Kommt die Gemeinde Jesu in die Trübsalzeit?

Mir macht 2. Thessalonicher 2,1-12 sehr zu schaffen. Sagt Paulus damit nicht, dass die Gemeinde Jesu in die Trübsalzeit kommen wird?

Diese Stelle macht manchen zu schaffen, weil sie nicht zwischen dem «Tag des Herrn» und dem «Tag des Christus» unterscheiden. Während der «Tag Christi» die Entrückung bzw. Wiederkunft Jesu für Seine Gemeinde beschreibt, meint der «Tag des Herrn» die Zeit der grossen Trübsal mit anschliessender Wiederkunft Jesu in Herrlichkeit. Der Ausdruck «Tag des Herrn» stammt aus dem Alten Testament und meint deshalb Israel und die Völker (vgl. z.B. Joel 4,1- 2.12-14; Zef 1). Der «Tag Christi» dagegen bezieht sich auf die Gemeinde (Phil 1,6.10; 1.Kor 1,8). Der «Tag des Herrn» kommt nach dem «Tag Christi». Das heisst, dass die Trübsal und das Auftreten des Antichristen nach der Entrückung der Gemeinde einzuordnen sind.

Die meisten und meines Erachtens genauesten Bibelübersetzungen schreiben in 2. Thessalonicher 2,2-3: «Dass ihr euch nicht schnell in eurem Sinn erschüttern, auch nicht erschrecken lasst, weder durch Geist noch durch Wort noch durch Brief, als seien sie von uns, als ob der Tag des Herrn da wäre. Dass niemand euch auf irgendeine Weise verführe! Denn ‹dieser Tag kommt nicht›, es sei denn, dass zuerst der Abfall gekommen und der Mensch der Gesetzlosigkeit geoffenbart worden ist, der Sohn des Verderbens.» In diesem Zusammenhang betrachtet meint der Apostel Paulus, dass der «Tag des Herrn», also die Wiederkunft Jesu in Herrlichkeit, nicht eher kommt, bevor nicht der grosse Abfall stattgefunden hat. Dieser grosse Abfall, der bereits heute seine Anfänge hat, wird sich aber erst vollends durch das Aufkommen des Antichristen realisieren – nach der Entrückung.

Was ist es nun, was diesen kommenden «Tag des Herrn» und das Auftreten des Antichristen zurückhält? «Jetzt wisst ihr, was zurückhält, damit er zu seiner Zeit geoffenbart wird. Denn schon ist das Geheimnis der Gesetzlosigkeit wirksam; nur offenbart es sich nicht, bis der, welcher jetzt zurückhält, aus dem Weg ist» (2.Thess 2,6-7). Meines Erachtens können damit keine irdische Regierungsgewalten gemeint sein, weil diese in sich immer böse sind und von Satan regiert werden (vgl. Eph 2,2; 6,12; 2.Kor 4,4). In unserem Text ist einmal die Rede von «was zurückhält» und einmal von «der, welcher zurückhält». «Was» ist sächlich und bezieht sich auf die Gemeinde und «der» ist männlich und bezieht sich auf eine Person. Es ist die Person des Heiligen Geistes, der in der Gemeinde wohnt. So harmonisieren diese beiden Aussagen wunderbar miteinander. Die Entrückung wird quasi das umgekehrte Pfingsten sein. Zu Pfingsten entstand die Gemeinde durch das Kommen des Heiligen Geistes, und damit gingen die Verhältnisse des Alten Testaments zu Ende, das Neue Testament war da. Bei der Entrückung kehrt der Heilige Geist wieder zurück in den Himmel und nimmt die Gemeinde mit. Damit ist das Gnadenzeitalter der Gemeinde abgeschlossen. Und darum erkennen wir in der Offenbarung auch wieder so etwas wie alttestamentliche Verhältnisse: Beispielsweise die Rache in Offenbarung 6,10, Israel im Mittelpunkt (vgl. Offb 7), das Auftreten der zwei Zeugen, die an Mose und Elia erinnern (Offb 11), usw.

Dass in 2. Thessalonicher 2 der Heilige Geist gemeint ist, der die Gemeinde von dieser Erde wegnimmt, machen auch Parallelstellen in der Bibel deutlich. So sagte der Gottesknecht Obadja einst zu Elia: «Es wird geschehen, wenn ich von dir weggehe, dann wird dich der Geist des Herrn davontragen, ich weiss nicht wohin; wenn ich dann komme, Ahab zu berichten, und er findet dich nicht, wird er mich umbringen. Und dein Knecht fürchtet doch den Herrn von meiner Jugend an» (1.Kön 18,12). Und die Prophetenschüler sagten zu Elisa, nachdem Elia entrückt war: «Sieh doch, es sind bei deinen Knechten fünfzig tüchtige Männer. Lass sie doch gehen und deinen Herrn suchen, ob nicht etwa der Geist des Herrn ihn weggetragen und ihn auf einen der Berge oder in eines der Täler geworfen hat! Er aber sagte: Sendet nicht!» (2.Kön 2,16). Es ist also tatsächlich der Heilige Geist, der entrückt. Das wird anhand dieser Stellen deutlich. Auch im Neuen Testament finden wir Hinweise: Als Johannes in den Himmel aufgenommen wurde, heisst es dazu in Offenbarung 4,2: «Sogleich war ich im Geist: und siehe, ein Thron stand im Himmel, und auf dem Thron saß einer.» Es geschah also durch den Heiligen Geist, dass Johannes in den Himmel geholt wurde. Auch 2. Korinther 5 scheint darauf hinzudeuten: «Denn wir freilich, die in dem Zelt sind, seufzen beschwert, weil wir nicht entkleidet, sondern überkleidet werden möchten, damit das Sterbliche verschlungen werde vom Leben. Der uns aber eben hierzu bereitet hat, ist Gott, der uns das Unterpfand des Geistes gegeben hat» (V 4-5).

Was nun den Zorn Gottes angeht, der in der grossen Trübsal über unsere Welt ausgegossen wird, heisst es, dass dieser nicht über die Gemeinde, sondern über die «Kinder des Ungehorsams» kommt: «Tötet nun eure Glieder, die auf der Erde sind: Unzucht, Unreinheit, Leidenschaft, böse Begierde und Habsucht, die Götzendienst ist! Um dieser Dinge willen kommt der Zorn Gottes über die Söhne des Ungehorsams. Unter denen seid auch ihr einst gewandelt, als ihr in diesen Dingen lebtet» (Kol 3,5-7). Die Gemeinde hingegen wird gerade vor diesem Zorn bewahrt (1.Thess 1,10; 5,9 Röm 5,9).

In der Bibel gibt es verschiedene Bezeichnungen für bestimmte Tage, wie:


Beantwortet von: Norbert Lieth
Quelle: Zeitschrift Mitternachtsruf, August 2009, Seite 28