Antwort A
Dass die beiden Stellen so verschieden sind, hat seinen Grund darin, dass der Dienst des HERRN zuerst Seinem Volke Israel galt und erst später, nach Seinem Tode, das Evangelium durch die Jünger auch den Nationen verkündigt wurde.
Der HERR kam zunächst für Israel. Er Selbst sagte zu dem kananäischen Weibe: „Ich bin nicht gesandt, als nur zu den verlorenen Schafen des Hauses Israel” (Mt. 15,24). Auch im Ev. Joh. 1,11 bezeugt das Wort: „Er kam in das Seinige (Israel), und die Seinigen nahmen Ihn nicht an.” Der HERR kam, um das verheißene Reich aufzurichten. Er heilte deshalb auch alle Gebrechen und trieb die Dämonen aus und verkündigte Selbst das Evangelium von dem kommenden Reiche (Mt. 4,17). Gleicherweise sandte Er auch Seine Jünger aus, um „Israel” das Evangelium des „Reiches” zu verkündigen (Mt. 10,5-8).
Erst nachdem der HERR verworfen war, sandte Er Seine Jünger aus, um das Evangelium allen Völkern zu verkündigen. Doch ist es nicht mehr das Evangelium von dem kommenden Reiche, sondern von der Gnade Gottes durch den Glauben an den Herrn Jesum Christum. Dieses Evangelium wird verkündigt werden bis zu der Stunde, da der HERR die Seinigen entrücken wird. Wenn dann Israel bereit sein wird, den HERRN aufzunehmen, dann wird der HERR das Reich in Israel aufrichten.
So ist nun durch die Verwerfung des HERRN von seiten des Volkes Israel auch uns, den Nationen, das Heil nahe gekommen.
Wohl wissen wir, dass der HERR sterben mußte, um die Erlösung zu vollbringen. Er Selbst bezeugt es oft in den Evangelien. Sein Blut musste fließen zur Vergebung der Sünden für viele. - Gottes Plan ist wunderbar. - Christus kam nach den Verheißungen für Israel. Israel verwarf Ihn. Gott ließ es zu, dass Er ans Kreuz gebracht wurde und starb. Gott aber, nach Seiner wunderbaren Weisheit und unausdenkbaren Gnade, benutzte dieses alles, um das Erlösungswerk zu vollbringen, das Er schon von Ewigkeit her beschlossen hatte. Das Böse, das der Mensch Seinem geliebten Sohne zufügte, das benutzte Gott zum Guten für den sündigen Menschen. O welche Gnade, welches Erbarmen, welche Herrlichkeit strahlt doch vom Kreuze aus! Gott ist groß und herrlich in der sichtbaren Schöpfung, aber in der Erlösung offenbart Er weit größere Herrlichkeit.
Möchte unser Leben ein Lobpreis Seines herrlichen Namens sein!
O. D.
Antwort B
In Mt. 10,5 gab der HERR Seinen Jüngern Befehl, nur zu den verlorenen Schafen des Hauses Israel zu gehen und diesen zu predigen, dass das Reich der Himmel nahe gekommen sei. Denn um dieses Reich in ihrer Mitte aufzurichten, war der HERR gekommen. Wir wissen, dass Gott Seine Gnadenabsichten mit Israel zu des HERRN Zeiten nicht verwirklichen konnte, weil das Volk in seiner Gesamtheit seinen Messias verwarf, der es wiederherstellen wollte, damit von Ihm aus das Heil zu allen Nationen gelangen konnte. Dies ist jetzt noch zukünftig, und von diesem Zeitpunkte redet Mt. 28,19. Hier ist Jesus vom Überrest anerkannt, und Er sendet diejenigen, die Ihm huldigen, zu allen Nationen, damit auch diese teilhätten an all den Segnungen des Reiches, das in jenen Tagen in ihrer Mitte aufgerichtet sein wird.
M. St.
Antwort C
Dem Volke Israel gehört Jehova, gehören die Verheißungen des Alten Bundes - gehört der Messias (Mt. 15,24.26)! Israel wird das Reich einnehmen (Dan. 7,14.27 u. v. a.) nach Gottes Willen! Der Herr Jesus war gekommen, um das Wort einzulösen. Welch eine Liebe zeigt sich nun in Seinem langmütigen Handeln mit Seinem untreuen Bundesvolke, auch in obiger Schriftstelle (Mt. 10,5)! Wiewohl Er Seine Verwerfung durch das Volk vorhergesehen hatte, handelt Er in Treue und Hingabe segnend mit ihm! Mt. 4,23 zeigt uns, wie Er Seinem Volke entgegenkam - aber sie ratschlagten, wie sie Ihn umbrächten (Mt. 12,14). Erst als Er in ihren Herzen die Tat der Verwerfung Seiner Person sah, deutet Er in Mt. 12 auch ihre Verwerfung von Gottes Seite an und lässt Seine Vertrauten (Mt. 13,11.12) etwas ahnen von dem nahenden Anbruche einer anderen Haushaltung. In Mt. 10,5 steht Er in göttlicher Treue mitten unter Seinem untreuen Volke, um zu segnen, was sich segnen lässt (Mt. 10,8.13). Johannis Jünger sahen nach Mt. 11,4ff. die anbrechenden Segnungen des messianischen Friedensreiches. Der HERR handelt in Mt. 10,5 somit in anbetungswürdiger Treue und Liebe mit Seinem Volke. Aber wegen seines Ungehorsams musste sich Hos. 2,23 nach Röm. 9,25 an dem Volke erfüllen! Nach Seiner Auferstehung gibt Er Seinen Boten dann wegen Israels Ungehorsam den umfassenden Befehl (Mt. 28,19). Und noch vor Seiner Himmelfahrt hat der Gerechte und Getreue eine Erläuterung zu diesem Befehl zu erteilen: Apg. 1,8, „anfangend in Jerusalem” sollten sie das Evangelium verkünden! Und der Heilige Geist setzt dieses begonnene Werk fort (Apg. 2,41)! Erst als dem Heidenapostel nach Eph. 3 das Geheimnis der Gemeinde offenbart wurde, ging Mt. 28,19 nach der göttlichen Ordnung in Apg. 1,8 „... und bis an das Ende der Erde” in Erfüllung. Die beiden Stellen der Frage zeigen somit einen herrlichen Fortgang im göttlichen Heilsplane.
F. A. W. D.
Antwort D
Nach Mt. 15,24 war der HERR nur zunächst zu den verlorenen Schafen von dem Hause Israel gesandt, weil das Volk einen Vorzug in betreff des Evangeliums hatte (Joh. 4,22). Daher sollten Seine Jünger zunächst in nur jüdischen Ortschaften die Botschaft vom Reiche Gottes verkündigen und außerjüdische Ansiedlungen meiden. - Israel aber verwarf seinen HERRN und wollte Ihn umbringen (Mt. 12,14). Bevor dies geschah, weissagte der HERR in Mt. 8,12: „... die Kinder des Reiches werden hinausgeworfen werden” und in Mt. 21,43: „... das Reich Gottes wird von euch genommen und einem Volke (den Heiden) gegeben werden, das dessen Früchte bringt.”
Nachdem der HERR nun das Erlösungswerk auf Golgatha vollbracht hatte und die Kluft zwischen Juden und Heiden (Eph. 2,14) beseitigt war, sollte aller Kreatur die frohe Botschaft von der Gnade Gottes gepredigt werden. In Mt. 28,19 haben wir darum den umfassenden Missionsauftrag des HERRN: „Gehet hin und machet zu Jüngern alle Völker ...” - Erzählen auch wir von der Gnade Gottes, sobald sich die Gelegenheit bietet?
C. L.
Antwort E
Der Herr Jesus war in erster Linie gesandt zu den Schafen Israels. Er predigte das Evangelium „vom Reich”. Die Gemeindepredigt - vom Leibe des Christus - war dem Apostel Paulus vorbehalten und diesem als ein Geheimnis offenbart. Daher kann im Gesichtsfelde des Herrn Jesu bei Seiner Predigt nie die Gemeinde (als solche) gelegen haben. Seine Reden in der Auslegung auf die Gemeinde zu beziehen hieße die Schrift mit sich selbst in Widerspruch bringen. Selbstredend dürfen wir in der Nutzanwendung alles gebrauchen. Auch die Zwölfe predigten kein anderes als das Evangelium vom Reich. Es sei daran erinnert, wie Paulus im Galaterbrief Kap. 2 sich sehr dagegen verwahrt, als ob er das Evangelium von Menschen habe oder sich mit Fleisch und Blut besprochen oder nach Jerusalem hinaufgezogen wäre, dort „sein Evangelium” zu empfangen. Er legte nach langen Jahren den Zwölfen „das Evangelium, das er unter den Heiden verkündigt hatte”, vor, und der weitere Inhalt dieses 2. Kapitels zeigt deutlich, dass beide Teile - Paulus und die Zwölfe - sich des Unterschiedes der von ihnen gepredigten Evangeliumsverkündigungen wohl bewußt sind, wiewohl der Mittelpunkt bei beiden derselbe herrliche HERR und Meister ist. Ihr Übereinkommen V. 7-9 sagt es uns. Wenn wir diesen Worten keine weitere Bedeutung geben als nur die, dass Petrus das Evangelium vor die Juden und Paulus dasselbe vor die Heiden zu bringen hatte, dann müssen wir den Paulus des Ungehorsams zeihen. War es nicht seine Regel, zuerst in die Synagogen zu den Juden zu gehen, und wenn diese ihn ablehnten, dann erst zu den Heiden? Der Unterschied, der in den vorgenannten Versen ausgedrückt wird, muss sich vielmehr auf den Inhalt ihres Evangeliums statt auf die Personen beziehen. (Vergl. Jahrb. I, Frg. 13!)
In Mt. 10,5 nun finden wir, dass der HERR Seiner Sendung und dem Evangelium, das die Propheten geweissagt, treu bleibt. Israel sollte den Vorrang haben, und erst wenn Israel angenommen - als Nation -, dann sollte von Israel - Zion - ausgehen das Wort Jehovas (Jes. 2,3). Die heutige Zwischenzeit der Gemeinde lag nirgendwo im Gesichtskreise eines alttestamentlichen Gottesmannes. Sie wurde nach Christi Tod eingeschoben und Paulus mit der Verkündigung betraut.
Im Blick auf die nationale Sammlung Israels befiehlt der Meister den Jüngern, dass sie nicht zu den Heiden gehen sollten. Ja, Er sagt ihnen V. 23, dass sie mit den Städten Israels nicht einmal fertig würden, bis des Menschen Sohn (d. h. zum Gericht [Joh. 5,27]) käme. Und wahrlich, die Jünger sind mit der Predigt des Reichs unter Israel damals nicht fertig geworden.
Wenn später (Mt. 28,19) der HERR Seinen Jüngern den Auftrag gibt, in alle Welt zu gehen, so steht dieses Wort nie und nimmer im Widerspruch mit dem ersten; es ist nur die natürliche Fortsetzung. Das erste Wort war geredet von dem Messias im Fleisch, der Israel sammeln wollte. Das letzte von dem Auferstandenen. Hier schaut Er Sich angetan mit aller Gewalt im Himmel und auf Erden (V. 18). Von Ihm als solchem bekommen die Jünger den Auftrag, in alle Welt zu gehen. Das hat aber zu Seiner Voraussetzung, dass Israel zu Ihm gesammelt ist und in Seinem Reich von Ihm regiert wird. Als Reichsvolk soll es dann in alle Welt gehen, Mission zu treiben. Die Gemeinde hier hineinlesen wollen hieße, dem Worte Gewalt antun. Auch würde der Auftrag des Meisters von uns dann nicht ganz erfüllt. Abgesehen vom Taufbefehl, den wir in der Schrift nur an dieser Stelle finden, geht unsere Predigt nie dahin, bei Evangelisationsreden die Seelen beobachten zu lehren, was Er geboten (Mt. 5,34.39.42; 6,14.17 usw.). Dieser Befehl ist demnach einer späteren Zeit vorbehalten - im Tausendjährigen Reiche. Dabei ist für uns der Missionsbefehl keineswegs hinfällig, wenn wir ihn auch nicht aus dieser Stelle herauslesen dürfen (Röm. 1,14.15; 10,14-17; 15,16; 16,26; 1. Tim. 1,15 usw.).
P. D.
Antwort F
In Mt. 10,5 handelt es sich um einen besonderen Auftrag des Herrn Jesu an die Zwölfe, der augenscheinlich nur vorübergehende Geltung hatte und damals auch seine Erledigung fand. Die Zwölfe sollten die Botschaft von dem nahegekommenen Himmelreich nach Mt. 10,5-7 nur den verlorenen Schafen aus dem Hause Israel predigen, die Apostel sollten wie Herolde die Ankunft des Messias verkündigen, der in der Person Jesu gekommen war. Diese Botschaft von dem Nahen des Königs war nur etwas für das Volk der Wahl, für Israel (Mt. 15,24). Gewiß dachte Er auch damals schon an solche, die aus den Nationen gläubig würden nach Joh. 10,16. In erster Linie war Er aber gekommen für Israel, als der König, als Messias. Nun erklärte sich dieses Volk aber gegen Ihn, zuerst in seinen Führern, den Schriftgelehrten, Pharisäern und Sadduzäern. Durch ihr Betreiben wurde auch das Volk zum Feinde Jesu, und eines Tages, als die Zeit erfüllet war, forderte es Seinen Kreuzestod. Damit geschah die bewußte Ablehnung des Messias durch das Volk Israel: Jesus starb und wurde begraben. Am dritten Tage jedoch stand Er auf von den Toten und ward dadurch erwiesen als Sohn Gottes (Röm. 1,4). Durch die Ablehnung des Messias ging das Reich Gottes jetzt einen Weg, der bisher keinem schriftgläubigen Juden als richtig und gottgewollt bekannt war, ja, kein Prophet hatte davon je geredet (Eph. 3,5): das Geheimnis von dem Leibe Christi setzte jetzt ein. Nach der Auferstehung Christi lautet deshalb der Befeht Christi nicht mehr: nur an Israel gebt eure Botschaft weiter, sondern: Gehet hin in alle Welt, predigt das Evangelium aller Kreatur, allen Völkern (Mt. 28,19; Mk. 16,15)! Dass also in Mt. 10,5 der Auftrag Jesu lautet: nur den verlorenen Schafen aus dem Hause Israel, während in Mt. 28,19 der Auftrag für die Jünger an alle Völker, an die ganze Welt lautet, hängt mit der damaligen Verwerfung des Messias zusammen. Wohl versuchten die Apostel und vor allem Paulus in erster Linie immer wieder, den Juden das Evangelium nahe zu bringen, wie die Apostelgeschichte am klarsten zeigt, aber immer wieder lehnte das Volk als Ganzes den Messias ab. Jetzt darf das Evangelium allen Völkern, mit Einschluß Israels, gepredigt werden, damit Seine Gemeinde, Sein Leib gebaut wird.
A. C.
Anmerkung vom Schriftleiter des Fragenteils
Zunächst verweise ich besonders auf Frg. 11, Jahrb. II; Frg. 6 und 21, Jahrb. III; Frg. 16, Jahrb. VI!
Vorstehende sich gerade wegen gewisser teils nicht geringer Gegensätze ganz gut ergänzende Antworten zeigen uns einerseits, wie unsagbar wichtig es ist, „das Wort Gottes richtig zu teilen” (2. Tim. 2,15), indem man die verschiedenen göttlichen Haushaltungen auseinanderhält, andererseits aber auch, dass wir Nutzanwendungen und Beziehungen zwischen den Zeitperioden und diesbezüglichen Schriftabschnitten für uns finden dürfen und sollen. Sicher zeichnet uns das Matthäus-Evangelium, in dem der Herr Jesus als der Messias-König Seines verheißenen Reiches vor uns steht, Seine Beziehungen zum Volke Israel, aber wenn man den Charakter, in dem das Matthäus-Evangelium den HERRN zeigt, dazu benutzen will, den Missionsbefehl auf Israel zu beschränken, so geht das zu weit. Was wußten die Apostel, als sie diese Worte hörten, von Israels zukünftiger Mission nach der Aufnahme der Gemeinde? Gott handelte ja damals noch nur mit Israel! Und als dann später Matthäus diese Worte durch den Heiligen Geist niederlegen musste (wenige Jahre vor dem Tode des Paulus!), da hatte Gott Israel längst beiseite gesetzt und Seine Gemeinde gebildet, und diese Worte wurden zu ihrer Ausführung in die Hände der Gemeinde gegeben! Nach Aufnahme der Gemeinde wird die Ausführung des Willens Gottes dann in Israels Hände übergehen. Aber jetzt gelten diese Worte uns. Zu sagen, es sei der „jüdische” Missionsbefehl, ist nur die halbe Wahrheit; mit demselben Rechte könnte man zu sagen wagen, das Leiden, Sterben und Auferstehen Jesu Christi sei jüdisch! Wo bleibt da 2. Tim. 3,16! Vergl. auch 1. Kor. 3,22! So dürfen wir auch nicht nur den Wortlaut des Taufbefehls (selbstverständlich!), sondern überhaupt den ganzen Missionsbefehl nach Matthäus (mit Vorbehalt) auch als bindend für uns ansehen, wenngleich freilich unbedingt feststehen muß, dass seine volle Ausführung und Erfüllung nicht dem Volke der himmlischen Berufung (der Gemeinde), sondern dem der irdischen (Israel) für einen zukünftigen Tag vorbehalten bleibt. Israel, d. h. der gläubige Überrest, ist das geborene Missionsvolk der Zukunft (vergl. u. a. Röm. 11,12.15; Sach. 8,13.20-23; überhaupt die alttestamentliche Prophetie! Siehe auch Frg. 1, Jahrb. VI!). Der HERR lasse bald diese herrlichen Zeiten anbrechen! Doch zuvor kommt Er Selbst für Seine Gemeinde! „Maran atha!” (1. Kor. 16,22b.)