Antwort
Es ist ohne Zweifel nützlich, einen kleinen Überblick der sieben Gleichnisse in Mt. 13 zu geben, damit die in Frage kommenden einzelnen Punkte besser verstanden werden.
Wie wir in der Offenbarung 2 und 3 prophetisch die Geschichte der Gemeinde als Haus Gottes in ihrer Verantwortlichkeit auf Erden vorgestellt finden, so wird uns hier in ähnlicher Weise der Verlauf und Charakter und die verschiedenen Phasen des Reiches der Himmel während der Abwesenheit des HERRN in den Gleichnissen veranschaulicht. Viel hängt von dem richtigen Verständnis dieser zwei wichtigen Abschnitte der Schritt für unser Verhalten ab. Doch muss zwischen Reich und Gemeinde unterschieden werden. Im Reich stehen wir als einzelne Persönlichkeiten in der Welt. In der Gemeinde, die himmlisch ist, sind wir in Verbindung mit der Familie Gottes. Im Reiche wird jetzt keine Zucht geübt, sondern dann Gericht, aber nur an den Söhnen des Bösen (vgl. Mt. 13,27-30). In der Gemeinde wird jetzt Zucht geübt an den Kindern Gottes. Wir hören nie von einer Zucht im Reiche, aber von Zucht in der Gemeinde. Es kann jemand von der Gemeinde ausgeschlossen werden, aber dies konnte nicht von dem Reiche geschehen, denn dann müßte der Betreffende ja aus der Welt getan werden, denn der Acker des Reiches ist die Welt, nicht die Gemeinde (Mt. 13,38). Die Welt kirchen haben Reich und Gemeinde nicht unterschieden, darum finden wir die Welt in diesen Kirchen und die Kirchen verbunden mit der Welt, so dass eine Grenze schwer festzustehen ist. Als Reichsangehörige stehen wir unter des HERRN Schutz. Es ist eine Frage der Macht. Als Kinder Gottes in der Familie sind wir der Liebe und Erziehung unseres Gottes und Vaters in Christo teilhaftig.
Obwohl die Söhne des Reiches zur Gemeinde gehören und die Gläubigen der Gemeinde zum Reiche, müssen diese Unterschiede gemacht werden, um nicht zu ganz falschen Handlungen zu gelangen in bezug auf unsere Absonderung von der Welt und unser Verhalten der Gemeinde Gottes gegenüber. Die meisten Christen - dem HERRN sei es geklagt! - haben wohl Reichscharakter, aber keinen Gemeindecharakter. Diese wichtige Seite weiter zu behandeln würde uns hier über den Rahmen unserer Antwort führen. Das Reich steht in Verbindung mit den Wegen Gottes in dieser Welt. Die Gemeinde ist himmlisch, da sie vor Grundlegung der Welt erwählt ist und eine ewige Bestimmung hat. Das Reich wird aufgehört haben, in dieser Weise zu bestehen, wenn jede antigöttliche Macht von dem Herrn Jesus beseitigt ist (vgl. 1. Kor. 15,24-28) und keine Notwendigkeit mehr vorliegt, diese Macht zu entfalten. Doch die Gemeinde, der Kreis der Familie, der Liebe und des Lebens Gottes, besteht nach Seinem Vorsatz ewiglich, da sie vorgeschichtlich, überweltlich und himmlisch ist. Das Reich steht immer in Verbindung mit den Rechten und der Macht Gottes dem Feinde gegenüber, die Gemeinde, welche uns den innersten und vertrautesten Kreis Gottes darstellt, in Verbindung mit Seiner Liebe des Herzens, wie sie in Seinem Sohne ausstrahlt. Das Reich ist das Kampfgebiet, doch werden wir nicht ewig kämpfen. Die Gemeinde ist das Heim, der Ruheort, wo die gegenseitigen göttlichen Zuneigungen gepflegt werden, und da haben wir gleich das Empfinden, dass dies nie aufhören kann. Sie ist dem Herzen Gottes entsprungen, eine Frucht Seiner Liebe; und wie Seine Liebe ewig ist, so ist es die Gemeinde. Gepriesen sei Sein Name!
Wenn man sich die Mühe nimmt, die sieben Gleichnisse mit den sieben Sendschreiben zu vergleichen, wird man viele verwandte Züge finden. Wie bei dem Gleichnis vom Säemann Unlauterkeit der Aufnahme des Wortes gefunden wird, dementsprechend finden wir im Sendschreiben an Ephesus die falschen Apostel, die Werke der Nikolaiten und das Verlassen der ersten Liebe - im Gleichnis drei Klassen, die das Wort nur vorübergehend aufnehmen, und im Sendschreiben drei Haupthindernisse, die denselben Motiven entspringen.
Das zweite Gleichnis und Smyrna sind charakterisiert durch besondere Tätigkeit des Feindes.
Das dritte Gleichnis und Pergamus sind gekennzeichnet durch Weltherrlichkeit und Weltgröße.
Das vierte Gleichnis und Thyatira sind bezeichnet durch die unheilvolle Tätigkeit eines Weibes.
Das fünfte Gleichnis und Sardes sind befreite Überreste; diese von dem ungläubigen Volke Israel und darum ein Schatz für den HERRN, jene von dem Aberglauben der Papstkirche.
Das sechste Gleichnis: die Kostbarkeit der Perle: Gemeinde, und Philadelphia, die der Berufung der Gemeinde entspricht. Das siebente Gleichnis: Gericht über die faulen Fische, und Laodicäa, welches ausgespien wird vom HERRN, auch dem Gericht preisgegeben.Dies sind nur einige Punkte, die den Leser anregen sollen, für sich selbst diese Vergleiche anzustellen. Wir halten dafür, dass die sieben Gleichnisse im ersten Buch des Neuen Testaments mit den sieben Sendschreiben im letzten Buch der Bibel zusammen betrachtet werden müssen. Solche Schriftstudien werden reichlichen Ertrag spenden und dem willigen, betenden und gläubigen Erforscher und Täter des Wortes Gottes großen Lohn und reichen Gewinn bringen. Tue du es!
Doch nun zur eigentlichen Frage! Es gibt nicht wenige lehrende, führende Männer im Christentum, die auf Grund dieser Gleichnisse gelehrt haben, dass die Söhne des Reiches, die Gemeinde, durch die große Drangsal zu gehen haben, weil in V. 30, 40 und 42 scheinbar gesagt wird, dass das Unkraut zuerst verbrannt wird, ehe der Weizen in die Scheune gesammelt wird. Andere sind noch weiter gegangen, weil sie diese Stellen nicht in Harmonie mit 1. Thess. 4,13-18 und 1. Kor. 15,51-58 zu bringen vermochten, und haben einfach gesagt, dass es die Erretteten in der großen Drangsalszeit nach der Entrückung der Gemeinde seien. Wir glauben nicht, dass wir gezwungen sind, zu solchen gekünstelten Auslegungen zu greifen. Obwohl hier nicht die Gemeinde, sondern das Reich in Frage ist, und nicht die Entrückung, sondern das Gericht der Söhne des Bösen (darum das Gleichnis vom Unkraut des Ackers - V. 36 -, nicht aber von den Söhnen des Reiches, welche nur vergleichsweise genannt werden), glauben wir doch, dass völlige Harmonie mit all den in Frage kommenden Stellen besteht. Wenn den Söhnen des Bösen hier besondere Beachtung gegeben wird und sie fast ausschließlich zuerst und am meisten genannt werden, so geschieht es, weil hier uns in einer anschaulichen Weise die Tätigkeit des Feindes als Nachahmers der Söhne des Reiches geschildert wird. Aber die Voraussetzung zu diesem Zustand finden wir im ersten Gleichnis. Da haben wir vier Klassen von Menschen, und dort ist der Acker das Herz des Menschen (V. 19). Der Same ist das Wort Gottes. Hier haben wir nur zwei Klassen, der Acker ist die Welt, und der Same sind die Söhne des Reiches, wie das Unkraut die Söhne des Bösen sind. Dort handelt es sich um die Wirksamkeit des Wortes, hier um Personen, deren Leben charakterisiert ist einerseits durch den HERRN und andererseits durch den Satan. Hier haben wir einen Fortschritt. Im ersten Gleichnis, welches nicht ein Gleichnis des Reiches der Himmel genannt wird, finden wir die persönliche Tätigkeit des HERRN, als Er auf Erden war, mit der Anwendung, dass sich diese Seine Tätigkeit fortsetzt, bis Er kommt. Wir sollten erst versuchen, diese Gleichnisse in ihrer ursprünglichen Bedeutung zu verstehen, ehe wir sie anwenden. Da ergibt sich, dass das erste Gleichnis den persönlichen Dienst des HERRN schildert, das zweite Gleichnis aber nach Einführung des Christentums die besondere Tätigkeit des Feindes, die sich, je näher wir dem Ende kommen, immer klarer ausprägt als sein Wirken, so dass selbst die Knechte den Scheinweizen von dem wahren Weisen unterscheiden. Dies ist auch der Grund, dass in Verbindung mit dem zweiten und siebenten Gleichnis von Vollendung des Zeitalters gesprochen wird. Dies bedeutet nichts anderes, als dass schon am Ende der Verwaltung der Gnade diese Erscheinungen für den erleuchteten Christen offenkundig wahrnehmbar sind. Unter dem Zeitalter, von dessen „Vollendung” hier gesprochen ist, verstehen wir das fünfte Zeitalter, die Zeiten der Nationen, das seinen Anfang mit Nebukadnezar nahm und sein Ende durch die Erscheinung des HERRN finden wird. Die heutige Zeit der Gnade ist nur eine Einschaltung in diesem fünften Zeitalter. Das erste Gleichnis erklärte der HERR auch der Volksmenge, weil es allgemein verständlich ist. Doch das zweite Gleichnis erklärte Er nur Seinen Jüngern im Hause. Dadurch deutet der HERR an, dass nur Seine Knechte (V. 27), Seine Jünger, dieses Gleichnis verstehen können. Man bedarf göttlicher Erleuchtung und geistlicher Gesinnung, um diesen Ausführungen des HERRN verständnisvoll folgen zu können. Die Tätigkeit des Feindes in dem hier beschriebenen Charakter dürfte wohl von sehr wenigen Seiner Knechte verstanden werden. Wir müssen in Seinem Hause mit Ihm sein, abgeschlossen von der Welt und Ihm hingegeben, wenn wir geistliches Verständnis Seiner wunderbaren Gleichnisse erlangen wollen.
So scheint es uns, dass unter den ersten drei Klassen im 1. Gleichnis mehr die Bekenner zu verstehen sind. Im 2. Gleichnis mehr die Söhne des Bösen. Es handelt sich bei diesen nicht um ausgesprochene Gottesleugner, obwohl auch diese dazu gehören, wenn sie nicht Buße tun, sondern mehr um satanisch inspirierte, religiöse Persönlichkeiten. (Vgl. Joh. 6,70; 8,41.44; Mt. 23,15; Apg. 13,10; 1. Joh. 3,8-12.) Die Menschen im allgemeinen sind nicht in erster Linie durch Satan gekennzeichnet, sondern durch die Unkenntnis Gottes, durch Gottesferne und durch die Tätigkeit und das Leben in der Sünde, und stehen als solche natürlich unter der Herrschaft des Satans. Doch ganz anders verhält es sich mit den Söhnen des Bösen. Sie sind nicht nur durch den Irrtum Satans gezeugt, sondern sie glauben, empfangen und werden belebt durch die Lüge des Feindes. Nicht nur dies, sondern sie verbreiten mit größtem Eifer und unvergleichlichem Fanatismus diese Lügen, Irrtümer und Lehren, so dass sie sich für die Knechte Gottes als von Satan inspiriert erweisen. Wenn man in ihnen nur tote Bekenner sieht, nimmt man diesem Gleichnis nicht nur die prophetische Bedeutung, sondern auch die göttliche Belehrung. Nach meiner Erkenntnis lehrt die Schrift nicht, dass wir als Kinder des Bösen geboren werden. Wohl standen wir vor unserer Bekehrung unter seiner Macht und Gewalt und waren von Natur Feinde Gottes. Doch satanisch charakterisiert ist nur der Mensch, der bewußt die Liebe Gottes, den Herrn Jesus und die errettende Gnade verwirft. So er darin verharrt wie die obengenannten, dann reift er aus zu einem Sohn des Bösen. Gottes Wort unterscheidet dies m. E. ganz klar. Je näher wir dem Ende kommen, desto mehr werden die religiösen Irrlehrer und satanischen Systeme sich entwickeln und ausreifen.
Dass den Engeln geboten wird, erst das Unkraut in Bündel zu binden, zeigt sich schon klar in der heutigen Zeit, wo durch die Vorsehung Gottes, die durch die Engel zum Ausdruck kommt, sich ganz bestimmte religiöse Irrsysteme bilden und sich immer mehr voneinander unterscheiden. Die Lehrer und Führer dieser Systeme sind Söhne des Bösen, sie tragen den Charakter ihres Vaters, des Teufels. Dass hier vorwiegend religiöse Bewegungen in Frage kommen, geht aus der Bezeichnung „Scheinweizen” hervor. Sie wollen dem wirklichen Weizen ähnlich sein. Welche Gebiete eröffnen sich uns bei diesem Gegenstande! Wir müssen uns leider versagen, näher auf diese so ernste Sache einzugehen. - Es wird gar nicht gesagt, dass das Unkraut vor dem Sammeln des Weizens in die Scheune verbrannt wird. Nur wird der Tätigkeit des Feindes, dem Unkraut, den Söhnen des Bösen, die erste und größte Beachtung geschenkt, weil es sich in diesem Gleichnis besonders darum handelt. Sie werden in Bündel gebunden, um verbrannt zu werden. Das Wort sagt aber nicht, dass es augenblicklich verbrannt wird. Das Gericht wird erst ausgeführt in der besonderen Gerichtszeit, die nach der Entrüstung der Gemeinde beginnt und mit der Aufrichtung des Reiches endet. Dies ergibt sich deutlich aus V. 42 und 43, wo gesagt wird, dass das Unkraut in den Feuerofen geworfen wird und dann- wenn dies geschieht - die Gerechten leuchten werden wie die Sonne in dem Reiche ihres Vaters (jetzt leuchten wir in dieser Nacht wie die Sterne, Phil. 2,15), also wenn wir verherrlicht mit dem HERRN erscheinen werden zum Gericht. Wenn Christus als „Sonne der Gerechtigkeit” (Mal. 4,2) über dieser armen Erde aufgehe. wird, dann werden wir mit Ihm geoffenbart werden in Herrlichkeit. Dies setzt die Entrückung und Verherrlichung voraus. Welch ein köstlicher Ausblick!
K. O. St.