Antwort
Der HERR stand im Begriff, von den Seinen wegzugehen, und Er wußte, dass dieser Weggang eine gänzliche Umwandlung ihres Glaubenslebens mit sich bringen musste und dass die dahin führenden, nun beginnenden Ereignisse die Zertrümmerung ihrer bisher in ihren Herzen gehegten fleischlichen Vorstellungen und daher eine tiefgehende Erschütterung ihres schwachen Glaubens mit sich bringen würden. Auch wußte Er, welche Absicht der Feind bei dieser Gelegenheit in bezug auf Seine Jünger hatte. Deshalb drängte Ihn Sein liebendes Herz, sie auf alles dieses vorzubereiten und ihnen Worte der Belehrung, der Warnung, des Trostes und der Ermunterung zu sagen. Das finden wir in den Versen 24-30, 31-32, 33-34 und auch in den Versen 35-38, auf die sich unsere Frage bezieht. Die letzteren Verse enthalten einen Rückblick auf die Zeit bis zu jenem Tage und einen Hinweis auf die nun beginnende Zeit. Sie hatten Ihn bisher leiblich, sichtbar als den Messias in ihrer Mitte gehabt, und Er hatte als solcher für alle ihre Bedürfnisse gesorgt (V. 35), und sie hatten sich um nichts gekümmert, da Er ja da war und Menschen da waren, die sie als Boten des Messias aufnahmen und die in Unterwerfung unter den Messias ihnen alles gewährten, was sie bedurften, so dass sie weder Börse noch Tasche brauchten. Das konnte natürlich nur sein, während der Messias da war. Nun aber war der Zeitpunkt gekommen, an dem das, was betreffs Seiner Verwerfung über Ihn geschrieben steht, erfüllt werden und damit ein „Ende” (oder eine „Vollendung”) finden sollte durch Seinen Tod am Kreuze, so dass Er dann nicht mehr sichtbar unter ihnen sein würde; deshalb würde es dann anders sein: Sie konnten nun nicht mehr auf ihre Versorgung durch Menschen rechnen, die sich dem Messias unterwarfen, da dieser ja nicht mehr gegenwärtig, sondern verworfen war, sondern sie mußten nun selbst „Börse” und „Tasche” nehmen, d. h. durch Glauben aus des unsichtbaren HERRN Hand nehmen, was sie bedurften, auf welchem Wege irgend Er es ihnen darreichte. Aber auch noch in einer anderen Beziehung würde Seine Abwesenheit eine Änderung für sie bedeuten, wie V. 36 uns zeigt: In dieser Welt, die Ihn verworfen hat, würde es auch Kampf für sie geben und würden sie deshalb eines Schwertes bedürfen. Während Er da war, brauchten sie nicht zu kämpfen, weil Seine Anwesenheit ihr Schutz war; mit Seinem Weggang aber verloren sie diesen Schutz, und damit begann auch der Kampf. Das ist es, was die Worte „kaufe ein Schwert” bedeuten. „Schwert” spricht von Kampf. Es heißt hier nicht „Schwert des Geistes”, welches nach Eph. 6,17 Gottes Wort ist, sondern einfach „Schwert” als Sinnbild von Kampf. Dass es kein Kampf mit materiellen Waffen ist, sondern mit geistlichen, und ein Kampf, den der Glaube führt, bedarf ja keiner weiteren Ausführung. Und dass die Notwendigkeit eines Schwertes hier so dringend gemacht wird, daß, wer sonst keine Mittel hat, ein Schwert zu kaufen, sein Kleid - das es doch so sehr nötig bedarf! - verkaufen soll, um ein Schwert dafür zu kaufen, bedeutet, dass es ohne den Kampf des Glaubens überhaupt nicht geht - dieser Kampf unerläßlich ist.
Die Jünger hatten den HERRN nicht verstanden, was ja auch nicht von ihnen zu erwarten war, und meinten, Er rede von materiellen Schwertern. Der HERR tadelt sie deshalb nicht - Er ist ja von solcher unendlichen Langmut und Liebe! -, sondern lässt Sich in den Worten: „Es ist genug” zu ihrem Unverstände herab, indem sie aus denselben erkennen konnten, dass sie nicht etwa noch mehr solcher Schwerter zu kaufen brauchten. Zugleich mochten sie aus diesen Worten empfinden, dass sie den HERRN nicht verstanden hatten und Er nichts weiter über diesen Gegenstand sagen wollte.
Die Worte des HERRN: „Denn was von Mir geschrieben ist, das hat ein Ende” (nach Luth.; oder: „Denn auch das, was Mich betrifft, hat eine Vollendung”, nach Elberf. Übers.), bedeuten, dass das, was das Wort Gottes über den HERRN vorausgesagt hat, zur Ausführung kommt - wie alles andere im Worte Gottes Vorausgesagte - und damit ein Ende (oder eine Vollendung) findet. So war über Ihn vorausgesagt, dass Er unter die Übeltäter (oder Gesetzlosen) gerechnet werden sollte. Dieses ist am Kreuze erfüllt worden, und damit hat dieses Wort ein Ende (oder eine Vollendung) gefunden. Und so ist es mit allem anderen, was über Ihn geschrieben steht - alles hat ein Ende, eine Vollendung durch seine Erfüllung, sei es, dass es schon geschehen ist in der Vergangenheit oder dass es noch geschehen wird in der Zukunft. Beides ist für uns sehr kostbar.
Th. K.
Anmerkung des Schriftleiters
Nur noch wenige Worte zu dieser klaren Antwort!
Wie sehr die Jünger ihren Meister mißverstanden hatten, zeigte sich nur allzu deutlich bei der Gefangennahme des HERRN, bei welcher Petrus mit dem Schwerte dreinschlug (Mt. 26,51-54; Mk. 14,47; Lk. 22,49-52; Joh. 18,10.11; erst im Johannes-Evangelium ist der Name des mit dem Schwerte Dreinschlagenden: Petrus, und der des Verwundeten: Malchus, genannt!). Wie kostbar, dass der treue HERR das Verfehlen Seines Petrus so liebevoll heilte! - Aber so hat die spätere Christenheit, als sie längst nicht mehr aus Gläubigen bestand, die Worte des HERRN hier immer wieder mißverstanden, indem sie den (vermeintlichen) Glauben mit dem stählernen Schwerte verteidigen zu müssen meinte. Die unseligen Religionskriege, Kreuzzüge, Inquisitionsgreuel u. a. in den verschiedenen Jahrhunderten christlicher Zeitrechnung sind ein Beweis dieses grundlegenden Mißverständnisses. Aber auch die Tatsache, dass gläubige Christen hin und her auf Mt. 26,51-54 (die Folge von Lk. 22,36-38!) hin den irdischen Kriegsdienst (als Gehorsam gegen die Obrigkeit, Römer 13) verweigern zu müssen glaubten, zeigt, wie solche geistlich zu verstehenden Worte des HERRN mißverstanden sind. Vor beiden Abwegen sollten wir uns hüten, wenn wir „das Wort der Wahrheit richtig teilen” wollen (2. Tim. 2,15). Wir sollten dagegen um so treuer lernen, die ganze Waffenrüstung geistlicher Art zu gebrauchen, die uns not ist, die wir täglich in schwerem geistlichem Glaubenskampf stehen! (Eph. 6,12-18.) Und dazu gehört (V. 17) das scharfe „Schwert des Geistes, welches Gottes Wort ist” (vgl. Hebr. 4,12.13).
Wie köstlich im Hinblick auf die Leiden unseres geliebten HERRN, die Er im Blick auf die vor Ihm liegende Freude erduldete (Hebr. 12,2), ist dies Wort doch: „Auch das, was von Mir geschrieben ist, was Mich betrifft, hat eine Vollendung”! In diesen Tagen wird die Christenheit wieder besonders daran erinnert; wenn sie es nur beachten wollte!
Ja, alles was die Schrift von Ihm zuvorsagte, musste sich vollenden, so z. B. sowohl das Wort von den „30 Silberlingen” (Sach. 10,12; Mt. 26,14.16; 27,3-10) wie das „sie teilen Meine Kleider unter sich, und über Mein Gewand werfen sie das Los” (Ps. 22,18; vgl. Joh. 19,23.24!), wie auch vor allem das ernste, uns in seinen Tiefen nie völlig verständliche, aber uns stets zur Anbetung mahnende: „Mein Gott, Mein Gott, warum hast Du Mich verlassen?!” (Ps. 22,1; Mt. 27,46; Mk. 15,34) oder Ps. 69,20.21 (vgl. Jahrb. 9, Seite 182ff.) usw.; aber auch Ps. 16,8-11 und 110,1 -Worte, die von Seiner Auferstehung reden, auf die sich Petrus in seiner Pfingstpredigt (Apg. 2) beruft (vgl. auch Lk. 24,44-48), u. a.
Gepriesen sei unser teurer HERR, dessen Wort Alten wie Neuen Testaments unantastbar wahr ist, mag es sich nun auf die Welt, die Seinen oder auch auf Ihn Selbst beziehen! Sein Name sei gelobt!
F. K.