Nur gläubige Getaufte beim biblischen Abendmahl?

Sind nach der Schrift nur gläubig Getaufte berechtigt, teilzunehmen am biblischen Abendmahl (vergl. Apgesch. 2,42; 20,7; 1. Kor. 11,23ff.), oder ist dasselbe für jedes Kind Gottes?

Antwort A

Die Frage ist von großer Bedeutung, weil bei Bejahung des ersten Teils derselben einem großen Teil der Kinder Gottes das Recht abgesprochen werden würde, am Mahl des HERRN teilzunehmen. Nach meiner Überzeugung ist es gewiß unsers Gottes Wille, dass auf den Glauben das nächste die Taufe sein sollte, aber nicht alle Kinder Gottes erkennen dieses, sondern manche bleiben im unklaren über die Frage der Taufe und manche halten entschieden an der Kindertaufe fest. Hier soll jedoch nicht die Tauffrage aufgerollt werden, sondern hier kommt es darauf an, ob Gottes Wort denjenigen Kindern Gottes, die „gläubig” - besser „biblisch” - getauft sind, das Recht gibt, den nicht biblisch getauften Kindern Gottes das Recht abzusprechen, am Mahl des HERRN teilzunehmen. Nun finde ich zwar für meine Person im Worte Gottes, dass die göttliche Reihenfolge ist: Glaube, Taufe und dann der Genuß der Vorrechte (s. Apg. 2, 41.42), und dass ich verantwortlich bin, mich hiernach zu richten, ich finde aber nicht, dass ich das Recht hätte, von einem anderen Kinde Gottes dasselbe zu fordern. Ich darf und soll meinen Bruder und meine Schwester belehren und zum Gehorsam gegen Gottes Wort ermuntern und ermahnen, damit hört aber mein Recht und meine Verantwortlichkeit in bezug auf diese Sache den anderen gegenüber auf; dann bleibt nur noch eins übrig: in Liebe zu tragen. Damit soll aber nicht etwa gesagt sein, dass ich mit jedem Menschen oder auch mit jedem Kinde Gottes Gemeinschaft haben und das Mahl des HERRN zusammen feinem kannte - o nein! Es gibt ganz bestimmte Voraussetzungen, unter denen allein ich das tun kann. Die erste ist der Glaube, ohne den ja kein Leben da ist. Darüber ist doch gewiß kein Zweifel, dass nur Gläubige, also Kinder Gottes, das Recht haben, das Brot zu essen und den Kelch zu trinken zu Seinem Gedächtnis! Das liegt ja ganz im Wesen der Sache. Die andere Voraussetzung ist die, dass bei dem Kinde Gottes nichts vorliegt, was dasselbe nach Gottes Wort von den Vorrechten ausschließt. Ich denke hierbei an 1. Kor. 5 und andere Schriftstellen, die uns hierüber klare Weisung geben. - Dies sind Voraussetzungen, auf die wir genau zu achten haben; wir haben nicht nur das Recht hierzu auf Grund des Wortes, sondern sind eben darum auch verantwortlich dafür! Wie könnte ich das Mahl des HERRN zusammen mit einem Menschen feiern, der nicht durch den Glauben mit Dem verbanden ist, zu dessen Gedächtnis das Mahl ist, oder mit einem Kinde Gottes, in bezug auf welches Gottes Wort mir gebietet, keinen Umgang mit ihm zu haben, weil Böses da ist? Wie kannte ich das, wenn ich auch nur ein wenig verstehe, was das Mahl des HERRN bedeutet? Trifft diesem aber auch auf einen Gläubigen zu, der nicht biblisch getauft ist? Sagt Gottes Wort, dass ein solcher nicht ein Kind Gottes sei oder dass ich mit einem solchen keinen Umgang haben solle? Nein! So etwas sagt Gottes Wort nirgends, weder ausdrücklich noch dem Sinne nach; dem HERRN sei Dank dafür! Wenn ein nicht biblisch getaufter Gläubiger aber doch ein Kind Gottes ist und ich mit ihm Umgang haben kann - und ich bin überzeugt, dass so mancher nicht biblisch Getaufte weit mehr würdig ist für Umgang als mancher biblisch Getaufte! - so frage ich, mit welchem biblischen Recht könnte ihm die Berechtigung zur Teilnahme am Mahl des HERRN versagt werden? Ich selbst bin biblisch getauft und freue mich, wenn Kinder Gottes zu einer dem klaren Worte Gottes entsprechenden Erkenntnis kommen und derselben im Gehorsam folgen, aber fern sei es von mir, nicht biblisch getaufte Geschwister etwa geringer achten oder ihnen ein Vorrecht bestreiten zu wollen, welches ich für mich selbst in Anspruch nehme.

Jedes Gebot unsers HERRN, Sein Wille in jeder Sache sei uns heilig und wichtig, aber lasst uns ebenso eifrig darauf achten, nicht in irgendeiner Sache weiter gehen zu wollen als Er selbst, da wir sonst das größte aller Gebote - das der Liebe - außer acht lassen und verletzen!

Also nach meiner aus dem Worte Gottes gewonnenen Überzeugung sind nicht nur „gläubig Getaufte” berechtigt, teilzunehmen am biblischen Abendmahl, sondern dasselbe ist für jedes Kind Gottes, welches nicht wegen Sünde ausdrücklich durch Gottes Wort vom Genusse der Vorrechte der Kinder Gottes ausgeschlossen ist.
Th. K.

Antwort B

In dieser Frage gehen die Meinungen treuer Kinder Gottes auseinander. Mit Trauer sehen wir, dass dieselbe zu einem Schlagbaum zwischen Kindern Gottes geworden ist. Diese Frage zeigt uns recht, wie dunkel es seit den Aposteltagen geworden ist. Großer Gnade bedarf es, um zum Worte Gottes zurückzukehren - zu lernen und zu verlernen. Lernen ist schwer, aber verlernen schwerer!

Durch die Einführung der Kindertaufe seit Jahrhunderten und der Haushalttaufe in neuerer Zeit finden wir Kinder Gottes, die aufrichtig überzeugt sind, dass Kinder überhaupt oder dass die Kinder der Gläubigen getauft sein sollen, und dass die übliche Taufhandlung der Besprengung die biblische Taufe ist. Wir finden Gläubige, die den HERRN lieben, die von Herzen suchen, Ihm wohlzugefallen, so völlig hiervon überzeugt, dass ihnen auch nicht einmal der Gedanke an die Möglichkeit eines Irrens auf ihrer Seite oder auf seiten der von ihnen geliebten Lehrer kommt.
Wenn in den Tagen der Apostel jemand gläubig wurde, war die Frage der Taufe keine Schwierigkeit, denn eine Taufhandlung war an solchen noch nicht vorgenommen, die eine Rückprüfung, ob darin der Wille des HERRN ausgeführt sei, nötig machte. Wenn heute jemand gläubig wird, muss er, ehe er biblisch getauft werden kann, erst aus dem Worte gelernt haben, dass die an ihm schon geschehene Handlung nicht die Verordnung des HERRN ist. Diese Frage kann niemand für den anderen beantworten. Der eine kann nicht in dem Lichte des anderen getauft werden. Es liegt auch nicht in der Entscheidung der Gemeinde. Die Taufe ist persönlich, sie ist mit dem Glauben und dem Evangelistendienst verbunden (Mk. 16,15.16).

In den Tagen der Apostel war eben solche Frage nicht nötig (und dies kennzeichnet das „Damals”- gegen das „Heute”). Der HERR hat Glauben und Taufe (nicht Taufe und Abendmahl) zusammengebunden. „Wer da glaubt und getauft wird, wird errettet werden” (Mk. 16,16). Was Gott zusammengefügt, soll der Mensch nicht scheiden! Die Apostel handelten demgemäß (Apg. 2,41; 8,36; 16,14.15.33; 18,8). Das erste, was nach dem Gläubiggewordensein geschah, war die Taufe. Die Schrift gibt ihr den Platz am Anfang des Christenlebens. Die Gläubigen wurden, nachdem sie gläubig geworden, sofort getauft (kein Gemeindebeschluß oder dergl. fand darüber statt!), und „sie verharrten ... im Brechen des Brotes”. Hieraus haben Brüder gefolgert, dass diese Reihenfolge ohne Rücksicht auf die Verwirrung innegehalten werden müsse und es zum Lehrgrundsatz gemacht, dass nur solche, die getauft worden seien, nachdem sie gläubig wurden, am Mahl des HERRN teilnehmen dürften.
Während das, was die Schrift feststellt, voll und ganz behauptet werden muß, dürfen wir doch nicht über die Schrift hinausgehen und die Feier des Mahles des Herrn vom Gläubiggetauftsein abhängig machen - ein Abhängigkeitsverhältnis schaffen, ein Dogma aufstellen, das die Schrift nicht kennt. In den ersten Tagen der Apostel, wo die Frage einer vorausgegangenen Taufhandlung nicht zu erledigen war, mögen wir die Reihenfolge feststellen können, daraus aber einen Lehrgrundsatz zu machen, dass es so sein muß, ist eine ganz andere Sache. Nirgends in der Schrift, soweit ich die Schrift verstehe, finden wir solches als Lehre. Taufe und Abendmahl, obgleich der Grundton in beiden der Tod Christi ist, berühren nicht gleiche, sondern verschiedene Linien. Taufe ist einmalig, sich nie wiederholend, Abendmahl oftmals, sich immer wiederholend. Taufe ist mit dem Glauben verbunden. Das Mahl des HERRN wird uns in der Schrift in Verbindung mit dem Leibe Christi gezeigt: Ein Brot, ein Leib sind wir (1.Kor. 10,17). Der Leib Christi wird nicht durch die Wassertaufe gebildet, sondern in einem Geiste sind wir alle zu einem Leibe getauft worden (1. Kor. 12,12). In der Taufe kommt unser Gestorben- und Begrabensein mit Christo zum Ausdruck, aber im Mahl des HERRN die Einheit der Glieder. Nicht Erkenntniseinheit, sondern Lebenseinheit - nicht ein Einsmachen, sondern ein Einssein, und zwar auf dem Grunde der von Gott gemachten Einheit.

Niemand wird leugnen, dass Gläubige, denen es durch die Verwirrung an Licht fehlt über die Taufe, doch Glieder am Leibe Christi sind. Der HERR hat sie aufgenommen, können wir sie nicht aufnehmen? (Röm. 15,7.) Können wir unseren Brüdern Licht geben? Wir können die Wahrheit festhalten (und möchte es stets in der Liebe geschehen!), aber das Licht, das Verständnis können wir nicht geben. Selbst Paulus konnte Timotheus nur belehren und ermahnen, zu bedenken, was er sage, aber er musste es dem HERRN überlassen, das Verständnis zu geben (2 Tim. 2,7). Wenn der HERR bei der Feier Seines Mahles plötzlich sichtbar in unserer Mitte würde und sähe unsere Brüder zurückgesetzt, würde Er nicht fragen: Sind sie nicht Glieder Meines Leibes? Wandeln sie in der Sünde? Wollen wir da sagen: Sie haben noch kein Verständnis für die Taufe, oder sie gehören nicht zu uns? Würde der HERR nicht Brot und Kelch nehmen und sagen. Trinket alle daraus!? Die Er selbst mit Sich durch Seinen Geist verband, wird Er sie zurücksetzen?

Die Schrift zeigt deutlich, dass Ungläubige, Irrlehrer und in Sünde lebende Brüder nicht zum Mahl des HERRN geladen sind, aber wir haben, soweit ich sehe, kein Wort der Schrift, welches jenem obigen Lehrdogma zugrunde gelegt werden kann. Ein Kind Gottes, das die Beweise des Lebens aus Gott und mit Gott trägt, zurückzuhalten, das zu tun, von dem der HERR sagt: „Tut dies zu Meinem Gedächtnis”, ist eine sehr ernste Sache. Wir sind leicht bei der Hand, Brüder, die nicht gleiche Erkenntnis mit uns haben, als Ungehorsame und Eigenwillige zu verurteilen, die nicht sehen wollen. Möchte der HERR die Lippen der Seinigen bewahren vor dem Beurteilen der Gedanken und Gesinnungen des Herzens. Es ist nichts anderes als ein sich-Setzen-an-Gottes-Stelle, ein Fallen in das Netz Satans: „Ihr werdet sein wie Gott” (1.Mose 3,5). Gott hat Sich allein vorbehalten, Beurteiler der Gedanken zu sein (Hebr. 4,12; 1. Kor. 4,5). Der Antichrist wird diesen Platz einst einnehmen (2. Thess. 2,4), aber der Geist des Antichristen ist heute schon wirksam. - Es mag sein, dass es Ungehorsam und Eigenwille, nicht etwa nur Mangel an Licht ist, der HERR wird es dann an der Frucht offenbar machen, aber bis dahin geziemt es uns, mit solchem Urteil und dem Zurückweisen zu warten!

Noch einmal, die Schrift gibt uns, soweit ich verstehe als selbst noch in der Schule, keinen Anhalt, Gläubiggetauftsein und Abendmahl zusammenzubinden und zu einem Lehrgrundsatz zu machen. Wenn dies die entscheidende Frage wäre, würden wir nicht etwas von einer solchen Lehre in der Schrift finden? Als Barnabas Saulus einführt, wird nicht seine Taufe erwähnt, sondern seine Begegnung mit dem HERRN und sein Bekenntnis (Apg. 9,26-28). lasst uns die ganze Wahrheit lehren, aber kein Gewissen zwingen oder belasten, an diesem Tage der Verwirrung etwas zu tun, wofür es noch nicht Licht oder Glauben hat (Röm. 14,23), um damit die Gemeinschaft am Mahl des HERRN zu erkaufen.
v. d. K.

Anmerkung des Herausgebers

Es ist eine ernste, verantwortungsvolle Sache, die vorliegende Frage entgegen der Erkenntnis vieler teurer Geschwister beantworten zu müssen, zumal dann, wenn man mit solchen Geschwistern darin ganz einig ist, dass die Schrift die einzige Richtschnur für unser gesamtes Leben in Lehre und Praxis ist. Aber auch uns scheint aus der Schrift nicht jener Grundsatz, dass nur Gläubiggetaufte Zutritt zum Mahl des HERRN haben, hervorzugehen, obwohl auch wir nach unserer Erkenntnis die Gläubigentaufe als die biblische Taufe auch für die Jetztzeit ansehen. Doch ist bei allen Fragen der Schrift, die uns als Kinder Gottes angehen, zu bedenken, dass der einzelne sich nicht zum Gewissen eines anderen machen darf, vorzüglich nicht in einer Zeit so grenzenloser Verwirrung wie heute. Auf unsere Frage bezogen, würden nun manche sagen, dass wir dann eine Weitherzigkeit zeigten, die die Schrift nicht anerkenne. Keineswegs! Denn wo in der Schrift haben wir über diese Frage ein klares Wort? Wir haben eine Unmasse von Worten, die uns sagen, wer ein von Gott anerkanntes Kind Gottes ist (vergl. z. B. Joh. 1,12.13 und Röm. 8,9.14-16), aber wir haben, soweit ich erkennen kann, kein Wort, das den Grundsatz vertritt: Erst die Gläubigentaufe und dann Teilnahme am Mahl des HERRN! Jener Grundsatz beruht auf der Geschichte der ersten Kirche. Damals konnte eine Frage herüber gar nicht sein! Aber Grundsätze, die aus der Geschichte der Gemeinde gewonnen werden, sind noch nicht den klaren Schriftworten gleichzusetzen. Und so sehr jene zu beachten und zu erstreben sein mögen - diese (die Schriftworte) sind das Bleibende, Unvergängliche. Und wir haben doch wohl kein Recht, nur die als zum Leibe Christi gehörig zu betrachten, die gläubig getauft sind. Soviele, die jenen geschichtlich göttlich-beglaubigten Grundsatz vertreten, erkennen solche, die wirklich gläubig sind an den Namen des Sohnes Gottes, obwohl aus mangelnder Erkenntnis noch nicht gläubig getauft, als wiedergeboren, als Kinder Gottes an, sie geben ihnen den Brudernamen, sie rufen mit ihnen den Vater an im Namen Jesu, sie erkennen sie als Glieder am Leibe Christi an nach 1.Kor. 12,12, sie verleugnen z. B. in der Teilnahme am Evangelium nicht die Gemeinschaft mit ihnen - nur beim Mahle des HERRN glauben sie, ihnen die Gemeinschaft verweigern zu sollen, d. h. sie können auf alle mögliche Weise mit ungetauften Gläubigen Gemeinschaft machen, aber mit ihnen gemeinsam „den Tod des HERRN verkünden” (1.Kor. 11,26), das erlaubt ihnen jener geschichtliche Grundsatz nicht!Wir richten sie nicht, wie könnten wir das tun? Aber wir trauern darüber, dass jener Grundsatz es Tausenden von wahren Gläubigen unmöglich macht, der Einheit des ungebrochenen Leibes Ausdruck zu geben.Wenn der Leib Christi aus allen denen besteht, die in Wahrheit Sein eigen sind, so ist unserer Erkenntnis nach nur dann das Brotbrechen nach der Schrift, wenn die Teilnehmer daran dem Grundsatz Ausdruck geben, dass „die Vielen des einen Brotes teilhaftig sind”; wenn nun aber „die Vielen” nur Gläubiggetaufte sind, wozu gehören dann die, die z. B. die Erkenntnis von der Richtigkeit der Gläubigentaufe bisher nicht einmal haben konnten? Wenn aber solche Bekehrten, die ihrem besten Wissen und Gewissen nach sich noch nicht gläubig taufen ließen, zu „den Vielen”, zu dem „Leibe des Christus” gehören, wer darf ihnen dann die Teilnahme an der Verkündigung des Todes des HERRN verweigern? - „Nehmet einander auf, gleichwie auch der Christus euch aufgenommen hat zu Gottes Herrlichkeit!” (Röm. 15,7.) Möchten wir dieses als Grundsatz der Schrift anerkennen und uns einander tragen lernen!


Beantwortet von: Team Handreichungen
Quelle: Handreichungen - Band 2 (1914)