Lass die Toten ihre Toten begraben

Wie sind die Worte des Herrn Jesu in Matth. 8,22 zu verstehen: „Folge Mir nach, und laß die Toten ihre Toten begraben!“?

Antwort A

Ich meine, in diesem Worte handelt es sich bei dem Jünger um seinen eben gestorbenen Vater, der ungläubig war. Die Schrift sagt oft, dass noch nicht von ihren Sünden errettete Menschen tot sind (Eph. 2,1; Kol. 2,13). So war auch der Vater dieses Jüngers in die Ewigkeit hinübergegangen, ohne errettet zu sein, und dieses meint wohl der HERR, als Er sagt: „Lass die Toten ihre Toten begraben!” - Es war für den Jünger viel, viel wichtiger, dem HERRN nachzufolgen, als noch einen Augenblick zu verlieren und sich mit dem ungläubig Verstorbenen abzugeben. „Komm und folge Mir nach” - damit deine eigene Seele nicht verloren geht!
G. R.

Antwort B

Diesen Vers sagte der Herr Jesus zu einem Seiner Jünger, der Ihn bat, Er möchte ihm erlauben, dass er zuerst hingehen dürfe, um seinen Vater zu begraben. Leben und Tod, Licht und Finsternis, Christus und Belial haben keine Gemeinschaft! 1. Mose 1,4: „Und Gott schied zwischen dem Licht und der Finsternis.” Dem Jünger wurde anscheinend der Weg zu schmal, er suchte von diesem abzubiegen, als der HERR sagte: „Die Füchse haben Höhlen und die Vögel des Himmels Nester, aber der Sohn usw.” Wir nehmen gar zu leicht Schaden, wenn wir unter tote Menschen, d. h. unbekehrte, gehen. Der HERR wußte dieses auch von dem Jünger, dass er vom Pfade abkommen würde. Bewegen wir uns jedoch in dem Lichte Gottes, wo wir gestärkt werden, dann können wir in dieser Kraft vom Himmel zur Erde - auch unter Tote gehen. Also zuerst in die Höhe, dann hernieder! Ach, blieben wir doch nur bei Jesu, dann hätten wir keinen Willen, sondern Sein Wille wäre dann unser Wille. Nur bei Ihm, dem Lebensfürsten, können wir wachsen, blühen und gedeihen. Herr Jesu, hierzu gib uns Gnade!
A. C.-D.

Antwort C

Der HERR, der Herzenskenner (Apg. 15,8), weist die Bitte jenes Jüngers ab, um ihn offenbar vor der Gefahr zu bewahren, wieder in die Welt zurückgezogen zu werden durch den Einfluß seiner Verwandten, die anscheinend noch tot waren in Vergehungen und Sünden (Eph. 2,1.5; vergl. auch 1. Mose 2,17 und Röm. 7,8-13!). Sie, die geistlich Toten, die da ohne Hoffnung und ohne Gott in der Welt waren (Eph. 2,12), sollten ihre leiblich Toten allein begraben, während der Jünger Ihm, der Quelle lebendiger Hoffnung, nachfolgen sollte.

Hier handelt der HERR nicht wie Elias bei ähnlicher Gelegenheit mit Elisa (1. Kön. 19,20.21), obwohl Er dies wohl auch öfters getan haben mag, wo dies so der betreffenden Seele zum Guten mitwirkte (vergl. Röm. 8,28!). Indem nun jener Jünger dem Geheiß des HERRN Folge leistete (wir wissen nicht, ob er dies wirklich tat), begann er auch schon, etwas von dem Jüngertum praktisch zu verwirklichen, wovon der HERR in Mt. 10,34-39 spricht.
K. Hch.

Antwort D

Diese Frage ist meiner Ansicht nach leicht erklärlich, denn für Jesum ist jeder ungläubige Mensch tot. So waren demnach auch die Angehörigen dieses neuen Jüngers tot, weil sie an Jesum nicht glaubten. Doch diesen Jünger hatte Jesus wie einen Zweig vom wilden Baum losgebrochen, um ihn aus Gnaden in einen edlen Stamm einzupfropfen.

Somit hier die volle Erklärung: Der Vater war gestorben; leiblich tot für die Angehörigen, doch für den Herrn Jesus im Leben schon geistlich tot und für immer vom ewigen Leben ausgeschlossen und der Verdammnis preisgegeben (Mt. 3,10; 7,16.19; Joh. 15,6). Ausdrücklich wird uns in Off. 20,15 gezeigt, dass jeder nicht Wiedergeborene für Gott tot ist; nur der, welcher seine Sünde erkennt und bekennt und unter das Kreuz nach Golgatha flieht und die Gnade und Vergebung erbittet, erhält ewiges Leben und wird in diesem Augenblick ins Lebensbuch eingetragen; dann erst ist er vor Gott ein in geistlicher Hinsicht lebender Mensch. Ohne Glauben an Jesum Christum ist jeder Mensch geistlich tot. - Aber auch das ist wichtig, dass der Gläubige Werke des Glaubensgehorsams vollbringt, denn „der Glaube ohne Werke ist an sich selbst tot” (Jak. 2,17). Auf solches Werk des Glaubens kam es für diesen Jünger an!
K. K.

Antwort E

Evang. Joh. 1,4: „In Ihm war Leben, und das Leben war das Licht der Menschen.” Als Gott den Menschen Adam in den Garten Eden setzte, ins Paradies, den glückseligen, herrlichen Platz der innigsten Gemeinschaft mit Gott, sagte Er zu dem Menschen: „ Welches Tages du davon (von dem Baum der Erkenntnis des Guten und des Bösen) essen wirst, wirst du des Todes sterben” (1. Mose 2,17). Aber der Mensch gehorchte nicht. Er starb nun nicht sofort des leiblichen Todes, aber der geistliche Tod bemächtigte sich seiner sofort, er verlor das herrliche Leben in und mit Gott. Finsternis trat bei ihm ein, denn ohne Gott und ohne Seine Gemeinschaft zu leben ist Finsternis und Tod. - Die Heilige Schrift beurteilt daher mit vollstem Recht alle Menschen ohne Ausnahme als tot. (Eph. 2,1.5; Joh. 5,24; 6,53; Röm. 6,13 und viele andere Schriftstellen!)

Der Herr Jesus war deshalb vollkommen berechtigt, dem Manne, der Ihn um die Erlaubnis bat, seinen Vater zu begraben und Ihm dann nachher nachzufolgen, zu sagen: Zuerst folge Mir nach! Lass die Toten ihre Toten begraben. Was liegt daran, einen Toten zu begraben, selbst wenn es der Vater ist; bei Mir findest du alles! (Vergl. Mt. 10,37-39!)

Jeder wirklich zu Gott bekehrte Mensch wird die Wahrheit des Wortes bezeugen: Ich war „tot in Vergehungen”, „ohne Gott in dieser Welt” (Eph. 2,5 u. 12), nun aber lebe ich, ich bin in Gemeinschaft mit Gott durch Jesum Christum (vergl. u. a. 1. Joh. 1,3.4). Der Herr Jesus hatte zur Zeit Seines Erdenwandels verschiedene Nachfolger aus allen Ständen, Schriftgelehrte und Ungelehrte, und mancher derselben bezeugte einen guten Willen, Ihm nachzufolgen. Aber der gute Wille allein macht's noch nicht aus, es muss zu einer Entscheidung kommen für Ihn!

Die Schrift sagt nichts davon, dass in jenem bekannten Fall der reiche Jüngling alles andere drangegeben habe, um Jesu nachfolgen zu können (vergl. Mt. 19,16-30!), oder dass dieser Mann hier seinen Vater habe durch andere Leute begraben lassen und dem HERRN nachgefolgt sei!
F. B.

Antwort F

Während der Schriftgelehrte (V. 19) in Augenblicksbegeisterung und Selbstvertrauen zu Unrecht meint, Jesu Nachfolger sein zu können, steht dem anderen die Rücksichtnahme auf Verwandtschaft, Verpflichtungen und Gebräuche im Wege. Der HERR zeigt ihm, dass auch das scheinbar Dringendste, wenn es ein Hindernis ist, dem HERRN zu folgen, kein Recht hat, anerkannt zu werden. Der Ruf und die Ansprüche des HERRN gehen vor. Wer andere Anforderungen Seinen voranstellt, stellt Ihn zurück! Der HERR benutzt den Todesfall zu bildlicher Sprache. Er sagt dem Manne gleichsam, die, die im Todeszustande seien, würden ihre Toten besorgen, er solle in den Dienst des Lebens treten. In den Dienst des Todes und der Leichname der Welt sich zu stellen ist nicht die Aufgabe der Nachfolger Jesu! Gewisse Enthaltsamkeits- und andere Vereine haben sich solche Aufgaben gestellt, die „Toten” sozusagen zu begraben, den Verwesungsgeruch der Sünde zu beseitigen und die Welt zu reinigen. Nachfolger Jesu haben andere Aufgaben!
v. d. K.

Anmerkung des Herausgebers

Hier haben wir etliche klare Antworten, zu denen hinzu nur noch wenig zu bemerken ist. - Wir weisen zunächst hin auf Frg. 2 und 5 in „G. H.”, Jahrg. I, 1913! - Scheint das Wort des HERRN nicht pietätlos (ohne ehrerbietige Rücksichtnahme) zu sein? Viele, die Jesu Sprache nicht verstehen oder den Zusammenhang der Schriftstellen nicht beachten, möchten so urteilen und haben's getan. Aber es gibt manche sogenannte Paradoxie, manche (scheinbare) Widersinnigkeit, in der Schrift. Der heilige Mund, der einst im Gesetz aussprach: „Ehre Vater und Mutter!”, der auch uns Kinder der Gnade, in denen das Gesetz des Geistes regiert, nicht des Gehorsams und der Liebe gegen die leiblichen Eltern entbindet (im Gegenteil! siehe z. B. Eph. 6,1-3; Kol. 3,20; vgl. Lk. 2,51a; Joh. 19,25-27 u. a.) - derselbe Mund sprach Mt. 10,35: „Ich bin gekommen, den Menschen zu entzweien mit seinem Vater usw.” (vgl. V. 34-39 u. a.!). Es kommt eben auf den Zusammenhang an! Die Hauptsache ist für jeden Menschen, ob er ein wahrer Nachfolger Jesu ist oder nicht, ob er ein echter Christ oder ein bloßer Namenchrist ist, ob er, „was er lebt, durch Glauben an den Sohn Gottes lebt” (Gal. 2,20) oder tot ist in Sünden und Übertretungen (Eph. 2,5 u. a.). Handelt es sich darum, dem Herrn in Wahrheit nachzufolgen, wie in unserer Stelle, oder einen toten, noch dazu ungläubig gewesenen Menschen zu begraben, so muss der, der's ernst nimmt mit dem HERRN, das erstere wählen, selbst wenn der Verstorbene der ihm leiblich Nahestehendste war. Die Gemeinschaft mit dem HERRN ist wichtiger als die Erfüllung des menschlichen Gebotes der Pietät und der Kindespflicht. Da gilt: „Wer Vater und Mutter” - zumal wenn sie verstorben sind - „mehr liebt denn Mich, ist Meiner nicht wert” (Mt. 10,37)! - Wie häufig schon ist die Rücksicht auf Verstorbene zum ewigen Verderben geworden für Menschen, die die Notwendigkeit der eigenen Herzensbekehrung einsahen, denen aber die (seelische) Gemeinschaft mit den schon Toten (die bei Lebzeiten Feinde Gottes waren und ihre Angehörigen vom Heil in Christo fern hielten) und mit deren noch lebenden, aber geistlich toten Freunden und Verwandten wichtiger und wertvoller war als die ewige herrliche Gemeinschaft mit dem HERRN und den Seinen! -


Beantwortet von: Team Handreichungen
Quelle: Handreichungen - Band 3 (1915)