „im Dienste der Wahrheit” (womit man sein Wesen gern deckt). Leider wird die Gemeinschaft dadurch leicht verletzt und damit die Wahrheit. Sanftmut sucht Brücken zu schlagen, solange wie nur eben möglich.
3. Mit Langmut: Das ist eine göttliche Eigenschaft, die wir durch rechte Erkenntnis Gottes, unseres Vaters, lernen sollen. (Kol. 1,11) Ich meine, wenn wir über die Langmut Gottes, die Er der Welt gegenüber, ja auch der Gemeinde und vor allem uns selbst gegenüber offenbart, mehr nachsinnen, dann wird es uns danach nicht so schwer fallen, den „Mut”, einen anderen zu be- oder gar zu verurteilen, an sich halten zu lassen. Das ist Langmut! Aber wie voreilig sind wir da oft. Und der Erfolg? Die Gemeinschaft leidet Not!

4. Ertraget einander in Liebe! Dieser wie alle vorangehenden Ausdrücke beweisen, dass die Gemeinschaft der Gläubigen nichts Natürliches oder gar Selbstverständliches ist. Nein, um zu wahrer Geistesgemeinschaft zu gelangen, gilt es überall, in uns und im anderen, Widerstände zu überwinden, die aus der Veranlagung des alten Menschen stammen, also nur zu natürlich sind. Es gibt eben immer leicht etwas, was wir aneinander auszusetzen haben, was wir zu ertragen lernen müssen. „Sie suchen alle das Ihre” ist wohl die trefflichste Charakteristik der adamitischen Art. Unsere von Gott uns gegebene neue Art aber sucht Gemeinschaft und damit das Gemeinwohl. Nichts gibt in dieser Welt der Gemeinde eine solche Stoßkraft, solche Leuchtkraft, wie die wahre, echte Gemeinschaft der Liebe. Daraus erklären sich die ungeheuren Anstrengungen Satans, gerade die Geistes- und Liebesgemeinschaft der Heiligen zu zerstören. Für uns aber wäre es eine Unmöglichkeit, all die Widerstände zu besiegen, wenn nicht die Liebe Gottes in unsere Herzen ausgegossen wäre. (Röm. 5,5) Das ist aber ja eine göttliche Tatsache, und durch sie wird auf uns die ganze Verantwortung gelegt, eifrig bestrebt zu sein und zu bleiben, die Einheit des Geistes zu bewahren. Jene Tatsache aber gibt uns mit der Verantwortung auch die Kraft zur Verwirklichung! -
H. K. in W.

Anmerkung des Schriftleiters

Diese in sich geschlossene schöne Antwort unseres Mitarbeiters, der aus zwei ihm anvertrauten Fragen eine gemacht hat, bedarf keiner Ergänzung, wenngleich sich über den Gegenstand selber noch vieles sagen ließe. Das will ich aber nicht tun, ich möchte nur auf ältere Fragen hinweisen, in denen dies Gebiet auch gestreift wird: Jahrb. 15, Frage 3 und 21 und Jahrb. 13, Frage 3.

Wichtiger, als etwa noch viele Worte über den Gegenstand zu verlieren, scheint mir die Frage an unsere Herzen, ob wir bereit sind, nach obigen an sich einfachen Unterweisungen zu handeln. Brüder, Schwestern, wir wissen das ja alle, dass das liebe „Ich”, oder wie der Spanier sagt: „Santo Jó” - „das heilige Ich”, zumal wenn übertragen auf die „Ichs” einer Gemeinde, in der Parteisucht eingerissen ist, gar gepflegt statt bekämpft wird, das größte Hindernis in der Bewahrung dessen bietet, was der Heilige Geist gemacht und uns anvertraut hat, wie es als „Einheit des Geistes” uns gezeigt wird in den sieben Stücken von Eph. 4,4-6, welche die Segensschätze der am Pfingsttage gegründeten Körperschaft Seines Leibes, Seiner Gemeinde sind. (Vgl. die Lehre des Epheser-Briefes!) Das „liebe Ich” ist immer bestrebt, das, was Gott herrlich gemacht hat, zu zerstören, und oft, wie Antwort A so klar zeigt, unter dem Deckmantel sehr schöner Ausdrücke und bester Absichten. Wir können gar nicht argwöhnisch genug über unser „Ich” wachen! Doch müssen wir ihm nicht folgen! Wir sind „gestorbene” Leute! Wir kennen wohl alle diesen Wandspruch, der ein durchkreuztes „Ich” aufweist und darunter ein großes klares „Er”. So möge es sein - durch Glauben -, und dann wird das Bewahren der in Christo gegebenen „Einheit des Geistes” möglich sein, und wir werden darin um so mehr Fortschritte machen, als wir uns hüten vor jeglichem Betrüben des Geistes. (4,30!)
Der HERR gebe uns allen Gnade, die leichtverständlichen, aber nicht ebenso leicht zu befolgenden Anweisungen der Schrift, wie sie uns Antwort A darbietet, „im Bande des Friedens” zu verwirklichen aus Glauben und Liebe zu des HERRN Ehre!
F. K.


Beantwortet von: Team Handreichungen
Quelle: Handreichungen - Band 19 (1934)