Leib Christi

Gehören auch diejenigen zum Leibe Christi und zur Braut, die vor der Ausgießung des Heiligen Geistes den Herrn Jesus liebten und an Ihn glaubten, wie u. a. z. B. Simeon (Luk. 2), der Jüngling zu Nain (Luk. 7), der eine von den zehn Aussätzigen, welcher umkehrte (Luk. 17), Zachäus (Luk. 19), Bartimäus (Mark. 10), Lazarus (Joh. 11), der Schächer (Luk. 23)?

Antwort

Wir wollen uns mit der Frage zunächst im Blick auf den „Leib Christi” beschäftigen und dann noch etwas betreffs der „Braut” sagen.
Über den „Leib Christi” im Sinne der Frage gibt uns das Wort Gottes deutliche Belehrungen. Es handelt sich bei diesem Ausdruck um eins der Bilder, die der Geist Gottes gebraucht, um uns zu zeigen, in welche Beziehungen wir als Erlöste gebracht sind oder welche Vorrechte und welche Verantwortlichkeit wir haben. Andere solche Bilder sind: „Tempel Gottes” (1. Kor. 3,16; 2. Kor. 6,16; Eph. 2,20-22); „Haus Gottes” (1. Tim. 3,15; Hebr. 3,6); „geistliches Haus” (1. Petr. 2,5); „Braut” und „Weib des Lammes” (Off. 19,7; 21,2.9; 22,17). Im Bilde eines Eheweibes wird auch in Eph. 5,22-32 von der Versammlung (Gemeinde) in ihrer Beziehung zum HERRN gesprochen.

Das Bild des „Leibes” finden wir erwähnt: Röm. 12,5; 1. Kor. 10,17; 12,12.13.27; Eph. 1,23; 2,16; 4,4.12.16; 5,23.30; Kol. 1,18; 2,19; 3,15; und zwar in zweierlei Beziehung: in Römer und 1. Korinther im Blick auf die Verbindung der Gläubigen hier auf der Erde miteinander, ihre Dienste füreinander und ihre Abhängigkeit voneinander, und daher beschränkt auf die jeweils auf der Erde lebenden Gläubigen; in Epheser und Kolosser aber im Blick auf die Verbindung der Gläubigen mit dem verherrlichten HERRN und die dadurch ihnen gegebene Stellung und geschenkten Segnungen, und demgemäß alle Gläubigen umfassend, die je diesem wunderbaren „Leib” einverleibt worden sind, gleichviel ob sie noch auf der Erde leben oder bereits entschlafen sind, und die bis zur Entrückung noch werden hinzugefügt werden. Hierzu erlauben wir uns, auf die Ausführungen in den „Handreichungen”, Jahrgang 1928 (Bd. 13), S. 164-166 zu verweisen, wo diese unterschiedliche Anwendung des Bildes des „Leibes” eingehend dargelegt ist. Diese unterschiedliche Anwendung des Bildes hat indessen für unsere Frage keine Bedeutung, da selbstverständlich im Anfang der „Leib” in beiderlei Beziehung aus denselben Personen bestand und für unsere Frage der „Leib” in beiderlei Beziehung doch nur in seinem Anfang in Betracht kommt. Deshalb kommt es im Grunde darauf an, festzustellen, aus welchen Personen im Anfang der „Leib” gebildet wurde und bestand, womit sich von selbst die Frage nach dem Wie und Wann verbindet. Wie wurde der „Leib” gebildet? Durch das Herabkommen des Heiligen Geistes und Seinen Einzug in jeden einzelnen der Gläubigen: „Denn auch in einem Geiste sind wir alle zu einem Leibe getauft worden, ... und sind alle mit einem Geiste getränkt worden.” (1. Kor. 12,13)
Wann geschah dieses? Zur Zeit des Erdenlebens des Herrn Jesus bestand diese Tatsache noch nicht, denn Joh. 7,39 lesen wir - nachdem der HERR „an dem letzten, dem großen Tage des Festes” an jeden, welchen „dürstet”, die Einladung hatte ergehen lassen, zu Ihm zu kommen und zu „trinken”, mit dem Hinzufügen, dass aus dem Leibe dessen, der an Ihn glaubt, gleichwie die Schrift gesagt hat, „Ströme lebendigen Wassers” fließen würden -: „Dieses aber sagte Er von dem Geiste, den die an Ihn Glaubenden empfangen sollten, denn noch war der Geist nicht da, weil Jesus noch nicht verherrlicht worden war”, und der HERR sprach von der Sendung des Heiligen Geistes - auch noch nach Seiner Auferstehung - immer als etwas Zukünftigem, was nach Seinem Hingang zum Vater (Seiner Verherrlichung) geschehen sollte. (Joh. 14,16.17.26; 15,26; 16,7.13; Apg. 1,4.5.8) Aber nachdem der Herr Jesus verherrlicht worden war, an dem bald darauffolgenden Tage der Pfingsten, wie wir Apg. 2,1-4 lesen, geschah die verheißene Sendung des Heiligen Geistes und damit die Bildung des „Leibes Christi”.

Und wer waren diese, aus denen der „Leib” gebildet wurde? Apg. 1 ist von denen die Rede, mit welchen der HERR vor Seiner Aufnahme in den Himmel sprach und vor deren Augen Er aufgenommen wurde und die dann auf die verheißene Sendung des Heiligen Geistes warteten. Als diese werden uns V. 13 und 14 zunächst die elf Apostel genannt und „etliche Weiber” und Maria, die Mutter des Herrn Jesus, und Seine Brüder, und dann ist in V. 15 „eine Menge von etwa hundertzwanzig” erwähnt, welche Zahl sich augenscheinlich nur auf die bei jener Gelegenheit versammelten Brüder bezieht. Aber die Zahl der Gläubigen an jenem Pfingsttage war viel großer, denn 1. Kor. 15,6 berichtet Paulus, dass der HERR einmal „mehr als fünfhundert Brüdern auf einmal” erschienen ist - also vor Seiner Aufnahme in den Himmel -, und auch diese Zahl ist nur eine Teilzahl, da hierbei Paulus nur von „Brüdern” spricht und daher noch die Gläubigen weiblichen Geschlechts hinzukommen. Und alle diese, welche glaubten, waren nach Apg. 2,1-4 an jenem denkwürdigen Pfingsttage an einem Orte versammelt und wurden mit Heiligem Geiste getauft. Von jenem Augenblick an waren sie „ein Leib”, der „Leib Christi”. Die Personen, aus denen dieser „Leib” zu Anfang gebildet wurde und bestand, waren also alle die, welche in dem Augenblick des Herabkommens des Heiligen Geistes an den Herrn Jesus gläubig waren. Die Zugehörigkeit zu dem „Leibe Christi” war und ist mit dem Empfang und Innewohnen des Heiligen Geistes verbunden und hat diesen zur unerläßlichen Voraussetzung!

Aus vorstehender Feststellung finden wir nun leicht die Antwort auf unsere Frage. Diese Antwort ist: Alle Menschen, die vor der Ausgießung des Heiligen Geistes den Herrn Jesus liebten und an Ihn glaubten und zu dem Zeitpunkte der Ausgießung des Heiligen Geistes noch lebten, gehören zu dem„Leibe Christi”; hingegen alle diejenigen, welche vor der Ausgießung des Heiligen Geistes aus diesem Leben geschieden waren, nicht, wie z. B. Simeon (Lk. 2), der offenbar bald nach der uns berichteten Begebenheit heimgegangen ist (vgl. V. 26.29.30), und der „Schächer” (Lk.23), dem der HERR sagte: „Wahrlich, Ich sage dir: Heute wirst du mit Mir im Paradiese sein” (V. 43). Wie hätten diese beiden zu dem durch den Heiligen Geist gebildeten „Leib” gehören können, da sie den Heiligen Geist nicht empfangen hatten - der Heilige Geist nicht in ihnen wohnte? Solche nicht zu dem „Leibe” gehörende Gläubige gehören einem anderen Segenskreise an - nach der Auffassung des Schreibers dieser Zeilen zu dem der alttestamentlichen Heiligen. (Vgl. Mt. 11,11) Ob Bartimäus (Mk. 10), der Jüngling zu Nain (Lk. 7), der eine von den zehn Aussätzigen, welcher umkehrte (Lk. 17), Zachäus (Lk. 19) und Lazarus (Joh. 11) an jenem Pfingsttage noch lebten, sagt uns das Wort nicht, es ist möglich, ja, wahrscheinlich, und wenn sie noch lebten, gehören sie zu dem „Leibe Christi”. Übrigens waren ja alle, die nach Apg. 2,1 an jenem Pfingsttage „an einem Orte versammelt” waren, solche, die „vor der Ausgießung des Heiligen Geistes den Herrn Jesus liebten und an Ihn glaubten”; der Fragesteller meint aber, wie aus den angeführten Beispielen geschlossen werden kann, mit dieser Bezeichnung vielleicht Personen, die während des öffentlichen Dienstes des Herrn Jesus, vor Seinem Tode, mit Ihm in Berührung gekommen und an Ihn gläubig geworden waren. Wenn dieses der Sinn der Frage ist, so ändert dies an dem oben Gesagten nicht das geringste, sondern dann sei nur noch bemerkt, dass unter denen, die an jenem Pfingsttage versammelt waren, vielleicht viele solcher waren, die schon vor Seinem Tode Ihn geliebt und an Ihn geglaubt hatten. Was die Zugehörigkeit zu der „Braut” betrifft, so hängt die Antwort ebenfalls wieder davon ab, wer unter diesem Bilde zu verstehen ist. Über letzteren Punkt bestehen verschiedene Auffassungen, wie es immer dann der Fall ist, wenn die Schrift nicht selbst den Gegenstand uns so vorstellt, dass unseren menschlichen Gedanken und Einbildungen kein Raum gelassen wird.

Schon im Alten Testament ist mehrfach das Bild der „Braut” gebraucht (Ps. 45,10 [nach Luther]; Hohel. 4,8.9.10.12; 5,1; Jes. 61,10; 62,5; Jer. 2,2; vgl. auch Hos. 2,19.20), und es ist kein Zweifel, dass dort das Bild sich auf das Volk Israel bezw. den gläubigen Überrest aus demselben bezieht. Aber das meint der Fragesteller selbstverständlich nicht, sondern er meint die „Braut” nach dem Neuen Testament.

Im Neuen Testament wird das Bild der „Braut” einmal Joh. 3,29 gebraucht, ohne dass gesagt ist, wer hier mit der „Braut” gemeint ist. Dann schreibt Paulus 2. Kor. 11,2 - also auf die Versammlung (Gemeinde) bezüglich: „... ich habe euch einem Manne verlobt, um euch als eine keusche Jungfrau dem Christus darzustellen”, womit gewissermaßen ein Brautverhältnis ausgedrückt wird. Dann finden wir Eph. 5,22-32 die Versammlung mit einem Eheweib verglichen als Vorbild für Schwestern in der Ehe. Dann wird das Bild der „Braut” (bezw. „Weib”) erst wieder ganz am Ende des Neuen Testamentes gebraucht. (Off. 19,7; 21,2.9; 22,17 [vgl. im Anfang dieser Antwort Absatz 2!]) Der für diese Antwort bemessene Raum erlaubt uns nicht, auf den Gegenstand an Hand der einzelnen Schriftstellen näher einzugehen. Daher nur ganz kurz einiges:

Die von manchen vertretene Auffassung, auch im Neuen Testament sei Israel (der gläubige Überrest) die „Braut”, lehnen wir ab. Vielmehr haben wir (auch die Schriftl.) die Überzeugung, dass es eine irdische „Braut” gibt, von der im Alten Testament gesprochen wird und die aus den Heiligen irdischer Berufung besteht, mit irdischen Segnungen, und eine himmlische „Braut”, von der im Neuen Testament geredet ist und die aus Heiligen himmlischer Berufung besteht, mit himmlischen Segnungen. Aber auch bei dieser Einteilung gibt es in bezug auf die neutestamentliche „Braut” zwei Auffassungen: Die eine ist, dass die Versammlung (Gemeinde), „welche Sein Leib ist” (Eph. 1,23), die „Braut” ist. Diese Auffassung ist besonders gestützt durch die Schriftstellen 2. Kor. 11,2; Eph. 5,22-32 und Off. 22,17; und richtig ist ja auch auf jeden Fall, dass gegenwärtig die Versammlung sich auch (gemeint ist mit „auch”: neben andersartigen Beziehungen zum HERRN) in dem Verhältnis zu dem HERRN befindet wie eine Braut zu ihrem Bräutigam: sich von Ihm geliebt wissend und Ihn liebend, Ihm allein gehörend, mit Sehnsucht auf Sein Kommen wartend. Wenn diese Auffassung - dass die Versammlung die „Braut” ist - zutrifft, gilt für die Zugehörigkeit zur „Braut” genau dasselbe, was wir weiter oben für die Zugehörigkeit zum „Leibe Christi” festgestellt haben, und gehören demgemäß nur die Gläubigen zur „Braut”, welche zum „Leibe Christi” gehören - und somit alle die Gläubigen nicht, die vor der Ausgießung des Heiligen Geistes entschlafen sind, wie auch die nicht, welche nach der Entrückung der Versammlung (d. h. der Gläubigen der Jetztzeit) erst gläubig werden. - Die andere Auffassung schließt in die „Braut” alle ein, welche an der Auferstehung des Lebens teilhaben, also nicht nur die zur Versammlung gehörenden Gläubigen, sondern auch alle alttestamentlichen und vor der Ausgießung des Heiligen Geistes entschlafenen Heiligen und alle, die nach der Entrückung der Versammlung bis zum Kommen des HERRN in Herrlichkeit noch werden gläubig werden und durch den Tod gehen. Diese Auffassung gründet sich auf die Annahme, dass alle diese an der Auferstehung des Lebens teilhabenden Heiligen („deren Namen im Buche des Lebens sind”) - alttestamentliche, wie neutestamentliche, zur Versammlung gehörend und nicht zur Versammlung gehörend - himmlischer Berufung sind und durch „die heilige Stadt, das neue Jerusalem” (Off. 21,2.10ff.), bildlich in ihrer Herrlichkeit dargestellt werden, und in Verbindung hiermit auf die Tatsache, dass Off. 21,2 und 9 diese „heilige Stadt, das neue Jerusalem” als „die Braut, das Weib des Lammes” bezeichnet wird. Wenn ebenerwähnte Annahme richtig ist, dann würde also nach Off. 21,2 und 9 die „Braut” nicht nur aus der Versammlung (Gemeinde) bestehen, sondern aus dieser und den alttestamentlichen sowie den neutestamentlichen, nicht zur Versammlung gehörenden, verherrlichten himmlischen Heiligen, und solchenfalls würden selbstverständlich auch die von dem Fragesteller gemeinten, vor der Ausgießung des Heiligen Geistes entschlafenen Gläubigen mit zur „Braut” gehören. -
Bei dem Bewußtsein der Mangelhaftigkeit unserer Erkenntnis und unseres Erfassens der kostbaren Schriftwahrheit ist es ein großer Trost für uns, dass wir, die wir den HERRN durch Seine Gnade kennen und lieben, die unschätzbare Gewißheit haben, dass wir zum „Leibe Christi” und auch zu Seiner „Braut” gehören und dass alles herrlich sein wird, wie immer es auch sein möge mit den Dingen, die uns jetzt noch nicht ganz klar oder gar dunkel sind, und dass bald „das Vollkommene gekommen” und dann auch das Unklare und das Dunkle uns völlig klar sein wird, zu Seiner Verherrlichung! Gepriesen sei Er!
Th. K.


Beantwortet von: Team Handreichungen
Quelle: Handreichungen - Band 14 (1929)