Antwort
Es ist ohne allen Zweifel klar, dass Matthias an Stelle Judas von Gott bestimmt wurde. Man hat wohl das Los beanstandet. Doch dürfen wir nicht vergessen, dass es selbst von Gott verordnet war und von Gott anerkannt wurde (vgl. 3. Mose 16,8; 4. Mose 26,55.56; 34,13; Jos. 7,14-18; 1. Sam. 10,20.21; 14,41.42). Bezeichnend ist es, die Wahrnehmung zu machen, dass weder während Mose lebte, das Los in bezug auf eine Person geworfen wurde, noch während der HERR auf Erden war; obwohl über Sein Gewand gelost wurde (Mt. 27,35). Dies zeigt uns wieder einmal die Bedeutung von 5. Mose 18,15 und Apg. 3,22. Von keinem Manne Gottes im Alten Testament ist so ein Ausspruch gemacht worden, noch wird die Autoritäts stellung des HERRN von einem anderen Propheten so vorgeschattet, wie von Mose. Aus diesem allen ist aber nicht der Schluß zu ziehen, dass sich die Apostel geirrt hätten, indem sie Matthias durch das Los erwählten, sondern genau das Gegenteil. Sie bewiesen ihre Abhängigkeit von Gott, als der HERR die Erde bereits verlassen hatte und der Heilige Geist noch nicht ausgegossen war. Wir hören nie mehr etwas von einem Los, welches in göttlichen Dingen entscheiden durfte, nachdem der Heilige Geist gesandt war. Sie hatten die Schrift und das Los, wir haben jetzt, wie auch sie nach Pfingsten, die Schrift und den Heiligen Geist. Warum im Alten Testament durchs Los in vielen Fällen entschieden werden musste und es ihnen nicht einfach vom HERRN offenbart wurde, auch der HERR vor Seiner Himmelfahrt nicht einfach den Jünger, welcher an Stelle Judas Apostel sein sollte, bestimmte, ist eine biblische Untersuchung, die wir in dieser Antwort nicht machen können, obwohl auch sie uns wichtig erscheint. Man hat auch die Einwendung gemacht, dass Matthias, weil er nach der Zeit von Apg. 1 nie wieder mit Namen genannt wird, nicht der von Gott bestimmte Apostel sein könnte, sondern vielmehr der Apostel Paulus es sein müsse. Wir erwidern darauf, dass einige von dem HERRN Selbst erwählte Apostel auch nie mehr mit Namen genannt werden. Doch finden wir die Zahl zwölf immer wieder erwähnt (Apg. 2,14; 6,2). So klar ist die Schrift, dass die Zwölf als Zahl selbst von Apostel Paulus 1. Kor. 15,5 genannt wird für eine Zeit, in der er selbst als Apostel noch nicht berufen war.
Unsere Beweise sind aber damit noch nicht erschöpft, um die Richtigkeit der Wahl in Apg. 1,23-26 zu begründen. Das Merkwürdigste von allem ist, dass während des Dienstes des Apostels Paulus die Zahl „zwölf Apostel” überhaupt nicht in der Schrift erscheint. Also nur vor seiner Berufung und nach seinem Abscheiden, in Off. 21,14, mit Ausnahme der Stelle, die er selbst bringt in 1. Kor. 15,5, die sich aber geschichtlich auf eine Zeit vor seiner Berufung bezieht. Wer bestätigt in ganz besonderer Weise die Wahl des Matthias zum zwölften Apostel? Der Apostel Paulus, welcher nicht dazu gehört, den man aber gern dazu zählen möchte!! Nun muss die Frage behandelt werden, warum der Apostel Paulus nicht zu den Zwölfen gerechnet werden kann und darum auch nicht in der fraglichen Stelle Off. 21,14 in Betracht kommt.
Obwohl, wie es uns scheint, wir nicht buchstäblich an die Namen der zwölf Apostel, die mit dem HERRN in Seinem Erdenleben genannt werden, gebunden sind, da die ZwöIfzahl, die Zahl der Herrschaft, für uns das Wichtigste ist, müssen wir doch die Dienste und Aufgaben der Apostel unterscheiden. Das ist nach unserer Erkenntnis der Schlüssel zur Lösung dieser Frage. Man hat oft gesagt, dass darum, weil der Apostel Paulus nie den HERRN als Lamm bezeichnet, er in keiner Weise mit der himmlischen Stadt in der Offenbarung in Beziehung gebracht werden dürfte. Diese Behauptung ist schon dadurch hinfällig, dass nur einzig und allein der Apostel Paulus von allen Briefschreibern - von den Evangelien abgesehen - das Passah nennt: 1. Kor. 5,7 und Hebr. 11,28 (Verf. hält den Hebräerbrief unbedingt für paulinisch; die Schrift sagt nichts darüber, aber man darf es wohl annehmen! F. K.); und das Lamm war unstreitig das Wichtigste bei der Passahfeier; oder wer wollte das Gegenteil behaupten? Wir können uns nicht zu der einseitigen Lehrauffassung bekennen, die zu beweisen sucht, dass Christus als Lamm nur in Verbindung mit Israel zu betrachten sei. Diese lieben Brüder möchten wir vielmehr fragen, wie es kommt, dass Lukas, der einzige heidnische Schreiber in der Bibel, den Herrn Jesus ausdrücklich als Lamm für einen Heiden durch den Mund eines Hellenisten, wie Philippus sicherlich war, bezeichnet. (Apg. 8,26-35.) Wir sind uns selbstverständlich klar darüber, daß, wenn uns Christus als Lamm vorgestellt wird, mehr das Walten und die Wege Gottes mit der Schöpfung, wo wiederum Israel, das irdische Gottesvolk, einen besonderen Platz einnimmt, in Frage sind. Dies ist vielleicht auch der Grund, warum Er nur in Joh. 1; Apg. 8; 1. Petr. 1 ausdrücklich als Lamm bezeichnet wird, wo es sich offensichtlich um die Wege Gottes mit Seinem irdischen Volk, zugleich aber auch um den göttlichen, geistlichen Überrest Seines Volkes handelt. In der Offenbarung, wo Er ausdrücklich 28mal als „Lämmlein” - im Urtext ein anderes Wort als in den vier anderen Stellen - genannt wird, handelt es sich doch nicht nur um Israel, sondern um die ganze Schöpfung und auch die Gemeinde Gottes, die alle nur auf Grund des Blutes des Lammes erlöst werden konnten. Der große Fehler ist, wenn gewisse Ausleger alles gleichmachen, wodurch sie die verschiedenen Herrlichkeiten, die Segensbestimmungen der verschiedenen Berufungen und Kreise der Heiligen verwischen und dadurch die mannigfaltigen Herrlichkeiten Gottes in Seinen Erlösten nicht unterscheiden.
Die Gemeinde ist die Krone der erlösten Schöpfung und aller Heiligen. Höhere, tiefere, breitere und allumfassendere Segnungen, wie die Gemeinde kennzeichnen, gibt es nicht. Die Gemeinde hat Teil an allen geistlichen (nicht allen irdischen, materiellen) Segnungen aller Zeitalter, aller Heiligen, aber nicht umgekehrt. Obwohl alle Heiligen vieles gemein haben mit der Gemeinde, wie Erlösung durch Blut, Macht, Vergebung und Frieden, Auferstehung und Herrlichkeitsleib, nehmen sie niemals teil an dem, was die Gemeinde auszeichnet als den Leib, die Fülle Dessen, der alles in allem erfüllt (Eph. 1,23). Wie Gott nicht außer Christo, so kann Christus nicht außer der Gemeinde geschaut, erkannt und vernommen werden. Dies sind so wunderbare Dinge, dass wir viel mehr Raum haben müßten, um sie nur in ihren einfachsten Grundzügen zu beschreiben.
Apostel Paulus zeigt uns mehr, was die Gemeinde für Gott und für Christus ist, ähnlich dem, was ein Weib für den Mann ist; so als Leib für Christus.
Apostel Johannes zeigt uns die andere Seite, nämlich was die Gemeinde als Segensstätte für die Welt ist, darum als Stadt aus dem Himmel - Paulus als Gefäß für den Himmel. Sämtliche Schriften des Apostels Paulus tragen unverkennbar in hervorragender Weise diesen Charakter, wie die Schriften des Apostels Johannes den anderen Charakter tragen.
Man hat die zwei Seiten derselben Sache in der Gemeinde zu trennen versucht und, anstatt die wunderbare Harmonie dieser zwei Seiten zu sehen, hat man die Gemeinde aus der Offenbarung verbannt. Wenn auch der Name des Apostels Paulus nicht mit den Grundlagen der Mauer der himmlischen Stadt besonders genannt wird, weil sein Werk der inneren Herrlichkeit der Gemeinde angehört, ist doch sein und unser aller Name ewig mit jener Stadt verbunden, die das Gefäß der Herrlichkeit Gottes ist. Ihm sei Anbetung!
K. O. St.